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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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starke Janitscharenmusik, wie dergleichen heutzutage bei den Jnfanterieregimentem
üblich ist; denn allein die zwölf alten Jnfantcrieregimenter der Armee hatten
damals Haulboisten (und auch diese nicht mehr als zehn Mann xex Regiment),
welche mir ilncn Holzinsttumentcn die Kriegsmusik anstimmten. Den eigent¬
lichen Kriegsspcctatcl nuißtcn die Tambours machen.

Nachdem die Bataillone des ersten Treffens ein paar hundert Schritt über
die Ainllcnelinie hinaus avancirt waren, fuhren die Brigadebatterien dieser Jn-
fanlenellnie nach, wogegen das zweite Treffen, die Landwehrtruppen, den Bat¬
terien in einem Abstand von ungefähr hundert Schritten nachrückten.

In der Nähe des Dorfes Großbeeren kam jenes erste Treffen zum Hand¬
gemenge mit dem Feinde, der hier hauptsächlich aus königlich sächsischer Infan¬
terie bestand.

Ich sage "zum Handgemenge"; denn von einem Feuergefecht der Infan¬
terie konnte an diesem Regentage so gut wie gar nicht die Rede sein; die La¬
dungen der damals gebräuchlichen Stcinschloßmuskcten waren durchgehende so
durchnäßt, daß der Schuß versagte. So wurde, so viel ich mich erinnere, in
dieser Schlacht von der Infanterie nur mit Bajonnet und Kolben gekämpft.

Ich wüßte nicht, auch nur einen Gewehrschuß gehört zu haben.

Das ziemlich nahe vor der Batterie, bei welcher ich damals stand, statt¬
findende Handgemenge, an welchem unsrerseits das Infanterieregiment Colberg
und das neunte Reservcregiment (gegenwärtig No. 21), beide aus Pommern be¬
stehend, theilnahmen, war äußerst heftig und erbittert. Das Ende davon aber
war, daß das sächsische Fußvolk mit Bajonnet und Kolben über den Haufen
geworfen, und was mit dem Leben davon kam, total auseinandergesprengt
wurde.

Wie sehr das Letztere der Fall gewesen, darüber kann ich nach deutlicher
Erinnerung berichten. Eine ganze Anzahl sächsischer Jnfanteristen, darunter
auch Offiziere -- wenn ich nicht sehr irre, waren sie vom Regiment Niese-
meuschel, und dieselben trugen weiße Monturen mit ponceaurothen Kragen und
Aufschlägen -- kamen bereits entwaffnet, aber dennoch von den wuthentbrann-
ten Pommern verfolgt, zwischen die Geschütze meiner Batterie gelaufen, um
hier bei den Artilleristen Pardon und Schutz zu erbitten, welcher ihnen denn
auch unter Beschwichtigung der nachsetzenden Pommern gewährt wurde. --
Hieraus möge man auf das ungeheure Gewirr und Gemenge der mit einander
Kämpfenden schließen.

Die geschilderten Vorgänge dauerten bis zur einbrechenden Finsterniß, welche
bei dem noch fortwährend schwarz bewölkten Himmel früher als sonst in dieser
Jahreszeit und jedenfalls noch vor 8 Uhr des Abends eingetreten sein muß.
In dem Durcheinander des kämpfenden Fußvolkes und bei der sich einstellenden
Dunkelheit war nicht völlig genau mehr zu beobachten. In Einem aber kann


starke Janitscharenmusik, wie dergleichen heutzutage bei den Jnfanterieregimentem
üblich ist; denn allein die zwölf alten Jnfantcrieregimenter der Armee hatten
damals Haulboisten (und auch diese nicht mehr als zehn Mann xex Regiment),
welche mir ilncn Holzinsttumentcn die Kriegsmusik anstimmten. Den eigent¬
lichen Kriegsspcctatcl nuißtcn die Tambours machen.

Nachdem die Bataillone des ersten Treffens ein paar hundert Schritt über
die Ainllcnelinie hinaus avancirt waren, fuhren die Brigadebatterien dieser Jn-
fanlenellnie nach, wogegen das zweite Treffen, die Landwehrtruppen, den Bat¬
terien in einem Abstand von ungefähr hundert Schritten nachrückten.

In der Nähe des Dorfes Großbeeren kam jenes erste Treffen zum Hand¬
gemenge mit dem Feinde, der hier hauptsächlich aus königlich sächsischer Infan¬
terie bestand.

Ich sage „zum Handgemenge"; denn von einem Feuergefecht der Infan¬
terie konnte an diesem Regentage so gut wie gar nicht die Rede sein; die La¬
dungen der damals gebräuchlichen Stcinschloßmuskcten waren durchgehende so
durchnäßt, daß der Schuß versagte. So wurde, so viel ich mich erinnere, in
dieser Schlacht von der Infanterie nur mit Bajonnet und Kolben gekämpft.

Ich wüßte nicht, auch nur einen Gewehrschuß gehört zu haben.

Das ziemlich nahe vor der Batterie, bei welcher ich damals stand, statt¬
findende Handgemenge, an welchem unsrerseits das Infanterieregiment Colberg
und das neunte Reservcregiment (gegenwärtig No. 21), beide aus Pommern be¬
stehend, theilnahmen, war äußerst heftig und erbittert. Das Ende davon aber
war, daß das sächsische Fußvolk mit Bajonnet und Kolben über den Haufen
geworfen, und was mit dem Leben davon kam, total auseinandergesprengt
wurde.

Wie sehr das Letztere der Fall gewesen, darüber kann ich nach deutlicher
Erinnerung berichten. Eine ganze Anzahl sächsischer Jnfanteristen, darunter
auch Offiziere — wenn ich nicht sehr irre, waren sie vom Regiment Niese-
meuschel, und dieselben trugen weiße Monturen mit ponceaurothen Kragen und
Aufschlägen — kamen bereits entwaffnet, aber dennoch von den wuthentbrann-
ten Pommern verfolgt, zwischen die Geschütze meiner Batterie gelaufen, um
hier bei den Artilleristen Pardon und Schutz zu erbitten, welcher ihnen denn
auch unter Beschwichtigung der nachsetzenden Pommern gewährt wurde. —
Hieraus möge man auf das ungeheure Gewirr und Gemenge der mit einander
Kämpfenden schließen.

Die geschilderten Vorgänge dauerten bis zur einbrechenden Finsterniß, welche
bei dem noch fortwährend schwarz bewölkten Himmel früher als sonst in dieser
Jahreszeit und jedenfalls noch vor 8 Uhr des Abends eingetreten sein muß.
In dem Durcheinander des kämpfenden Fußvolkes und bei der sich einstellenden
Dunkelheit war nicht völlig genau mehr zu beobachten. In Einem aber kann


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[0318] starke Janitscharenmusik, wie dergleichen heutzutage bei den Jnfanterieregimentem üblich ist; denn allein die zwölf alten Jnfantcrieregimenter der Armee hatten damals Haulboisten (und auch diese nicht mehr als zehn Mann xex Regiment), welche mir ilncn Holzinsttumentcn die Kriegsmusik anstimmten. Den eigent¬ lichen Kriegsspcctatcl nuißtcn die Tambours machen. Nachdem die Bataillone des ersten Treffens ein paar hundert Schritt über die Ainllcnelinie hinaus avancirt waren, fuhren die Brigadebatterien dieser Jn- fanlenellnie nach, wogegen das zweite Treffen, die Landwehrtruppen, den Bat¬ terien in einem Abstand von ungefähr hundert Schritten nachrückten. In der Nähe des Dorfes Großbeeren kam jenes erste Treffen zum Hand¬ gemenge mit dem Feinde, der hier hauptsächlich aus königlich sächsischer Infan¬ terie bestand. Ich sage „zum Handgemenge"; denn von einem Feuergefecht der Infan¬ terie konnte an diesem Regentage so gut wie gar nicht die Rede sein; die La¬ dungen der damals gebräuchlichen Stcinschloßmuskcten waren durchgehende so durchnäßt, daß der Schuß versagte. So wurde, so viel ich mich erinnere, in dieser Schlacht von der Infanterie nur mit Bajonnet und Kolben gekämpft. Ich wüßte nicht, auch nur einen Gewehrschuß gehört zu haben. Das ziemlich nahe vor der Batterie, bei welcher ich damals stand, statt¬ findende Handgemenge, an welchem unsrerseits das Infanterieregiment Colberg und das neunte Reservcregiment (gegenwärtig No. 21), beide aus Pommern be¬ stehend, theilnahmen, war äußerst heftig und erbittert. Das Ende davon aber war, daß das sächsische Fußvolk mit Bajonnet und Kolben über den Haufen geworfen, und was mit dem Leben davon kam, total auseinandergesprengt wurde. Wie sehr das Letztere der Fall gewesen, darüber kann ich nach deutlicher Erinnerung berichten. Eine ganze Anzahl sächsischer Jnfanteristen, darunter auch Offiziere — wenn ich nicht sehr irre, waren sie vom Regiment Niese- meuschel, und dieselben trugen weiße Monturen mit ponceaurothen Kragen und Aufschlägen — kamen bereits entwaffnet, aber dennoch von den wuthentbrann- ten Pommern verfolgt, zwischen die Geschütze meiner Batterie gelaufen, um hier bei den Artilleristen Pardon und Schutz zu erbitten, welcher ihnen denn auch unter Beschwichtigung der nachsetzenden Pommern gewährt wurde. — Hieraus möge man auf das ungeheure Gewirr und Gemenge der mit einander Kämpfenden schließen. Die geschilderten Vorgänge dauerten bis zur einbrechenden Finsterniß, welche bei dem noch fortwährend schwarz bewölkten Himmel früher als sonst in dieser Jahreszeit und jedenfalls noch vor 8 Uhr des Abends eingetreten sein muß. In dem Durcheinander des kämpfenden Fußvolkes und bei der sich einstellenden Dunkelheit war nicht völlig genau mehr zu beobachten. In Einem aber kann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/318>, abgerufen am 28.09.2024.