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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Pfropfen blieb im Strohdach stecken, und man fürchtete, dasselbe habe Feuer
gefana.er. Kaum war aber diese Gefahr beseitigt, als der kindische König die
Flinte wieder anlegte und den Inhalt des zweiten Laufs seinen vor ihm kauern¬
den Wakungus ins Geficht schoß, worüber er dann als über einen Capitalspaß
in lautes Gelächter ausbrach.

Ein Spaziergang Spetes in den Gärten des Königs zeigte, daß die
Damen des Harems trotz des stets über ihnen schwebenden, für das leiseste
Versehen drohenden Unterganges ziemlich leichtsinnige Geschöpfe waren. "Die
Pisangpflanzungen," erzählt sein Tagebuch, "waren von den zahlreichen Frauen
wundervoll gehalten. Diese Frauen liefen, aus Furcht, meinen Blicken zu be¬
gegnen, als ich mich näherte, eiligst davon. Nur eine, die überrascht worden,
blieb, warf sich aber platt auf die Erde, rollte sich in ihr Basttuch ein und
schrie, mit ihren nackten Fersen um sich stoßend, Mörder und Hilfe, bis ich sie
aufhob und sie wegen ihrer Thorheit tadelte. Dies machte meine Nixchen
kühner, eine nach der andern schlich sich zu mir heran, und dann setzten sie
sich mit mir in einer Gruppe auf die Erde, wobei sie sich unablässig mit
den Händen an die Köpfe schlugen und "Wub, wnd!" riefen. Sie hätten,
hörte ich sie sagen, in ihrem Leben nie so was Schönes gesehen. Seine
Frau und seine Kinder müßten ihm ähnlich sein. Was würde nicht Suma
(der Borgänger Mtesas) für einen solchen herrlichen Anblick gegeben haben.
Es wäre aber Mtesas Geschick gewesen, dies zu erleben. In welcher Gunst
müßte dieser bei den Geistern stehen." -- Speke wollte gehen, sie ließen ihn
nicht. "Bleibe noch ein Weilchen", riefen sie ihm in einem Athem ganz außer
sich vor Aufregung zu. "Nimm einmal deinen Hut ab und zeige dein Haar
-- zieh die Schuhe aus und streife deine Hosen auf! -- Was in aller Welt
hast du in den Taschen? O Wunder über Wunder -- und das Eisen!"
Als er einer die Uhr ans Ohr hielt, rief sie erstaunt: "Tick, tick, tick -- wnd,
wnd, wnd! -- das müssen sie alle sehen." und er mußte das Gehäuse öffnen
und das Werk zeigen. "O schrecklich!" rief da eine von ihnen, "verhüllt euer
Gesicht, es ist der Lubari. Mache zu, Bana, mache zu. Wir haben genug
gesehen. Du kommst aber wieder und bringst uns Perlen."

Einmal begleitete Speke den König auf die Jagd nach dem See Nyanza.
Vorher wurde im Hofe des Palastes gefrühstückt, wobei Mensa das servirte
Roastbeef und den dazu gegebnen Bananenbrci mit den Händen aß und die
Bissen, die ihm zum Kauen zu zäh waren, wieder aus dem Munde nahm, um
sie seinen Pagen hinzuwerfen, die sich dafür auf das demüthigste bedankten
und die Gabe anscheinend mit großem Genuß verschluckten. Am See jagte man
nach Flußpferden. unsre sich aber vergeblich ab, eins zu erlegen. Am nächsten
Tage wiederholte sich dies, bis man endlich auf einer Insel landete, um
zu speisen. Dann wurde ein Spaziergang gemacht, wobei sich wieder ein-


Pfropfen blieb im Strohdach stecken, und man fürchtete, dasselbe habe Feuer
gefana.er. Kaum war aber diese Gefahr beseitigt, als der kindische König die
Flinte wieder anlegte und den Inhalt des zweiten Laufs seinen vor ihm kauern¬
den Wakungus ins Geficht schoß, worüber er dann als über einen Capitalspaß
in lautes Gelächter ausbrach.

Ein Spaziergang Spetes in den Gärten des Königs zeigte, daß die
Damen des Harems trotz des stets über ihnen schwebenden, für das leiseste
Versehen drohenden Unterganges ziemlich leichtsinnige Geschöpfe waren. „Die
Pisangpflanzungen," erzählt sein Tagebuch, „waren von den zahlreichen Frauen
wundervoll gehalten. Diese Frauen liefen, aus Furcht, meinen Blicken zu be¬
gegnen, als ich mich näherte, eiligst davon. Nur eine, die überrascht worden,
blieb, warf sich aber platt auf die Erde, rollte sich in ihr Basttuch ein und
schrie, mit ihren nackten Fersen um sich stoßend, Mörder und Hilfe, bis ich sie
aufhob und sie wegen ihrer Thorheit tadelte. Dies machte meine Nixchen
kühner, eine nach der andern schlich sich zu mir heran, und dann setzten sie
sich mit mir in einer Gruppe auf die Erde, wobei sie sich unablässig mit
den Händen an die Köpfe schlugen und „Wub, wnd!" riefen. Sie hätten,
hörte ich sie sagen, in ihrem Leben nie so was Schönes gesehen. Seine
Frau und seine Kinder müßten ihm ähnlich sein. Was würde nicht Suma
(der Borgänger Mtesas) für einen solchen herrlichen Anblick gegeben haben.
Es wäre aber Mtesas Geschick gewesen, dies zu erleben. In welcher Gunst
müßte dieser bei den Geistern stehen." — Speke wollte gehen, sie ließen ihn
nicht. „Bleibe noch ein Weilchen", riefen sie ihm in einem Athem ganz außer
sich vor Aufregung zu. „Nimm einmal deinen Hut ab und zeige dein Haar
— zieh die Schuhe aus und streife deine Hosen auf! — Was in aller Welt
hast du in den Taschen? O Wunder über Wunder — und das Eisen!"
Als er einer die Uhr ans Ohr hielt, rief sie erstaunt: „Tick, tick, tick — wnd,
wnd, wnd! — das müssen sie alle sehen." und er mußte das Gehäuse öffnen
und das Werk zeigen. „O schrecklich!" rief da eine von ihnen, „verhüllt euer
Gesicht, es ist der Lubari. Mache zu, Bana, mache zu. Wir haben genug
gesehen. Du kommst aber wieder und bringst uns Perlen."

Einmal begleitete Speke den König auf die Jagd nach dem See Nyanza.
Vorher wurde im Hofe des Palastes gefrühstückt, wobei Mensa das servirte
Roastbeef und den dazu gegebnen Bananenbrci mit den Händen aß und die
Bissen, die ihm zum Kauen zu zäh waren, wieder aus dem Munde nahm, um
sie seinen Pagen hinzuwerfen, die sich dafür auf das demüthigste bedankten
und die Gabe anscheinend mit großem Genuß verschluckten. Am See jagte man
nach Flußpferden. unsre sich aber vergeblich ab, eins zu erlegen. Am nächsten
Tage wiederholte sich dies, bis man endlich auf einer Insel landete, um
zu speisen. Dann wurde ein Spaziergang gemacht, wobei sich wieder ein-


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[0388] Pfropfen blieb im Strohdach stecken, und man fürchtete, dasselbe habe Feuer gefana.er. Kaum war aber diese Gefahr beseitigt, als der kindische König die Flinte wieder anlegte und den Inhalt des zweiten Laufs seinen vor ihm kauern¬ den Wakungus ins Geficht schoß, worüber er dann als über einen Capitalspaß in lautes Gelächter ausbrach. Ein Spaziergang Spetes in den Gärten des Königs zeigte, daß die Damen des Harems trotz des stets über ihnen schwebenden, für das leiseste Versehen drohenden Unterganges ziemlich leichtsinnige Geschöpfe waren. „Die Pisangpflanzungen," erzählt sein Tagebuch, „waren von den zahlreichen Frauen wundervoll gehalten. Diese Frauen liefen, aus Furcht, meinen Blicken zu be¬ gegnen, als ich mich näherte, eiligst davon. Nur eine, die überrascht worden, blieb, warf sich aber platt auf die Erde, rollte sich in ihr Basttuch ein und schrie, mit ihren nackten Fersen um sich stoßend, Mörder und Hilfe, bis ich sie aufhob und sie wegen ihrer Thorheit tadelte. Dies machte meine Nixchen kühner, eine nach der andern schlich sich zu mir heran, und dann setzten sie sich mit mir in einer Gruppe auf die Erde, wobei sie sich unablässig mit den Händen an die Köpfe schlugen und „Wub, wnd!" riefen. Sie hätten, hörte ich sie sagen, in ihrem Leben nie so was Schönes gesehen. Seine Frau und seine Kinder müßten ihm ähnlich sein. Was würde nicht Suma (der Borgänger Mtesas) für einen solchen herrlichen Anblick gegeben haben. Es wäre aber Mtesas Geschick gewesen, dies zu erleben. In welcher Gunst müßte dieser bei den Geistern stehen." — Speke wollte gehen, sie ließen ihn nicht. „Bleibe noch ein Weilchen", riefen sie ihm in einem Athem ganz außer sich vor Aufregung zu. „Nimm einmal deinen Hut ab und zeige dein Haar — zieh die Schuhe aus und streife deine Hosen auf! — Was in aller Welt hast du in den Taschen? O Wunder über Wunder — und das Eisen!" Als er einer die Uhr ans Ohr hielt, rief sie erstaunt: „Tick, tick, tick — wnd, wnd, wnd! — das müssen sie alle sehen." und er mußte das Gehäuse öffnen und das Werk zeigen. „O schrecklich!" rief da eine von ihnen, „verhüllt euer Gesicht, es ist der Lubari. Mache zu, Bana, mache zu. Wir haben genug gesehen. Du kommst aber wieder und bringst uns Perlen." Einmal begleitete Speke den König auf die Jagd nach dem See Nyanza. Vorher wurde im Hofe des Palastes gefrühstückt, wobei Mensa das servirte Roastbeef und den dazu gegebnen Bananenbrci mit den Händen aß und die Bissen, die ihm zum Kauen zu zäh waren, wieder aus dem Munde nahm, um sie seinen Pagen hinzuwerfen, die sich dafür auf das demüthigste bedankten und die Gabe anscheinend mit großem Genuß verschluckten. Am See jagte man nach Flußpferden. unsre sich aber vergeblich ab, eins zu erlegen. Am nächsten Tage wiederholte sich dies, bis man endlich auf einer Insel landete, um zu speisen. Dann wurde ein Spaziergang gemacht, wobei sich wieder ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/388>, abgerufen am 28.09.2024.