Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.Majorität des Bundes, welche unter dem Einfluß der Tagesstimmungen mit Majorität des Bundes, welche unter dem Einfluß der Tagesstimmungen mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189473"/> <p xml:id="ID_1533" prev="#ID_1532" next="#ID_1534"> Majorität des Bundes, welche unter dem Einfluß der Tagesstimmungen mit<lb/> dem Liberalismus handelte, bei Seite schob. Es war dazu allerdings nöthig,<lb/> mit dem alten Gegner Oestreich in näheres Verhältniß zu treten; denn für<lb/> Preußen allein erschien solche Action unmöglich, wenn sie Oestreich Gelegenheit<lb/> gab. entweder mit der Majorität des Bundes, oder gar mit dem Ausland<lb/> gegen Preußen zu conspiriren. So wurde der Pact mit Oestreich geschlossen,<lb/> und in dem Wesen des Grafen Nechberg war vieles, was der Aufforderung<lb/> des preußischen Ministerpräsidenten entsprach. Die Action wurde beschlossen.<lb/> Es kam Herrn von Bismarck damals mehr darauf an, daß die preußischen<lb/> Truppen einrückten, den Bund und das preußische Abgeordnetenhaus über-<lb/> rannten, als auf das letzt Ziel der Expedition. Denn auch die Personalunion<lb/> zu erhalten, lag ihm schwerlich am Herzen. Seine Berechnung erwies sich<lb/> nur theilweise als richtig. Der Widerstand der Dänen, der ausbrechende Krieg,<lb/> das vergossene Blut, die Umwandlungen der Stimmung in der Armee, und<lb/> die patriotische Wärme in Preußen selbst gaben dem Kriege während des<lb/> Kampfes höhere Zielpunkte, auch in den höchsten militärischen Kreisen Preußens<lb/> brach sich die Ueberzeugung Bahn, daß die Herzogthümer nicht bei Dänemark<lb/> bleiben dürften. Die Dänen thaten redlich das Ihre, die Personalunion un¬<lb/> möglich zu machen. Herr v. Bismarck ließ sie ohne Bedauern fallen. Er war<lb/> aber durch die Ereignisse soweit gebracht worden, für das zu arbeiten, was<lb/> seine Gegner seit vorigem Herbst geräuschvoll gefordert hatten. Mannigfach<lb/> mögen die Pläne gewesen sein, welche er über die Zukunft der Herzogthümer<lb/> faßte, auf die Agitation für den Anschluß an Preußen folgte die rücksichtsvolle<lb/> Behandlung der Gedanken des Großherzogs von Oldenburg, und wohl noch<lb/> andere Projecte für eine Machtvergrößerung seines Staates. Der stille Wider¬<lb/> stand Oestreichs und Frankreichs zwang immer wieder zur Vorsicht. Aber Eines<lb/> blieb ihm fest, daß die Angelegenheit nicht mit einem Siege der liberalen<lb/> Stimmungen und nicht mit einem Erfolge der Bundesmajorität enden dürfe.<lb/> Die Bundesexecutionspartei hatte — nicht nur ihm — mehrfache Veranlassung<lb/> zu Aerger gegeben, und in den Herzogthümern fand er nur eine ihm persönlich<lb/> nahe stehende Fraction, die dortigen Junker des Gesammtstaats. Aus diesen<lb/> Gründen, die man wohl gemüthliche nennen darf, wurde seit Beginn der<lb/> Friedensverhandlungen für ihn wichtig, dem Bunde und den Herzogthümern<lb/> zu zeigen, daß er die Constituirung eines liberalen Staates zwischen Nord- und<lb/> Ostsee verhindern werde. Der Herzog von Schleswig-Holstein erwies sich in<lb/> der vielbesprochenen Unterredung in Betreff der Landesverfassung nicht gefügig —<lb/> soweit ein Urtheil aus den widersprechenden Tagesnotizen über diese Unter¬<lb/> redung erlaubt ist — und Herr v. Bismarck war entschlossen, ohne oder gegen<lb/> ihn in den Herzogthümern das zu versuchen, was er jetzt noch für einen Sieg<lb/> seiner Sache hielt. Man thut dem Ministerpräsidenten wohl nicht Unrecht,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0378]
Majorität des Bundes, welche unter dem Einfluß der Tagesstimmungen mit
dem Liberalismus handelte, bei Seite schob. Es war dazu allerdings nöthig,
mit dem alten Gegner Oestreich in näheres Verhältniß zu treten; denn für
Preußen allein erschien solche Action unmöglich, wenn sie Oestreich Gelegenheit
gab. entweder mit der Majorität des Bundes, oder gar mit dem Ausland
gegen Preußen zu conspiriren. So wurde der Pact mit Oestreich geschlossen,
und in dem Wesen des Grafen Nechberg war vieles, was der Aufforderung
des preußischen Ministerpräsidenten entsprach. Die Action wurde beschlossen.
Es kam Herrn von Bismarck damals mehr darauf an, daß die preußischen
Truppen einrückten, den Bund und das preußische Abgeordnetenhaus über-
rannten, als auf das letzt Ziel der Expedition. Denn auch die Personalunion
zu erhalten, lag ihm schwerlich am Herzen. Seine Berechnung erwies sich
nur theilweise als richtig. Der Widerstand der Dänen, der ausbrechende Krieg,
das vergossene Blut, die Umwandlungen der Stimmung in der Armee, und
die patriotische Wärme in Preußen selbst gaben dem Kriege während des
Kampfes höhere Zielpunkte, auch in den höchsten militärischen Kreisen Preußens
brach sich die Ueberzeugung Bahn, daß die Herzogthümer nicht bei Dänemark
bleiben dürften. Die Dänen thaten redlich das Ihre, die Personalunion un¬
möglich zu machen. Herr v. Bismarck ließ sie ohne Bedauern fallen. Er war
aber durch die Ereignisse soweit gebracht worden, für das zu arbeiten, was
seine Gegner seit vorigem Herbst geräuschvoll gefordert hatten. Mannigfach
mögen die Pläne gewesen sein, welche er über die Zukunft der Herzogthümer
faßte, auf die Agitation für den Anschluß an Preußen folgte die rücksichtsvolle
Behandlung der Gedanken des Großherzogs von Oldenburg, und wohl noch
andere Projecte für eine Machtvergrößerung seines Staates. Der stille Wider¬
stand Oestreichs und Frankreichs zwang immer wieder zur Vorsicht. Aber Eines
blieb ihm fest, daß die Angelegenheit nicht mit einem Siege der liberalen
Stimmungen und nicht mit einem Erfolge der Bundesmajorität enden dürfe.
Die Bundesexecutionspartei hatte — nicht nur ihm — mehrfache Veranlassung
zu Aerger gegeben, und in den Herzogthümern fand er nur eine ihm persönlich
nahe stehende Fraction, die dortigen Junker des Gesammtstaats. Aus diesen
Gründen, die man wohl gemüthliche nennen darf, wurde seit Beginn der
Friedensverhandlungen für ihn wichtig, dem Bunde und den Herzogthümern
zu zeigen, daß er die Constituirung eines liberalen Staates zwischen Nord- und
Ostsee verhindern werde. Der Herzog von Schleswig-Holstein erwies sich in
der vielbesprochenen Unterredung in Betreff der Landesverfassung nicht gefügig —
soweit ein Urtheil aus den widersprechenden Tagesnotizen über diese Unter¬
redung erlaubt ist — und Herr v. Bismarck war entschlossen, ohne oder gegen
ihn in den Herzogthümern das zu versuchen, was er jetzt noch für einen Sieg
seiner Sache hielt. Man thut dem Ministerpräsidenten wohl nicht Unrecht,
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