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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Bei Todesstrafe ist in Uganda verboten, über den königlichen Stammbaum
zu sprechen, über die eroberten Länder oder die benachbarten Auskunft zu
geben. Niemand ferner darf die Gäste des Königs besuchen oder bei sich em¬
pfangen, ohne Erlaubniß dazu erlangt zu haben; denn der König betrachtet die
Ausbeutung der Fremden als Monopol. Wer seine Augen auf einer der kö¬
niglichen Frauen ruhen läßt, wer den Herrscher anrührt oder ihn anredet ohne
gefragt zu sein, wer nicht vorschriftsmäßig grüßt, wenn er den König steht, wer
sein Gewand nicht nach der Regel gebunden hat, beim Kauern etwa einen Zoll
nackten Beines sehen läßt, wer andere Artikel fremder Arbeit als Perlen und
Messingdraht, z. B. gewebtes Zeug im Hause hat, verfällt dem Henker, wenn
er sich nicht durch Abtretung seines Eigenthums loskauft. Einem Pagen, wel¬
cher eine Antwort Spekes auf eine Botschaft Mtesas falsch verstanden, schnitt
der Despot die Ohren ab, weil er diese Organe nicht gebührlich gebraucht
hätte. Einen Beamten, der bei einer Vertheilung von Landgütern und Frauen
vom Könige nicht genug bekommen haben wollte und um mehr bat, hieß Mtesa
ohne Weiteres wegen Undankbarkeit in Stücke zerschneiden. Der Henker schlug
ihm auf der Stelle mit einer scharfkantigen schwerköpfigen Keule den Hals ent¬
zwei, dann wurde das Urtheil vollzogen, aber nicht mit Messern, sondern mit
Streifen scharfkantigen Grases.

Bei einem Lever führten Beamte dem König einen alten Mann, dem beide
Ohren abgeschnitten worden waren, "weil er in seiner Jugend zu hübsch ge¬
wesen", und eine junge Frau vor, die man in seinem Hause gefunden hatte.
Die letztere war ihrem ebenfalls hier erschienenen Manne entlaufen, und der
Alte sollte sie geraubt haben. Allein Anschein nach war das unglückliche Weib
dem Kläger wegen schlechter Behandlung entflohen und hatte sich zu dem hin¬
fälligen Greise, der ihr Großvater hätte sein können, begeben, ohne ihn um
Erlaubniß zu fragen. Der König hörte aber nicht auf das. was sie vorbrachte.
Er hörte nur den Kläger. Augenblicklich verurtheilte er die beiden Unglücklichen
zum Tode, und um das Beispiel noch strenger zu machen, sollte ihnen das
Leben nicht sofort genommen werden, sondern der Tyrann befahl, sie eine Zeit
lang tüchtig zu füttern, damit sie recht kräftig und ausdauernd würden, und
ihnen dann erst täglich Stücke Fleisch zur Speisung der Geier abzuschneiden.
Vergeblich versuchten die Geängstigten, sich Gehör zu verschaffen. Die Hof-
kapelle übertäubte ihr Geschrei mit ihren Trommeln und Pfeifen, und die Leib¬
wache schleppte sie in barbarischer Weise von dannen.

Ohne sich weiter um das Trauerspiel, das er veranlaßt, zu kümmern, sagte
der König unmittelbar nach ihrem Abgang zu Speke: "Nun, Bana, zum
Schießen! Laß deine Flinte sehen." Sie war zufällig geladen, aber glücklicher¬
weise nur mit Pulver zu Signalschüssen. Sogleich steckte nämlich Mtesa Zünd¬
hütchen auf die Pisions und schoß einen Laus aufs Gerathewohl ab. Der


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Bei Todesstrafe ist in Uganda verboten, über den königlichen Stammbaum
zu sprechen, über die eroberten Länder oder die benachbarten Auskunft zu
geben. Niemand ferner darf die Gäste des Königs besuchen oder bei sich em¬
pfangen, ohne Erlaubniß dazu erlangt zu haben; denn der König betrachtet die
Ausbeutung der Fremden als Monopol. Wer seine Augen auf einer der kö¬
niglichen Frauen ruhen läßt, wer den Herrscher anrührt oder ihn anredet ohne
gefragt zu sein, wer nicht vorschriftsmäßig grüßt, wenn er den König steht, wer
sein Gewand nicht nach der Regel gebunden hat, beim Kauern etwa einen Zoll
nackten Beines sehen läßt, wer andere Artikel fremder Arbeit als Perlen und
Messingdraht, z. B. gewebtes Zeug im Hause hat, verfällt dem Henker, wenn
er sich nicht durch Abtretung seines Eigenthums loskauft. Einem Pagen, wel¬
cher eine Antwort Spekes auf eine Botschaft Mtesas falsch verstanden, schnitt
der Despot die Ohren ab, weil er diese Organe nicht gebührlich gebraucht
hätte. Einen Beamten, der bei einer Vertheilung von Landgütern und Frauen
vom Könige nicht genug bekommen haben wollte und um mehr bat, hieß Mtesa
ohne Weiteres wegen Undankbarkeit in Stücke zerschneiden. Der Henker schlug
ihm auf der Stelle mit einer scharfkantigen schwerköpfigen Keule den Hals ent¬
zwei, dann wurde das Urtheil vollzogen, aber nicht mit Messern, sondern mit
Streifen scharfkantigen Grases.

Bei einem Lever führten Beamte dem König einen alten Mann, dem beide
Ohren abgeschnitten worden waren, „weil er in seiner Jugend zu hübsch ge¬
wesen", und eine junge Frau vor, die man in seinem Hause gefunden hatte.
Die letztere war ihrem ebenfalls hier erschienenen Manne entlaufen, und der
Alte sollte sie geraubt haben. Allein Anschein nach war das unglückliche Weib
dem Kläger wegen schlechter Behandlung entflohen und hatte sich zu dem hin¬
fälligen Greise, der ihr Großvater hätte sein können, begeben, ohne ihn um
Erlaubniß zu fragen. Der König hörte aber nicht auf das. was sie vorbrachte.
Er hörte nur den Kläger. Augenblicklich verurtheilte er die beiden Unglücklichen
zum Tode, und um das Beispiel noch strenger zu machen, sollte ihnen das
Leben nicht sofort genommen werden, sondern der Tyrann befahl, sie eine Zeit
lang tüchtig zu füttern, damit sie recht kräftig und ausdauernd würden, und
ihnen dann erst täglich Stücke Fleisch zur Speisung der Geier abzuschneiden.
Vergeblich versuchten die Geängstigten, sich Gehör zu verschaffen. Die Hof-
kapelle übertäubte ihr Geschrei mit ihren Trommeln und Pfeifen, und die Leib¬
wache schleppte sie in barbarischer Weise von dannen.

Ohne sich weiter um das Trauerspiel, das er veranlaßt, zu kümmern, sagte
der König unmittelbar nach ihrem Abgang zu Speke: „Nun, Bana, zum
Schießen! Laß deine Flinte sehen." Sie war zufällig geladen, aber glücklicher¬
weise nur mit Pulver zu Signalschüssen. Sogleich steckte nämlich Mtesa Zünd¬
hütchen auf die Pisions und schoß einen Laus aufs Gerathewohl ab. Der


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[0387] Bei Todesstrafe ist in Uganda verboten, über den königlichen Stammbaum zu sprechen, über die eroberten Länder oder die benachbarten Auskunft zu geben. Niemand ferner darf die Gäste des Königs besuchen oder bei sich em¬ pfangen, ohne Erlaubniß dazu erlangt zu haben; denn der König betrachtet die Ausbeutung der Fremden als Monopol. Wer seine Augen auf einer der kö¬ niglichen Frauen ruhen läßt, wer den Herrscher anrührt oder ihn anredet ohne gefragt zu sein, wer nicht vorschriftsmäßig grüßt, wenn er den König steht, wer sein Gewand nicht nach der Regel gebunden hat, beim Kauern etwa einen Zoll nackten Beines sehen läßt, wer andere Artikel fremder Arbeit als Perlen und Messingdraht, z. B. gewebtes Zeug im Hause hat, verfällt dem Henker, wenn er sich nicht durch Abtretung seines Eigenthums loskauft. Einem Pagen, wel¬ cher eine Antwort Spekes auf eine Botschaft Mtesas falsch verstanden, schnitt der Despot die Ohren ab, weil er diese Organe nicht gebührlich gebraucht hätte. Einen Beamten, der bei einer Vertheilung von Landgütern und Frauen vom Könige nicht genug bekommen haben wollte und um mehr bat, hieß Mtesa ohne Weiteres wegen Undankbarkeit in Stücke zerschneiden. Der Henker schlug ihm auf der Stelle mit einer scharfkantigen schwerköpfigen Keule den Hals ent¬ zwei, dann wurde das Urtheil vollzogen, aber nicht mit Messern, sondern mit Streifen scharfkantigen Grases. Bei einem Lever führten Beamte dem König einen alten Mann, dem beide Ohren abgeschnitten worden waren, „weil er in seiner Jugend zu hübsch ge¬ wesen", und eine junge Frau vor, die man in seinem Hause gefunden hatte. Die letztere war ihrem ebenfalls hier erschienenen Manne entlaufen, und der Alte sollte sie geraubt haben. Allein Anschein nach war das unglückliche Weib dem Kläger wegen schlechter Behandlung entflohen und hatte sich zu dem hin¬ fälligen Greise, der ihr Großvater hätte sein können, begeben, ohne ihn um Erlaubniß zu fragen. Der König hörte aber nicht auf das. was sie vorbrachte. Er hörte nur den Kläger. Augenblicklich verurtheilte er die beiden Unglücklichen zum Tode, und um das Beispiel noch strenger zu machen, sollte ihnen das Leben nicht sofort genommen werden, sondern der Tyrann befahl, sie eine Zeit lang tüchtig zu füttern, damit sie recht kräftig und ausdauernd würden, und ihnen dann erst täglich Stücke Fleisch zur Speisung der Geier abzuschneiden. Vergeblich versuchten die Geängstigten, sich Gehör zu verschaffen. Die Hof- kapelle übertäubte ihr Geschrei mit ihren Trommeln und Pfeifen, und die Leib¬ wache schleppte sie in barbarischer Weise von dannen. Ohne sich weiter um das Trauerspiel, das er veranlaßt, zu kümmern, sagte der König unmittelbar nach ihrem Abgang zu Speke: „Nun, Bana, zum Schießen! Laß deine Flinte sehen." Sie war zufällig geladen, aber glücklicher¬ weise nur mit Pulver zu Signalschüssen. Sogleich steckte nämlich Mtesa Zünd¬ hütchen auf die Pisions und schoß einen Laus aufs Gerathewohl ab. Der 48^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/387>, abgerufen am 28.09.2024.