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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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mußten und Jens Mcinnis auf ein nach Se. Eustache gehendes englisches Fahr¬
zeug kam. Hier blieb der Knabe vier Wochen ganz allein auf dem Schiffe, dessen
übrige Mannschaft abgelohnt worden, dann hielt er es nicht mehr aus und lief
davon. Er l'am wieder zu Landsleuten und mit diesen wieder nach Curacao.
wo er seine Brüder fand, und von wo er mit einer holländischen Flotille nach
Amsterdam zurückfuhr.

In Amsterdam überlegte sich Jens, daß er noch nichts erübrigt habe,
um seine Mutter damit erfreuen zu können, und so beschloß er. statt heimzu¬
gehen wie seine Brüder, auf einem holländischen Schiff nach Marseille zu fahren.
Von da setzte das Schiff die Reise nach Livorno, Civita Vecchia und Ancona
sort, immer die alte Ladung mit neuer vertauschend. Von Ancona ging es nach
Zwara in Asrika und von dort wieder nach Venedig, wo das Fahrzeug sich
hinreichend lange aufhielt, um dem aufgeweckten Knaben von Sylt Gelegenheit
zur Betrachtung der Stadt und zur Aufzeichnung dessen, was er gesehen,
zu lassen.

Von Venedig ging die Rückfahrt über Ancona, Barcelona, Se. Paul,
Alicante und Malagga nach Amsterdam, wo Jens sich mit den Ersparnissen
der zweijährigen Reise neue Kleider anschasste, Kaffee, Thee und Leinwand
für seine Mutter kaufte und dann sich mit einem nach Hamburg gehenden Schiffe
nach der Heimath zurück begab. Außer jenen cunsterdamcr Einkäufen legte er
hier vierzig harte Thaler in die Hände seiner Mutter. Erst sechzehn Jahre alt
und noch nicht confirmirt, hatte er schon viele Meere durchschifft und eine große
Anzahl fremder Städte und Länder gesehen. Aber nur kurze Zeit litt es ihn
daheim. Von Eckernförde trat er seine dritte Reise an, die ihn zunächst nach
Riga, Kopenhagen und Helsingör, dann nach Oporto, Lissabon, Genua,
Palermo und Smyrna führte, und von der er erst nach Verlauf von acht¬
undzwanzig Monaten über Flensl'urg zurückkehrte. Er war jetzt als leichter
Matrose gefahren und hatte die Freude, seiner Mutter außer verschiedenen Ge¬
schenken in Waaren dreiundachtzig Thaler von seinen Ersparnissen einhändigen
zu können. Im folgenden Winter besuchte er die spider Navigationsschule.
Dann machte er, theils von Hamburg, theils von niederländischen Seestädten
aus neue Fahrten, namentlich nach Norwegen und dann nach dem Süden, auch
versuchte er sich auf einem Grönlandsfahrer.

Im Jahre 1770, als er seine Steuermannsprüfung bestanden und nun
von Sylt nach Amsterdam segelte, um einen neuen Dienst zu suchen, rettete er
bei stürmischem Wetter an der holländischen Küste mehren Schiffbrüchigen das
Leben. Im Jahre 1772 war er "Beßtmcmn", d. h. der einzige wirkliche See¬
mann unter der nur aus Landleuten und Handwerksburschen bestehenden Mann¬
schaft eines holländischen Schiffes, und da hatte er mit den ungeschickten
Kameraden und besonders mit dem Capitän, der eigentlich ein Fleischhauer


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mußten und Jens Mcinnis auf ein nach Se. Eustache gehendes englisches Fahr¬
zeug kam. Hier blieb der Knabe vier Wochen ganz allein auf dem Schiffe, dessen
übrige Mannschaft abgelohnt worden, dann hielt er es nicht mehr aus und lief
davon. Er l'am wieder zu Landsleuten und mit diesen wieder nach Curacao.
wo er seine Brüder fand, und von wo er mit einer holländischen Flotille nach
Amsterdam zurückfuhr.

In Amsterdam überlegte sich Jens, daß er noch nichts erübrigt habe,
um seine Mutter damit erfreuen zu können, und so beschloß er. statt heimzu¬
gehen wie seine Brüder, auf einem holländischen Schiff nach Marseille zu fahren.
Von da setzte das Schiff die Reise nach Livorno, Civita Vecchia und Ancona
sort, immer die alte Ladung mit neuer vertauschend. Von Ancona ging es nach
Zwara in Asrika und von dort wieder nach Venedig, wo das Fahrzeug sich
hinreichend lange aufhielt, um dem aufgeweckten Knaben von Sylt Gelegenheit
zur Betrachtung der Stadt und zur Aufzeichnung dessen, was er gesehen,
zu lassen.

Von Venedig ging die Rückfahrt über Ancona, Barcelona, Se. Paul,
Alicante und Malagga nach Amsterdam, wo Jens sich mit den Ersparnissen
der zweijährigen Reise neue Kleider anschasste, Kaffee, Thee und Leinwand
für seine Mutter kaufte und dann sich mit einem nach Hamburg gehenden Schiffe
nach der Heimath zurück begab. Außer jenen cunsterdamcr Einkäufen legte er
hier vierzig harte Thaler in die Hände seiner Mutter. Erst sechzehn Jahre alt
und noch nicht confirmirt, hatte er schon viele Meere durchschifft und eine große
Anzahl fremder Städte und Länder gesehen. Aber nur kurze Zeit litt es ihn
daheim. Von Eckernförde trat er seine dritte Reise an, die ihn zunächst nach
Riga, Kopenhagen und Helsingör, dann nach Oporto, Lissabon, Genua,
Palermo und Smyrna führte, und von der er erst nach Verlauf von acht¬
undzwanzig Monaten über Flensl'urg zurückkehrte. Er war jetzt als leichter
Matrose gefahren und hatte die Freude, seiner Mutter außer verschiedenen Ge¬
schenken in Waaren dreiundachtzig Thaler von seinen Ersparnissen einhändigen
zu können. Im folgenden Winter besuchte er die spider Navigationsschule.
Dann machte er, theils von Hamburg, theils von niederländischen Seestädten
aus neue Fahrten, namentlich nach Norwegen und dann nach dem Süden, auch
versuchte er sich auf einem Grönlandsfahrer.

Im Jahre 1770, als er seine Steuermannsprüfung bestanden und nun
von Sylt nach Amsterdam segelte, um einen neuen Dienst zu suchen, rettete er
bei stürmischem Wetter an der holländischen Küste mehren Schiffbrüchigen das
Leben. Im Jahre 1772 war er „Beßtmcmn", d. h. der einzige wirkliche See¬
mann unter der nur aus Landleuten und Handwerksburschen bestehenden Mann¬
schaft eines holländischen Schiffes, und da hatte er mit den ungeschickten
Kameraden und besonders mit dem Capitän, der eigentlich ein Fleischhauer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/35>, abgerufen am 28.09.2024.