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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Gegensatz zu der Auffassung vieler befreundeter Blätter in andern Theilen
Deutschlands.

Das sind unheimliche Erscheinungen. Die Lebenden, denen in diesen
Dreivierteljahren bald heißes, bald kaltes Wasser in wechselndem Sturzbad über
das Haupt gegossen wurde, wissen wohl, was der letzte Grund des allgemeinen
Haders und der Verstimmung ist. Auch hier bestätigt sich der triviale Satz,
daß es in der Welt fast mehr darauf ankommt, wie etwas gethan wird, als
daß es geschieht. Wir sehen niemand, der zufrieden ist, weder die Souveräne,
noch ihre Minister, nickt die Conservativen und nicht die Liberalen, auch nicht
das Volk der Herzogthümer. In der That, nur Einer könnte zufrieden sein,
und das wäre ein Mann von ungewöhnlichem Gefüge des Geistes und Herzens,
jemand, der eine Freude darin fände, die Deutschen unter einander zu ent¬
zweien, alles gegen die öffentliche Meinung zu thun und sie mit innigem
Behagen ins Gesicht zu schlagen, jede Rücksicht, welche politische Geschäfte leicht
macht, zu vernachlässigen, sich in frivolem Spiel ein Hinderniß nach dem andern
aufzubauen und sich selbst in seinem Staat durch Leichtsinn, Verkehrtheit und
durch Rancüne gegen Einzelne um die Frucht der schönsten Siege zu bringen.
Süddeutsche Blätter sagen uns, daß der Ministerpräsident von Preußen dieser
Mann sei. Wir glauben ihnen nicht.

Aber es ist allerdings für niemand leicht, seine Handlungsweise, soweit
sie die letzten Entscklüssc der preußischen Negierung darstellt, zu begreifen. Und
doch ist, bevor man Liebe oder Abneigung ausspricht, nöthig, Gedanken und
Wollen eines Mannes unbefangen und gerecht zu beurtheile". Und ohne etwas
Anderes als die Ansicht eines Einzelnen aus der Ferne aussprechen zu wollen,
denken wir uns seine Stellung zu der Frage der Herzogthümer etwa folgender¬
maßen. Er hatte kein persönliches Interesse für die Befreiung Schleswig-Holsteins;
im Gegentheil, die Verbindung der dortigen Patrioten mit den Liberalen und viel¬
leicht persönliche Beziehungen zu Mitgliedern der Gcsammtstaatspartei verleideten
ihm die deutsche Opposition in den Herzogthümer" als lästige Parteisache der
Liberalen. Die Bewegung in Deutschland für den Herzog von Schleswig-Hol¬
stein und sein Recht trug nickt dazu bei. ihn der Angelegenheit geneigt zu machen,
und zufällige persönliche Eindrücke haben bei seinem Wesen -- wie es scheint --
ungewöhnlich großen Einfluß auf sein Urtheil. Als nun die Verhandlungen
am Bunde, die Haltung der deutschen Cabinete, ja persönliche Auffassungen
im preußischen Herrscherhause und nicht zuletzt die Stimmung der Armee eine
Betheiligung Preußens unvermeidlich machten, da empfahl seinem elastischen
Geist sich diese Frage als eine gute Gelegenheit, durch äußere Erfolge seines
Ministeriums die innere Widersetzlichkeit zum Schweigen zu bringen. Was aber
auch geschehen mußte, es mußte so geschehen, daß es nicht als Erfolg und Sieg
des deutschen Liberalismus erhellen, und es mußte so geschehen, daß es die


Grenzboten III. 1864. 47

Gegensatz zu der Auffassung vieler befreundeter Blätter in andern Theilen
Deutschlands.

Das sind unheimliche Erscheinungen. Die Lebenden, denen in diesen
Dreivierteljahren bald heißes, bald kaltes Wasser in wechselndem Sturzbad über
das Haupt gegossen wurde, wissen wohl, was der letzte Grund des allgemeinen
Haders und der Verstimmung ist. Auch hier bestätigt sich der triviale Satz,
daß es in der Welt fast mehr darauf ankommt, wie etwas gethan wird, als
daß es geschieht. Wir sehen niemand, der zufrieden ist, weder die Souveräne,
noch ihre Minister, nickt die Conservativen und nicht die Liberalen, auch nicht
das Volk der Herzogthümer. In der That, nur Einer könnte zufrieden sein,
und das wäre ein Mann von ungewöhnlichem Gefüge des Geistes und Herzens,
jemand, der eine Freude darin fände, die Deutschen unter einander zu ent¬
zweien, alles gegen die öffentliche Meinung zu thun und sie mit innigem
Behagen ins Gesicht zu schlagen, jede Rücksicht, welche politische Geschäfte leicht
macht, zu vernachlässigen, sich in frivolem Spiel ein Hinderniß nach dem andern
aufzubauen und sich selbst in seinem Staat durch Leichtsinn, Verkehrtheit und
durch Rancüne gegen Einzelne um die Frucht der schönsten Siege zu bringen.
Süddeutsche Blätter sagen uns, daß der Ministerpräsident von Preußen dieser
Mann sei. Wir glauben ihnen nicht.

Aber es ist allerdings für niemand leicht, seine Handlungsweise, soweit
sie die letzten Entscklüssc der preußischen Negierung darstellt, zu begreifen. Und
doch ist, bevor man Liebe oder Abneigung ausspricht, nöthig, Gedanken und
Wollen eines Mannes unbefangen und gerecht zu beurtheile». Und ohne etwas
Anderes als die Ansicht eines Einzelnen aus der Ferne aussprechen zu wollen,
denken wir uns seine Stellung zu der Frage der Herzogthümer etwa folgender¬
maßen. Er hatte kein persönliches Interesse für die Befreiung Schleswig-Holsteins;
im Gegentheil, die Verbindung der dortigen Patrioten mit den Liberalen und viel¬
leicht persönliche Beziehungen zu Mitgliedern der Gcsammtstaatspartei verleideten
ihm die deutsche Opposition in den Herzogthümer» als lästige Parteisache der
Liberalen. Die Bewegung in Deutschland für den Herzog von Schleswig-Hol¬
stein und sein Recht trug nickt dazu bei. ihn der Angelegenheit geneigt zu machen,
und zufällige persönliche Eindrücke haben bei seinem Wesen — wie es scheint —
ungewöhnlich großen Einfluß auf sein Urtheil. Als nun die Verhandlungen
am Bunde, die Haltung der deutschen Cabinete, ja persönliche Auffassungen
im preußischen Herrscherhause und nicht zuletzt die Stimmung der Armee eine
Betheiligung Preußens unvermeidlich machten, da empfahl seinem elastischen
Geist sich diese Frage als eine gute Gelegenheit, durch äußere Erfolge seines
Ministeriums die innere Widersetzlichkeit zum Schweigen zu bringen. Was aber
auch geschehen mußte, es mußte so geschehen, daß es nicht als Erfolg und Sieg
des deutschen Liberalismus erhellen, und es mußte so geschehen, daß es die


Grenzboten III. 1864. 47
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[0377] Gegensatz zu der Auffassung vieler befreundeter Blätter in andern Theilen Deutschlands. Das sind unheimliche Erscheinungen. Die Lebenden, denen in diesen Dreivierteljahren bald heißes, bald kaltes Wasser in wechselndem Sturzbad über das Haupt gegossen wurde, wissen wohl, was der letzte Grund des allgemeinen Haders und der Verstimmung ist. Auch hier bestätigt sich der triviale Satz, daß es in der Welt fast mehr darauf ankommt, wie etwas gethan wird, als daß es geschieht. Wir sehen niemand, der zufrieden ist, weder die Souveräne, noch ihre Minister, nickt die Conservativen und nicht die Liberalen, auch nicht das Volk der Herzogthümer. In der That, nur Einer könnte zufrieden sein, und das wäre ein Mann von ungewöhnlichem Gefüge des Geistes und Herzens, jemand, der eine Freude darin fände, die Deutschen unter einander zu ent¬ zweien, alles gegen die öffentliche Meinung zu thun und sie mit innigem Behagen ins Gesicht zu schlagen, jede Rücksicht, welche politische Geschäfte leicht macht, zu vernachlässigen, sich in frivolem Spiel ein Hinderniß nach dem andern aufzubauen und sich selbst in seinem Staat durch Leichtsinn, Verkehrtheit und durch Rancüne gegen Einzelne um die Frucht der schönsten Siege zu bringen. Süddeutsche Blätter sagen uns, daß der Ministerpräsident von Preußen dieser Mann sei. Wir glauben ihnen nicht. Aber es ist allerdings für niemand leicht, seine Handlungsweise, soweit sie die letzten Entscklüssc der preußischen Negierung darstellt, zu begreifen. Und doch ist, bevor man Liebe oder Abneigung ausspricht, nöthig, Gedanken und Wollen eines Mannes unbefangen und gerecht zu beurtheile». Und ohne etwas Anderes als die Ansicht eines Einzelnen aus der Ferne aussprechen zu wollen, denken wir uns seine Stellung zu der Frage der Herzogthümer etwa folgender¬ maßen. Er hatte kein persönliches Interesse für die Befreiung Schleswig-Holsteins; im Gegentheil, die Verbindung der dortigen Patrioten mit den Liberalen und viel¬ leicht persönliche Beziehungen zu Mitgliedern der Gcsammtstaatspartei verleideten ihm die deutsche Opposition in den Herzogthümer» als lästige Parteisache der Liberalen. Die Bewegung in Deutschland für den Herzog von Schleswig-Hol¬ stein und sein Recht trug nickt dazu bei. ihn der Angelegenheit geneigt zu machen, und zufällige persönliche Eindrücke haben bei seinem Wesen — wie es scheint — ungewöhnlich großen Einfluß auf sein Urtheil. Als nun die Verhandlungen am Bunde, die Haltung der deutschen Cabinete, ja persönliche Auffassungen im preußischen Herrscherhause und nicht zuletzt die Stimmung der Armee eine Betheiligung Preußens unvermeidlich machten, da empfahl seinem elastischen Geist sich diese Frage als eine gute Gelegenheit, durch äußere Erfolge seines Ministeriums die innere Widersetzlichkeit zum Schweigen zu bringen. Was aber auch geschehen mußte, es mußte so geschehen, daß es nicht als Erfolg und Sieg des deutschen Liberalismus erhellen, und es mußte so geschehen, daß es die Grenzboten III. 1864. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/377>, abgerufen am 28.09.2024.