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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Kein Soldat kann sich seine Stellung in der Schlacht selbst wählen; er
steht da, wo er eben hingestellt wird, und ist ein passiver Muth, besonders
bei jungen Truppen. während das Stillstehens im heftigen Kanonenfeuer, aller¬
mindestens ebenso anzuerkennen, als ein activer im Nahekampf mit dem Feinde.

Die Landwehr hat daher bei Großbeeren ihre Schuldigkeit gethan und den
Boden des Schlachtfeldes mit ihrem Blute getränkt.

Fragen wir uns schließlich, woraus die Meinung namentlich der ber¬
liner Bevölkerung, daß die kurmärkischc, besonders die berliner Landwehr,
die Schlacht bei Großbeeren geschlagen und gewonnen habe, entsprungen sein
kann, so finde ich den Grund davon in folgender Thatsache.

Die kurmärkischc Landwehr bildete zum größern Theile den Bestand des
tauenzienschen (vierten) Armeecorps*).

Dieses Corps hatte am 22. August bereits Gefechte mit dem Feinde be¬
standen, focht dann am 23. August bei dem Dorfe Blankenfelde oder
Blankensce, welche Ortschaften beide über eine deutsche Meile von Großbeeren
entfernt liegen, und das kleine Treffen, welches hier stattfand, halten die Berliner,
die ich bei meiner Widerlegung im Auge habe, mit der Schlacht bei Großbeeren
für identisch. Wäre dies der Entfernung der Orte von Großbeeren gegenüber
erlaubt, so hätte ich mich zu bescheiden. Denn hier, bei Blankenfelde oder
Blankensee hat die kurmärkischc Landwehr, mit Inbegriff der derselben bei-
gegebenen Batterien (welche letztern aus den mangelhaftesten Bestandtheilen
organisirt waren) dem Feinde zum ersten Mal gegenübergestanden, und hier
hat sie allerdings einen kräftigen Stoß Bertrands nicht allein ausgehalten,
sondern auch siegreich zurückgewiesen und dadurch zum Siege des drciundzwanzig-
sten August des Jahres dreizehn allerdings nicht unwesentlich beigetragen.
Unmittelbar bei Großbeeren hat die kurmärkischc Landwehr aber nicht gekämpft.
Dies ist meine unumstößliche Behauptung. Darauf mögen sich die Berliner
verlassen. Wahr bleibt^wahr. und was wahr ist, lobt Gott.

Indeß, was mühe ich mich ab, zu zeigen, daß die Landwehr unsre Schlacht
nicht gewonnen hat, da bewiesen ist, daß sie überhaupt nicht von preußischen
Soldaten geschlagen und gewonnen wurde. ' Wie ich soeben aus Ur. 201. der
Magdeburgischen Zeitung ersehe**), ist nunmehr aller Zweifel und Streit:
wem der Sieg bei Großbeeren beizumessen, auf einmal gehoben.

Nicht der zögernde, vorsichtige, selbstüchtige Karl Johann von Schweden,
nicht der Held v. Bülow. auch nicht dessen Truppen, und zwar weder Linie
noch Landwehr, haben diesen Sieg errungen, sondern der Pastor Jcinicke, wei¬
land ein sehr renommirter Gottesgelehrter zu Berlin, hat dies besorgt.




") Seine Cavcillerie bestand nur aus Landwehr, unter seinen siebzehn Bataillonen In-
fanterie befanden sich vierzehn Landwehrbataillone.
Der Verfasser sckreibt im August vorigen Jahres.
"-"N'nzl'^en III. t!'-lU, - 40

Kein Soldat kann sich seine Stellung in der Schlacht selbst wählen; er
steht da, wo er eben hingestellt wird, und ist ein passiver Muth, besonders
bei jungen Truppen. während das Stillstehens im heftigen Kanonenfeuer, aller¬
mindestens ebenso anzuerkennen, als ein activer im Nahekampf mit dem Feinde.

Die Landwehr hat daher bei Großbeeren ihre Schuldigkeit gethan und den
Boden des Schlachtfeldes mit ihrem Blute getränkt.

Fragen wir uns schließlich, woraus die Meinung namentlich der ber¬
liner Bevölkerung, daß die kurmärkischc, besonders die berliner Landwehr,
die Schlacht bei Großbeeren geschlagen und gewonnen habe, entsprungen sein
kann, so finde ich den Grund davon in folgender Thatsache.

Die kurmärkischc Landwehr bildete zum größern Theile den Bestand des
tauenzienschen (vierten) Armeecorps*).

Dieses Corps hatte am 22. August bereits Gefechte mit dem Feinde be¬
standen, focht dann am 23. August bei dem Dorfe Blankenfelde oder
Blankensce, welche Ortschaften beide über eine deutsche Meile von Großbeeren
entfernt liegen, und das kleine Treffen, welches hier stattfand, halten die Berliner,
die ich bei meiner Widerlegung im Auge habe, mit der Schlacht bei Großbeeren
für identisch. Wäre dies der Entfernung der Orte von Großbeeren gegenüber
erlaubt, so hätte ich mich zu bescheiden. Denn hier, bei Blankenfelde oder
Blankensee hat die kurmärkischc Landwehr, mit Inbegriff der derselben bei-
gegebenen Batterien (welche letztern aus den mangelhaftesten Bestandtheilen
organisirt waren) dem Feinde zum ersten Mal gegenübergestanden, und hier
hat sie allerdings einen kräftigen Stoß Bertrands nicht allein ausgehalten,
sondern auch siegreich zurückgewiesen und dadurch zum Siege des drciundzwanzig-
sten August des Jahres dreizehn allerdings nicht unwesentlich beigetragen.
Unmittelbar bei Großbeeren hat die kurmärkischc Landwehr aber nicht gekämpft.
Dies ist meine unumstößliche Behauptung. Darauf mögen sich die Berliner
verlassen. Wahr bleibt^wahr. und was wahr ist, lobt Gott.

Indeß, was mühe ich mich ab, zu zeigen, daß die Landwehr unsre Schlacht
nicht gewonnen hat, da bewiesen ist, daß sie überhaupt nicht von preußischen
Soldaten geschlagen und gewonnen wurde. ' Wie ich soeben aus Ur. 201. der
Magdeburgischen Zeitung ersehe**), ist nunmehr aller Zweifel und Streit:
wem der Sieg bei Großbeeren beizumessen, auf einmal gehoben.

Nicht der zögernde, vorsichtige, selbstüchtige Karl Johann von Schweden,
nicht der Held v. Bülow. auch nicht dessen Truppen, und zwar weder Linie
noch Landwehr, haben diesen Sieg errungen, sondern der Pastor Jcinicke, wei¬
land ein sehr renommirter Gottesgelehrter zu Berlin, hat dies besorgt.




") Seine Cavcillerie bestand nur aus Landwehr, unter seinen siebzehn Bataillonen In-
fanterie befanden sich vierzehn Landwehrbataillone.
Der Verfasser sckreibt im August vorigen Jahres.
«-«N'nzl'^en III. t!'-lU, - 40
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[0321] Kein Soldat kann sich seine Stellung in der Schlacht selbst wählen; er steht da, wo er eben hingestellt wird, und ist ein passiver Muth, besonders bei jungen Truppen. während das Stillstehens im heftigen Kanonenfeuer, aller¬ mindestens ebenso anzuerkennen, als ein activer im Nahekampf mit dem Feinde. Die Landwehr hat daher bei Großbeeren ihre Schuldigkeit gethan und den Boden des Schlachtfeldes mit ihrem Blute getränkt. Fragen wir uns schließlich, woraus die Meinung namentlich der ber¬ liner Bevölkerung, daß die kurmärkischc, besonders die berliner Landwehr, die Schlacht bei Großbeeren geschlagen und gewonnen habe, entsprungen sein kann, so finde ich den Grund davon in folgender Thatsache. Die kurmärkischc Landwehr bildete zum größern Theile den Bestand des tauenzienschen (vierten) Armeecorps*). Dieses Corps hatte am 22. August bereits Gefechte mit dem Feinde be¬ standen, focht dann am 23. August bei dem Dorfe Blankenfelde oder Blankensce, welche Ortschaften beide über eine deutsche Meile von Großbeeren entfernt liegen, und das kleine Treffen, welches hier stattfand, halten die Berliner, die ich bei meiner Widerlegung im Auge habe, mit der Schlacht bei Großbeeren für identisch. Wäre dies der Entfernung der Orte von Großbeeren gegenüber erlaubt, so hätte ich mich zu bescheiden. Denn hier, bei Blankenfelde oder Blankensee hat die kurmärkischc Landwehr, mit Inbegriff der derselben bei- gegebenen Batterien (welche letztern aus den mangelhaftesten Bestandtheilen organisirt waren) dem Feinde zum ersten Mal gegenübergestanden, und hier hat sie allerdings einen kräftigen Stoß Bertrands nicht allein ausgehalten, sondern auch siegreich zurückgewiesen und dadurch zum Siege des drciundzwanzig- sten August des Jahres dreizehn allerdings nicht unwesentlich beigetragen. Unmittelbar bei Großbeeren hat die kurmärkischc Landwehr aber nicht gekämpft. Dies ist meine unumstößliche Behauptung. Darauf mögen sich die Berliner verlassen. Wahr bleibt^wahr. und was wahr ist, lobt Gott. Indeß, was mühe ich mich ab, zu zeigen, daß die Landwehr unsre Schlacht nicht gewonnen hat, da bewiesen ist, daß sie überhaupt nicht von preußischen Soldaten geschlagen und gewonnen wurde. ' Wie ich soeben aus Ur. 201. der Magdeburgischen Zeitung ersehe**), ist nunmehr aller Zweifel und Streit: wem der Sieg bei Großbeeren beizumessen, auf einmal gehoben. Nicht der zögernde, vorsichtige, selbstüchtige Karl Johann von Schweden, nicht der Held v. Bülow. auch nicht dessen Truppen, und zwar weder Linie noch Landwehr, haben diesen Sieg errungen, sondern der Pastor Jcinicke, wei¬ land ein sehr renommirter Gottesgelehrter zu Berlin, hat dies besorgt. ") Seine Cavcillerie bestand nur aus Landwehr, unter seinen siebzehn Bataillonen In- fanterie befanden sich vierzehn Landwehrbataillone. Der Verfasser sckreibt im August vorigen Jahres. «-«N'nzl'^en III. t!'-lU, - 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/321>, abgerufen am 20.10.2024.