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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Seemacht größer als jene der activen Offiziere, während bei der Landarmee
die Zahl der Pensionäre, unter denn sich noch viele Veteranen aus den napo-
leonischen Kriegen, dann die in den letzten Feldzügen dienstunfähig gewordenen
Offiziere befinden, doch nur etwa zwei Drittel der activen Offiziere beträgt.

Ueber die theoretische und praktische Ausbildung und Verwendbarkeit der
östreichischen Marineoffiziere sind die Ansichten getheilt. Die ehemalige Marine¬
akademie bildete Theoretiker aus, welche, sobald sie als Kadetten auf ein
Schiff kamen, so gut wie gar nicht zu brauchen waren und oft zum Gespött
der Matrosen wurden. Indessen gab es auch viele Zöglinge, welche ganz gut
die Curse der Akademie durchliefen, ohne sich den Kopf sonderlich anzustrengen,
indem die Flotte längere Zeit als das dem Emporkommen hochadeliger, aber
unbemittelter Bürschchen günstigste Gebiet galt.

Seit den letzten Jahren wird allerdings bei dem Unterrichte mit der Theorie
auch etwas Praxis verbunden, so daß die Kadetten oder Eleven nicht als ganz
ungeschickte Landratten an Bord kommen. Aber die sür den höheren Befehls¬
haber erforderliche seemännische Erfahrung ist nur bei einzelnen Offizieren zu
finden. Und wie könnte es viel anders sein, wo die östreichischen Seeoffiziere
nur selten und dann meist nur aus kurze Zeit eingeschifft werden. Mancher
Lieutenant ist noch nicht über das adriatische. mancher Capitän nicht über das
mittelländische Meer hinausgekommen, und es giebt Seeoffiziere, welche während
einer zehnjährigen Dienstzeit nur zweimal -- und zwar nur auf einem Wacht-
schiffe eingeschifft waren und die übrige Zeit entweder ganz unthätig oder in
irgend einer Kanzlei zugebracht haben. Die Fahrt nach der Nordsee und das
Gefecht bei Helgoland haben hinreichend bewiesen, daß es den östreichischen
Marineoffizieren zwar nicht an dem gewöhnlichen Soldatenmuthe, wohl aber
an Gewandtheit und Umsicht mangelt. Namentlich manoeuvrirte Tegetthof
so, wie etwa ein englischer Schiffscapitän aus der Zeit Nelsons.

Indessen ist auch die theoretische Ausbildung oft keine gründliche, und wenn
sich einzelne, Offiziere in einem oder dem andern Fache besonders ausbildeten,
so war es eben nur ihr Privatfleiß. Dieser Fall kommt übrigens selten genug
vor, was am besten daraus erhellt, daß auf dem Gebiete der Wissenschaften
von dem östreichischen Secoffiziercorps außer der Erdumseglung der Novara und
der Beschreibung dieser Expedition (und auch da waren es zumeist nicht der
Marine angehörende Männer, welche das Verdienstlichste leisteten) fast nichts
gethan worden ist, und daß trotz der seit mehren Jahren gegründeten hydro¬
graphischen Anstalt, der höheren Ofsizierbildungsanstalt, die neueste Karte des
adriatischen Meeres vom Jahre 1821 datirt. --

Die Besoldung der Marineoffiziere ist nominell jener der gleichgestellten
Grade der Landarmee gleich, doch gilt diese Gleichheit nur in dem Falle, wo
der Offizier weder eingeschifft, noch in einem Arsenal oder in einem anderen


Seemacht größer als jene der activen Offiziere, während bei der Landarmee
die Zahl der Pensionäre, unter denn sich noch viele Veteranen aus den napo-
leonischen Kriegen, dann die in den letzten Feldzügen dienstunfähig gewordenen
Offiziere befinden, doch nur etwa zwei Drittel der activen Offiziere beträgt.

Ueber die theoretische und praktische Ausbildung und Verwendbarkeit der
östreichischen Marineoffiziere sind die Ansichten getheilt. Die ehemalige Marine¬
akademie bildete Theoretiker aus, welche, sobald sie als Kadetten auf ein
Schiff kamen, so gut wie gar nicht zu brauchen waren und oft zum Gespött
der Matrosen wurden. Indessen gab es auch viele Zöglinge, welche ganz gut
die Curse der Akademie durchliefen, ohne sich den Kopf sonderlich anzustrengen,
indem die Flotte längere Zeit als das dem Emporkommen hochadeliger, aber
unbemittelter Bürschchen günstigste Gebiet galt.

Seit den letzten Jahren wird allerdings bei dem Unterrichte mit der Theorie
auch etwas Praxis verbunden, so daß die Kadetten oder Eleven nicht als ganz
ungeschickte Landratten an Bord kommen. Aber die sür den höheren Befehls¬
haber erforderliche seemännische Erfahrung ist nur bei einzelnen Offizieren zu
finden. Und wie könnte es viel anders sein, wo die östreichischen Seeoffiziere
nur selten und dann meist nur aus kurze Zeit eingeschifft werden. Mancher
Lieutenant ist noch nicht über das adriatische. mancher Capitän nicht über das
mittelländische Meer hinausgekommen, und es giebt Seeoffiziere, welche während
einer zehnjährigen Dienstzeit nur zweimal — und zwar nur auf einem Wacht-
schiffe eingeschifft waren und die übrige Zeit entweder ganz unthätig oder in
irgend einer Kanzlei zugebracht haben. Die Fahrt nach der Nordsee und das
Gefecht bei Helgoland haben hinreichend bewiesen, daß es den östreichischen
Marineoffizieren zwar nicht an dem gewöhnlichen Soldatenmuthe, wohl aber
an Gewandtheit und Umsicht mangelt. Namentlich manoeuvrirte Tegetthof
so, wie etwa ein englischer Schiffscapitän aus der Zeit Nelsons.

Indessen ist auch die theoretische Ausbildung oft keine gründliche, und wenn
sich einzelne, Offiziere in einem oder dem andern Fache besonders ausbildeten,
so war es eben nur ihr Privatfleiß. Dieser Fall kommt übrigens selten genug
vor, was am besten daraus erhellt, daß auf dem Gebiete der Wissenschaften
von dem östreichischen Secoffiziercorps außer der Erdumseglung der Novara und
der Beschreibung dieser Expedition (und auch da waren es zumeist nicht der
Marine angehörende Männer, welche das Verdienstlichste leisteten) fast nichts
gethan worden ist, und daß trotz der seit mehren Jahren gegründeten hydro¬
graphischen Anstalt, der höheren Ofsizierbildungsanstalt, die neueste Karte des
adriatischen Meeres vom Jahre 1821 datirt. —

Die Besoldung der Marineoffiziere ist nominell jener der gleichgestellten
Grade der Landarmee gleich, doch gilt diese Gleichheit nur in dem Falle, wo
der Offizier weder eingeschifft, noch in einem Arsenal oder in einem anderen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/344>, abgerufen am 28.09.2024.