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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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solchen Stellen würde dem Eigenthümer und dem Lande viel besser lohnen,
aber hier läßt sich nur durch gute Forstgesetze helfen, die strenge durchgreifen,
und durch gelernte Forstmänner, die man von jenseits der Alpen holen muß.

In der Viehzucht könnten die neapolitanischen Provinzen Vorzügliches leisten.
Kein Land hat prächtigere Rosse, in den Bergthälern gedeiht üppiges Rindvieh,
und die apulischen Ebenen ernähren ein paar Millionen Schafe. Dennoch muß
es jedem auffallen, wie gering der Viehstand in einem Lande ist, das wenig Fa¬
briken, aber ungeheure Strecken hat, die keine Sand- oder Bergwüsten sind
und doch nie einen Pflug erblicken. Gäbe es hier Straßen, würde die Aus¬
fuhr von Pferden und Schlachtvieh, zum Beispiel nach Frankreich und Ober¬
italien, erleichtert, fänden die Viehzüchter also besser ihre Rechnung, so würden
sie wohl sorgfältiger auf Vergrößerung, Veredlung und Stallfütterung ihrer
Heerden bedacht sein.

Im Landbau ist der Neapolitaner seinem Jnselnachbar weit überlegen.
Wüst liegt von den beinahe sieben Zehnteln, welche das anbaufähige Land be¬
trägt, kaum ein Zehntel: alles Uebrige ist bebaut, zum Theil trefflich. Dieser
große Vorzug, welcher vor Sicilien das Festland auszeichnet, liegt in dem Vor¬
theil einer früheren guten Gesetzgebung. Diese durchbrach schon vor länger als
fünfzig Jahren das erstarrte und verrottete Lehnswesen und bahnte die Zer¬
stückelung der todten Gütermassen an. Jetzt wäre wieder eine Zeit, wo man
mit den letzton Resten einer veralteten Gesellschaftsordnung ausräumen, wo man
leichter als sonst die Pachtsysteme, welche das Volk auszehren, durch Besseres
ersetzen, wo man durch gute Gesetze, durch Vorschußbanten und Tilgungskassen
dem kleinen Landvauer in seiner Schuldenlast aufhelfen und ihn den Händen
der Zinsherren und zahllosen Wucherer entreißen könnte.

Vergesse man nicht, in diesen südlichen Provinzen, in der Basilicata, deren
Bevölkerung in Bildung Halbasrikaner, und deren buschige Striche einer wüsten,
unbekannten Gegend gleichen, in Kalabrien, den Abruzzen und in den bergigen
Theilen der Principatos stecken noch kernige Menschenkräfte, ein Volk von fri¬
schen Sinnen, von Muth und Stärke. Es kommt jetzt alles daraus an, diese
Kräfte in eine gedeihliche Thätigkeit hinein zu reißen, den alten Schlendrian,
den Hang zum lässigen und kleinlichen Arbeiten, die eingewöhnte Stimmung,
mit der man am Besserwerden verzweifelt, kurz dies alles zu durchbrechen, was
den Leuten noch wie ein finsterer Bann aus alten Zeiten in den Giedern liegt.

Zahllos sind die Erwerbszweige, welche in diesen Gegenden noch aufblühen
könnten. Wie viele Handelspflanzen, wie viele Arzneien und Färbestoffe giebt
es, deren Erzeugung sich ganz dazu eignet. Läßt sich nicht feineres Oel,
edlerer Wein, besserer Tabak erzielen? Mit Anbau der Baumwolle sind Versuche
gemacht, die sich hoffentlich ausdehnen lassen. In den alten Ländern des Sei¬
tenbauch, in der Lombardei und Südfrankreich, will die Seidenraupe nicht


Grenzboten III. 18K4. 44

solchen Stellen würde dem Eigenthümer und dem Lande viel besser lohnen,
aber hier läßt sich nur durch gute Forstgesetze helfen, die strenge durchgreifen,
und durch gelernte Forstmänner, die man von jenseits der Alpen holen muß.

In der Viehzucht könnten die neapolitanischen Provinzen Vorzügliches leisten.
Kein Land hat prächtigere Rosse, in den Bergthälern gedeiht üppiges Rindvieh,
und die apulischen Ebenen ernähren ein paar Millionen Schafe. Dennoch muß
es jedem auffallen, wie gering der Viehstand in einem Lande ist, das wenig Fa¬
briken, aber ungeheure Strecken hat, die keine Sand- oder Bergwüsten sind
und doch nie einen Pflug erblicken. Gäbe es hier Straßen, würde die Aus¬
fuhr von Pferden und Schlachtvieh, zum Beispiel nach Frankreich und Ober¬
italien, erleichtert, fänden die Viehzüchter also besser ihre Rechnung, so würden
sie wohl sorgfältiger auf Vergrößerung, Veredlung und Stallfütterung ihrer
Heerden bedacht sein.

Im Landbau ist der Neapolitaner seinem Jnselnachbar weit überlegen.
Wüst liegt von den beinahe sieben Zehnteln, welche das anbaufähige Land be¬
trägt, kaum ein Zehntel: alles Uebrige ist bebaut, zum Theil trefflich. Dieser
große Vorzug, welcher vor Sicilien das Festland auszeichnet, liegt in dem Vor¬
theil einer früheren guten Gesetzgebung. Diese durchbrach schon vor länger als
fünfzig Jahren das erstarrte und verrottete Lehnswesen und bahnte die Zer¬
stückelung der todten Gütermassen an. Jetzt wäre wieder eine Zeit, wo man
mit den letzton Resten einer veralteten Gesellschaftsordnung ausräumen, wo man
leichter als sonst die Pachtsysteme, welche das Volk auszehren, durch Besseres
ersetzen, wo man durch gute Gesetze, durch Vorschußbanten und Tilgungskassen
dem kleinen Landvauer in seiner Schuldenlast aufhelfen und ihn den Händen
der Zinsherren und zahllosen Wucherer entreißen könnte.

Vergesse man nicht, in diesen südlichen Provinzen, in der Basilicata, deren
Bevölkerung in Bildung Halbasrikaner, und deren buschige Striche einer wüsten,
unbekannten Gegend gleichen, in Kalabrien, den Abruzzen und in den bergigen
Theilen der Principatos stecken noch kernige Menschenkräfte, ein Volk von fri¬
schen Sinnen, von Muth und Stärke. Es kommt jetzt alles daraus an, diese
Kräfte in eine gedeihliche Thätigkeit hinein zu reißen, den alten Schlendrian,
den Hang zum lässigen und kleinlichen Arbeiten, die eingewöhnte Stimmung,
mit der man am Besserwerden verzweifelt, kurz dies alles zu durchbrechen, was
den Leuten noch wie ein finsterer Bann aus alten Zeiten in den Giedern liegt.

Zahllos sind die Erwerbszweige, welche in diesen Gegenden noch aufblühen
könnten. Wie viele Handelspflanzen, wie viele Arzneien und Färbestoffe giebt
es, deren Erzeugung sich ganz dazu eignet. Läßt sich nicht feineres Oel,
edlerer Wein, besserer Tabak erzielen? Mit Anbau der Baumwolle sind Versuche
gemacht, die sich hoffentlich ausdehnen lassen. In den alten Ländern des Sei¬
tenbauch, in der Lombardei und Südfrankreich, will die Seidenraupe nicht


Grenzboten III. 18K4. 44
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/353>, abgerufen am 28.09.2024.