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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Das Marineinfantericregiment, welches auf vollem Kriegsfuße kaum zwei¬
tausend Mann stark ist, aber fünf Stabsoffiziere zählt und, wie bemerkt, unter
der speciellen Oberleitung eines Generals steht, soll das militärische Element
in der Marine vertreten. Man hat einige Zeit lang versucht, dieser Truppe eine
besondere und genau für ihren Dienst berechnete Ausbildung zu ertheilen, ist
jedoch davon abgekommen, un°d jetzt exercirt sie wie jede andere Infanterie.
Doch scheinen sich die Offiziere noch immer für etwas Besonderes zu halten.

Das Matrosencvrps, früher fast nur aus Venetianern, Kroaten und Dal¬
matinern, jetzt auch aus Deutschen zusammengesetzt, besteht aus den zur Be¬
mannung der Schiffe bestimmten Seeleuten und eigenen Offizieren (worunter
sogar ein Oberst und mehre Majore), welche letzteren jedoch nicht zu den
Seeoffizircn gehören, sondern nur 'zur Überwachung der Disciplin bei den
nicht an Bord befindlichen Matrosen berufen sind, also nur dann in Thätigkeit
treten, wenn Schiffe desarmirt werden, in welchem Falle die Herren sich ungestör-
temMüßiggange hingeben können. Werden die Schiffe wieder bemannt, so tritt
für die Matrosenoffiziere die Zeit der Ruhe und Erholung von den Anstrengun¬
gen eines ein- oder zweimaligen flüchtigen täglichen Besuches der Kaserne ein.
Werden aber, wie dies gewöhnlich geschieht, die Seeleute in den Arsenälen oder
auf den Werften beschäftigt, so hört die Thätigkeit der Matrvsenoffiziere eben¬
falls aus und die Matrosen stehen unter dem Befehl der Arsenal- oder Hafenofsi-
ziere. Letztere sind in der Regel ältere oder zum Seedienste nicht ganz geeig¬
nete Marineoffiziere. Es giebt bereits eine Menge solcher Friedenspvsten,
deren Obliegenheiten sich mitunter auf ein kaum nennenswerthes Minimum re-
duciren. Oft kommt es noch vor, daß in Orten, wo bereits ein Offizier der
Landarmee als Platzcommandant sich befindet, auch noch ein Seeoffizier als
Marincplatzcommandant aufgestellt wird.

Die Marineartillerie oder, wie sie gegenwärtig genannt wird, das Marine¬
zeugcorps, ist mehr eine Ouvriertruvpc, als zum activen Dienste bestimmt.
Insbesondere gilt dies von den Offizieren derselben. Ehedem befand sich auf
jeder Fregatte oder auf einem größeren Dampfer ein Artillerieoffizier und ein Mu-
nitionär. während jetzt die Geschütze von den Schiffsofsizieren befehligt werden
und der allenfalls ans dem Schiffe befindliche Munitionär nur den Dienst in
der Pulverkammer zu besorgen hat.

Das Gefecht bei Helgoland hat gezeigt, daß die östreichische Schiffsartillerie,
sowohl was ihre Taktik als was ihre technische Ausbildung betrifft, keineswegs
den Anforderungen der Gegenwart gewachsen ist. Von den ohnehin nur spär¬
lich vorhandenen gezogenen Kanonen wurde kein entsprechender Gebrauch ge¬
macht, sondern man fuhr rasch aus die Tragweite der gewöhnlichen glatten Kanonen
heran und begab sich damit freiwillig des Vortheils weiter und doch sichertreffen-
-er Schüsse. Auch feuerte man mit Vollkugeln und Traubenkartätschen (ein


Das Marineinfantericregiment, welches auf vollem Kriegsfuße kaum zwei¬
tausend Mann stark ist, aber fünf Stabsoffiziere zählt und, wie bemerkt, unter
der speciellen Oberleitung eines Generals steht, soll das militärische Element
in der Marine vertreten. Man hat einige Zeit lang versucht, dieser Truppe eine
besondere und genau für ihren Dienst berechnete Ausbildung zu ertheilen, ist
jedoch davon abgekommen, un°d jetzt exercirt sie wie jede andere Infanterie.
Doch scheinen sich die Offiziere noch immer für etwas Besonderes zu halten.

Das Matrosencvrps, früher fast nur aus Venetianern, Kroaten und Dal¬
matinern, jetzt auch aus Deutschen zusammengesetzt, besteht aus den zur Be¬
mannung der Schiffe bestimmten Seeleuten und eigenen Offizieren (worunter
sogar ein Oberst und mehre Majore), welche letzteren jedoch nicht zu den
Seeoffizircn gehören, sondern nur 'zur Überwachung der Disciplin bei den
nicht an Bord befindlichen Matrosen berufen sind, also nur dann in Thätigkeit
treten, wenn Schiffe desarmirt werden, in welchem Falle die Herren sich ungestör-
temMüßiggange hingeben können. Werden die Schiffe wieder bemannt, so tritt
für die Matrosenoffiziere die Zeit der Ruhe und Erholung von den Anstrengun¬
gen eines ein- oder zweimaligen flüchtigen täglichen Besuches der Kaserne ein.
Werden aber, wie dies gewöhnlich geschieht, die Seeleute in den Arsenälen oder
auf den Werften beschäftigt, so hört die Thätigkeit der Matrvsenoffiziere eben¬
falls aus und die Matrosen stehen unter dem Befehl der Arsenal- oder Hafenofsi-
ziere. Letztere sind in der Regel ältere oder zum Seedienste nicht ganz geeig¬
nete Marineoffiziere. Es giebt bereits eine Menge solcher Friedenspvsten,
deren Obliegenheiten sich mitunter auf ein kaum nennenswerthes Minimum re-
duciren. Oft kommt es noch vor, daß in Orten, wo bereits ein Offizier der
Landarmee als Platzcommandant sich befindet, auch noch ein Seeoffizier als
Marincplatzcommandant aufgestellt wird.

Die Marineartillerie oder, wie sie gegenwärtig genannt wird, das Marine¬
zeugcorps, ist mehr eine Ouvriertruvpc, als zum activen Dienste bestimmt.
Insbesondere gilt dies von den Offizieren derselben. Ehedem befand sich auf
jeder Fregatte oder auf einem größeren Dampfer ein Artillerieoffizier und ein Mu-
nitionär. während jetzt die Geschütze von den Schiffsofsizieren befehligt werden
und der allenfalls ans dem Schiffe befindliche Munitionär nur den Dienst in
der Pulverkammer zu besorgen hat.

Das Gefecht bei Helgoland hat gezeigt, daß die östreichische Schiffsartillerie,
sowohl was ihre Taktik als was ihre technische Ausbildung betrifft, keineswegs
den Anforderungen der Gegenwart gewachsen ist. Von den ohnehin nur spär¬
lich vorhandenen gezogenen Kanonen wurde kein entsprechender Gebrauch ge¬
macht, sondern man fuhr rasch aus die Tragweite der gewöhnlichen glatten Kanonen
heran und begab sich damit freiwillig des Vortheils weiter und doch sichertreffen-
-er Schüsse. Auch feuerte man mit Vollkugeln und Traubenkartätschen (ein


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[0346] Das Marineinfantericregiment, welches auf vollem Kriegsfuße kaum zwei¬ tausend Mann stark ist, aber fünf Stabsoffiziere zählt und, wie bemerkt, unter der speciellen Oberleitung eines Generals steht, soll das militärische Element in der Marine vertreten. Man hat einige Zeit lang versucht, dieser Truppe eine besondere und genau für ihren Dienst berechnete Ausbildung zu ertheilen, ist jedoch davon abgekommen, un°d jetzt exercirt sie wie jede andere Infanterie. Doch scheinen sich die Offiziere noch immer für etwas Besonderes zu halten. Das Matrosencvrps, früher fast nur aus Venetianern, Kroaten und Dal¬ matinern, jetzt auch aus Deutschen zusammengesetzt, besteht aus den zur Be¬ mannung der Schiffe bestimmten Seeleuten und eigenen Offizieren (worunter sogar ein Oberst und mehre Majore), welche letzteren jedoch nicht zu den Seeoffizircn gehören, sondern nur 'zur Überwachung der Disciplin bei den nicht an Bord befindlichen Matrosen berufen sind, also nur dann in Thätigkeit treten, wenn Schiffe desarmirt werden, in welchem Falle die Herren sich ungestör- temMüßiggange hingeben können. Werden die Schiffe wieder bemannt, so tritt für die Matrosenoffiziere die Zeit der Ruhe und Erholung von den Anstrengun¬ gen eines ein- oder zweimaligen flüchtigen täglichen Besuches der Kaserne ein. Werden aber, wie dies gewöhnlich geschieht, die Seeleute in den Arsenälen oder auf den Werften beschäftigt, so hört die Thätigkeit der Matrvsenoffiziere eben¬ falls aus und die Matrosen stehen unter dem Befehl der Arsenal- oder Hafenofsi- ziere. Letztere sind in der Regel ältere oder zum Seedienste nicht ganz geeig¬ nete Marineoffiziere. Es giebt bereits eine Menge solcher Friedenspvsten, deren Obliegenheiten sich mitunter auf ein kaum nennenswerthes Minimum re- duciren. Oft kommt es noch vor, daß in Orten, wo bereits ein Offizier der Landarmee als Platzcommandant sich befindet, auch noch ein Seeoffizier als Marincplatzcommandant aufgestellt wird. Die Marineartillerie oder, wie sie gegenwärtig genannt wird, das Marine¬ zeugcorps, ist mehr eine Ouvriertruvpc, als zum activen Dienste bestimmt. Insbesondere gilt dies von den Offizieren derselben. Ehedem befand sich auf jeder Fregatte oder auf einem größeren Dampfer ein Artillerieoffizier und ein Mu- nitionär. während jetzt die Geschütze von den Schiffsofsizieren befehligt werden und der allenfalls ans dem Schiffe befindliche Munitionär nur den Dienst in der Pulverkammer zu besorgen hat. Das Gefecht bei Helgoland hat gezeigt, daß die östreichische Schiffsartillerie, sowohl was ihre Taktik als was ihre technische Ausbildung betrifft, keineswegs den Anforderungen der Gegenwart gewachsen ist. Von den ohnehin nur spär¬ lich vorhandenen gezogenen Kanonen wurde kein entsprechender Gebrauch ge¬ macht, sondern man fuhr rasch aus die Tragweite der gewöhnlichen glatten Kanonen heran und begab sich damit freiwillig des Vortheils weiter und doch sichertreffen- -er Schüsse. Auch feuerte man mit Vollkugeln und Traubenkartätschen (ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/346>, abgerufen am 28.09.2024.