Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.schieden?, namentlich den Piemontesen fast diametral entgegenstehende Volk auf Wer auch nur einige Stunden in Süditalien ist, sagt der Verfasser, der Man merkt bald, daß das gemeine Volk hier Grund- und Hauptmasse ist, schieden?, namentlich den Piemontesen fast diametral entgegenstehende Volk auf Wer auch nur einige Stunden in Süditalien ist, sagt der Verfasser, der Man merkt bald, daß das gemeine Volk hier Grund- und Hauptmasse ist, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189443"/> <p xml:id="ID_1435" prev="#ID_1434"> schieden?, namentlich den Piemontesen fast diametral entgegenstehende Volk auf<lb/> irgendeine Weise mit den Verwandten jenseits der ehemaligen politischen Grenze<lb/> zu amalgamiren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1436"> Wer auch nur einige Stunden in Süditalien ist, sagt der Verfasser, der<lb/> sieht und fühlt der stärksten Gegensatz zwischen unserm und italienischem Volks¬<lb/> leben, zwischen deutschem Anschauen und Auffassen der Dinge und italienischem.<lb/> Still, arbeitsam, gemüthlich ist es jenseits der Alpen, hier dagegen ein<lb/> mächtig breites Volksleben, das unaufhörlich seine Wellen schlägt. Von früh<lb/> bis spät sind die Straßen angefüllt von Gruppen und Handtirungen aller Art.<lb/> Naht die Abendstunde, drängt es jeden, der noch in den Häusern zu thun<lb/> hatte, ins Freie. Hin und her schiebt sich das Gewoge. Da wird eifrig ge¬<lb/> sprochen, Wort und Geberde fliegen aufgeregt hin und her, jede paar Schritte<lb/> steht Einer und ruft aus vollem Halse seine kleine Waare aus. Die Kinder,<lb/> welche im Straßenstaub sich wälzen, zanken und schreien mit einander. Die<lb/> Mutter fährt mit Geschrei dazwischen. Alles schreit, als hätte jeder seinen<lb/> Schreiteufel im Leibe. Das Reden und Schreien scheint den Leutchen wohl zu<lb/> thun. Gackern und Krähen des Hühnervolkes, Gequiek des Borstenviehes,<lb/> das frei umherläuft, gehören ganz natürlich dazwischen. Oeffentlich ist alles<lb/> Gewerk. Da hämmern auf der Straße Schlosser und Klempner, da sitzen Mei¬<lb/> ster Schneider und Schuster mit Gesellen, da schwatzt und kichert ein Tisch voll<lb/> junger Näherinnen. An der einen Ecke sieht man in Kessel und schmorende<lb/> Bratpfannen, an der andern in die Schreibstube des Advokaten, wo die<lb/> Parteien, Hut auf dem Kopf, ihre Sache erörtern. Zahllos glänzen die erhell¬<lb/> ten Kaffeestuben. Wer einen heilen Rock trägt, geht hinein zu plaudern; wer<lb/> keinen hat, unterhält sich draußen bei dem bunt geschmückten Gerüste der Ver¬<lb/> käufer von Eiswasser. Natürlich stehen und gehen Bettler und Mönche überall.<lb/> Es ist unglaublich, wie viel es ihrer giebt: beide sind immer malerisch, die<lb/> Bettler durch Zufall, die Mönche durch Ausdenken der verschiedensten Trachten.<lb/> Edle Gesichtszüge zeigen sich auch unter diesen Mönchen, die Meisten aber sehen<lb/> aus, wie fröhliche lebenslustige Handwerker und Kleinbauern in Mönchskutten;<lb/> sie gehören eben auch zum niedern Volke.</p><lb/> <p xml:id="ID_1437" next="#ID_1438"> Man merkt bald, daß das gemeine Volk hier Grund- und Hauptmasse ist,<lb/> daß es beinahe jede Ader des Volkslebens ausfüllt. Auch der Handwerker<lb/> und Krämer sitzt noch mitten in ihm als Theil und Glied desselben. Die<lb/> Vornehmen und Gebildeten aber erscheinen nur als glückliche Herren und Ge¬<lb/> bieter der Masse, gleichwie ihre hohen Steinhäuser vereinzelt stehen über dem<lb/> Gewirre niedriger Hütten. Auch in ihr häusliches Leben mischt sich das Volk<lb/> und seine Sitte, seine Lust, Arme und Zunge zu rühren, in viel vertrauterer<lb/> Weise, als bei uns. Schwerlich wird es in Süditalien einen Grafen oder<lb/> Herzog geben, der nicht gern die Mundart seiner Dienstleute spräche, und nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
schieden?, namentlich den Piemontesen fast diametral entgegenstehende Volk auf
irgendeine Weise mit den Verwandten jenseits der ehemaligen politischen Grenze
zu amalgamiren.
Wer auch nur einige Stunden in Süditalien ist, sagt der Verfasser, der
sieht und fühlt der stärksten Gegensatz zwischen unserm und italienischem Volks¬
leben, zwischen deutschem Anschauen und Auffassen der Dinge und italienischem.
Still, arbeitsam, gemüthlich ist es jenseits der Alpen, hier dagegen ein
mächtig breites Volksleben, das unaufhörlich seine Wellen schlägt. Von früh
bis spät sind die Straßen angefüllt von Gruppen und Handtirungen aller Art.
Naht die Abendstunde, drängt es jeden, der noch in den Häusern zu thun
hatte, ins Freie. Hin und her schiebt sich das Gewoge. Da wird eifrig ge¬
sprochen, Wort und Geberde fliegen aufgeregt hin und her, jede paar Schritte
steht Einer und ruft aus vollem Halse seine kleine Waare aus. Die Kinder,
welche im Straßenstaub sich wälzen, zanken und schreien mit einander. Die
Mutter fährt mit Geschrei dazwischen. Alles schreit, als hätte jeder seinen
Schreiteufel im Leibe. Das Reden und Schreien scheint den Leutchen wohl zu
thun. Gackern und Krähen des Hühnervolkes, Gequiek des Borstenviehes,
das frei umherläuft, gehören ganz natürlich dazwischen. Oeffentlich ist alles
Gewerk. Da hämmern auf der Straße Schlosser und Klempner, da sitzen Mei¬
ster Schneider und Schuster mit Gesellen, da schwatzt und kichert ein Tisch voll
junger Näherinnen. An der einen Ecke sieht man in Kessel und schmorende
Bratpfannen, an der andern in die Schreibstube des Advokaten, wo die
Parteien, Hut auf dem Kopf, ihre Sache erörtern. Zahllos glänzen die erhell¬
ten Kaffeestuben. Wer einen heilen Rock trägt, geht hinein zu plaudern; wer
keinen hat, unterhält sich draußen bei dem bunt geschmückten Gerüste der Ver¬
käufer von Eiswasser. Natürlich stehen und gehen Bettler und Mönche überall.
Es ist unglaublich, wie viel es ihrer giebt: beide sind immer malerisch, die
Bettler durch Zufall, die Mönche durch Ausdenken der verschiedensten Trachten.
Edle Gesichtszüge zeigen sich auch unter diesen Mönchen, die Meisten aber sehen
aus, wie fröhliche lebenslustige Handwerker und Kleinbauern in Mönchskutten;
sie gehören eben auch zum niedern Volke.
Man merkt bald, daß das gemeine Volk hier Grund- und Hauptmasse ist,
daß es beinahe jede Ader des Volkslebens ausfüllt. Auch der Handwerker
und Krämer sitzt noch mitten in ihm als Theil und Glied desselben. Die
Vornehmen und Gebildeten aber erscheinen nur als glückliche Herren und Ge¬
bieter der Masse, gleichwie ihre hohen Steinhäuser vereinzelt stehen über dem
Gewirre niedriger Hütten. Auch in ihr häusliches Leben mischt sich das Volk
und seine Sitte, seine Lust, Arme und Zunge zu rühren, in viel vertrauterer
Weise, als bei uns. Schwerlich wird es in Süditalien einen Grafen oder
Herzog geben, der nicht gern die Mundart seiner Dienstleute spräche, und nicht
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |