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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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(Gleichwie Mars, der Venus Freund, nach vollendetem Kriegsspiel,
So an dem neuen Gemahl weidet das Auge der Fürst.)


Kenner der zwischen Mars und Venus obwaltenden zarten Beziehungen waren
der Ansicht, daß dieses Gleichniß fast noch mehr hinke als der näher berechtigte
Nebenbuhler des Kriegsgottes, Vulcan. Die Universität konnte es auch jetzt wie¬
der nicht lassen, in der Darbringung ihrer Huldigung ihren abweichenden Weg
zu gehen. Eine dem Großherzog überreichte lateinische Votivtafel rühmte den¬
selben als eivitatsm rio aciministrans, ii-egris rerum mväenZ, v^na sermo-
num eontöirmens (den Staat recht verwaltend, Uebelständen abhelfend, eitle
Reden verachtend). Die Worte sind ohne Zweifel gutes Latein und vielleicht
irgendeinem römischen Classiker unmittelbar entlehnt; aber sie enthalten ein
ebenso unzeitiges wie anmaßendes Lob der von den Ministern des Großher¬
zogs vertretenen Grundsätze. Die Thatsache, daß von Zeit zu Zeit mißliebige
Professoren ohne vorangegangenes Gehör und ohne disciplinarisches Verfahren
ihres Amtes entlassen werden, wird der Verfasser dieses Schriftstücks wohl auch
als Beweis rechter Verwaltung ansehen und die Klage darüber zu den eitlen,
berechtigter Verachtung verfallenden Reden rechnen.

Zum Schlüsse noch ein lustiges Stück consularischer Beredsamkeit. Der
erste Bürgermeister, Dr. Crumbiegel, hielt Namens der Stadt an der Ehren-
Pforte, wo der Großherzog von Rath und Bürgerrepräsentantcn empfangen
ward, mit der ihm eigenthümlichen hohlen und heiseren Stimme eine Begrüßungs¬
rede, in welcher er folgenden Flor oratorischer Begeisterung entfaltete: "Weit¬
hin über Ew. königlichen Hoheit Lande verkündet der Donner der Geschütze,
daß heute Jubel und Freude in Rostock herrscht. Himmelan geleitet das Ge¬
läute unserer Glocken die Gebete, welche für Ew. königliche Hoheit aufsteigen,
und wie vom hohen Maste stolz die mecklenburgische Landesflagge in allen
Weltmeeren weht, so weit der Handel seine Flotten sendet, so auch schmückt
der Seestädter die höchste Spitze seiner Thürme mit Landesflaggen, wenn seine
Freude aufs höchste gestiegen, die da hervorgeht aus den Gefühlen der Treue."
Wenn die "Lande" etwas größer und die donnernden "Geschütze" nicht in
Wirklichkeit nur kleine Schiffsböller gewesen wären, und wenn der böse Däne
nicht wäre, der die unter ihrer "stolz" wehenden mecklenburgischen Landesflagge
dahinfahrenden Schiffe aufbrachte und als gute Prise condemnirte, worauf man
ihm die passende Antwort noch immer schuldig ist, dann würden diese schönen
Redeblumen sich vielleicht noch besser ausnehmen.




Grenzboten III. 1864.39

(Zug,Il3 amÄNg Vsneris xost delli munerA Navors
?i'inLexg runo oculos x^soit amors novo.

(Gleichwie Mars, der Venus Freund, nach vollendetem Kriegsspiel,
So an dem neuen Gemahl weidet das Auge der Fürst.)


Kenner der zwischen Mars und Venus obwaltenden zarten Beziehungen waren
der Ansicht, daß dieses Gleichniß fast noch mehr hinke als der näher berechtigte
Nebenbuhler des Kriegsgottes, Vulcan. Die Universität konnte es auch jetzt wie¬
der nicht lassen, in der Darbringung ihrer Huldigung ihren abweichenden Weg
zu gehen. Eine dem Großherzog überreichte lateinische Votivtafel rühmte den¬
selben als eivitatsm rio aciministrans, ii-egris rerum mväenZ, v^na sermo-
num eontöirmens (den Staat recht verwaltend, Uebelständen abhelfend, eitle
Reden verachtend). Die Worte sind ohne Zweifel gutes Latein und vielleicht
irgendeinem römischen Classiker unmittelbar entlehnt; aber sie enthalten ein
ebenso unzeitiges wie anmaßendes Lob der von den Ministern des Großher¬
zogs vertretenen Grundsätze. Die Thatsache, daß von Zeit zu Zeit mißliebige
Professoren ohne vorangegangenes Gehör und ohne disciplinarisches Verfahren
ihres Amtes entlassen werden, wird der Verfasser dieses Schriftstücks wohl auch
als Beweis rechter Verwaltung ansehen und die Klage darüber zu den eitlen,
berechtigter Verachtung verfallenden Reden rechnen.

Zum Schlüsse noch ein lustiges Stück consularischer Beredsamkeit. Der
erste Bürgermeister, Dr. Crumbiegel, hielt Namens der Stadt an der Ehren-
Pforte, wo der Großherzog von Rath und Bürgerrepräsentantcn empfangen
ward, mit der ihm eigenthümlichen hohlen und heiseren Stimme eine Begrüßungs¬
rede, in welcher er folgenden Flor oratorischer Begeisterung entfaltete: „Weit¬
hin über Ew. königlichen Hoheit Lande verkündet der Donner der Geschütze,
daß heute Jubel und Freude in Rostock herrscht. Himmelan geleitet das Ge¬
läute unserer Glocken die Gebete, welche für Ew. königliche Hoheit aufsteigen,
und wie vom hohen Maste stolz die mecklenburgische Landesflagge in allen
Weltmeeren weht, so weit der Handel seine Flotten sendet, so auch schmückt
der Seestädter die höchste Spitze seiner Thürme mit Landesflaggen, wenn seine
Freude aufs höchste gestiegen, die da hervorgeht aus den Gefühlen der Treue."
Wenn die „Lande" etwas größer und die donnernden „Geschütze" nicht in
Wirklichkeit nur kleine Schiffsböller gewesen wären, und wenn der böse Däne
nicht wäre, der die unter ihrer „stolz" wehenden mecklenburgischen Landesflagge
dahinfahrenden Schiffe aufbrachte und als gute Prise condemnirte, worauf man
ihm die passende Antwort noch immer schuldig ist, dann würden diese schönen
Redeblumen sich vielleicht noch besser ausnehmen.




Grenzboten III. 1864.39
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/313>, abgerufen am 28.09.2024.