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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Probe und sorgte für einen neuen Gegenstand und ein neues Argument der
Anklage.

Mit der Ansprache war einer politischen Pflicht Genüge geschehen und eine
Anregung zu ernstem Nachdenken über den Sinn des Jubels gegeben, welche
schon während der Festzeit nicht ohne Frucht blieb und auch noch jetzt gute
Nachwirkungen zeigt. Zugleich war der herrschenden Partei die Möglichkeit
entzogen, die rostockcr Einzugsfeier zu benutzen, um sie als Zeichen einstimmigen
Beifalls für das herrschende Regierungssystem auszubeuten.

Unterdessen gingen die'Vorbereitungen ihren Gang, der Einzugstag erschien,
und eine Woche glänzender Feste und arbeitlosen Sinnengenusses rauschte über
Rostock dahin, von der die Stadtkasse und viele Privatkassen noch lange eine
Empfindung bewahren werden. Das großherzogliche Paar war durch den Ver¬
lauf des Ganzen sehr befriedigt. Ein gleich nach der Abreise beim Magistrat
eingegangenes Schreiben des Großherzogs spricht in sehr schmeichelhaften Wor¬
ten den Dank für den "glänzenden Empfang" aus. Der Großherzog giebt
die Versicherung: "daß es dem Magistrat und den Einwohnern vollständig ge¬
lungen ist, die Tage Unseres dortigen Aufenthalts zu wahren Fest- und Freu-
dentagcn für Uns zu machen, daß Wir die desfallsigen Veranstaltungen um so
dankbarer erkennen, als es Uns nicht unbekannt ist, daß die Mehrzahl der Ein¬
wohner bei den in Folge des Krieges bisher gestörten Schifsfahrts- und Han-
delsverhältnissen schwer gelitten hat, und daß Wir die dort verlebten Tage in
froher Erinnerung bewahren werden."

Von politischen Folgerungen aus den gemachten Erfahrungen hält das
Schretben sich fern. Es entspricht darin dem während der ganzen Dauer der
Festlichkeiten auch von Seiten der Behörden und der Bevölkerung beobachteten
Enthaltung. Denn allseitig zeigte man sich fast ängstlich bemüht, die Berührung
des Gebiets der Politik zu vermeiden. Weder in den Begrüßungsreden und
Toasten, noch in den zu Tage gekommenen Erzeugnissen der Dichtkunst, noch
in den Transparenten bei der Illumination, noch bei den vielen "Salamandern",
welche auf dem vom Großherzog mit seiner Gegenwart beehrten Studenten-
commers von dem Studenten Graf v. Bassewitz auf den Großherzog, von dem
Consistorialrath Krabbe auf die Kommilitonen, u. f. w. gerieben wurden, trat
irgendein politischer Gedanke an den Tag. Nur der Universität blieb es vor¬
behalten, über diese Grenze hinauszugehen und in der Person des Großherzogs
zugleich das herrschende Regierungssystem zu feiern. Schon bei der Vermäh¬
lung des Großherzogs hatte sie der Tactlosigkeit die Zügel schießen lassen, in¬
dem sie in einem lateinischen Epithalamium, unter Anspielung auf das tapfere
Verhalten des Großherzogs auf dem Kriegsschauplatz in Schleswig, die Ver-
gleichung wagte:


Probe und sorgte für einen neuen Gegenstand und ein neues Argument der
Anklage.

Mit der Ansprache war einer politischen Pflicht Genüge geschehen und eine
Anregung zu ernstem Nachdenken über den Sinn des Jubels gegeben, welche
schon während der Festzeit nicht ohne Frucht blieb und auch noch jetzt gute
Nachwirkungen zeigt. Zugleich war der herrschenden Partei die Möglichkeit
entzogen, die rostockcr Einzugsfeier zu benutzen, um sie als Zeichen einstimmigen
Beifalls für das herrschende Regierungssystem auszubeuten.

Unterdessen gingen die'Vorbereitungen ihren Gang, der Einzugstag erschien,
und eine Woche glänzender Feste und arbeitlosen Sinnengenusses rauschte über
Rostock dahin, von der die Stadtkasse und viele Privatkassen noch lange eine
Empfindung bewahren werden. Das großherzogliche Paar war durch den Ver¬
lauf des Ganzen sehr befriedigt. Ein gleich nach der Abreise beim Magistrat
eingegangenes Schreiben des Großherzogs spricht in sehr schmeichelhaften Wor¬
ten den Dank für den „glänzenden Empfang" aus. Der Großherzog giebt
die Versicherung: „daß es dem Magistrat und den Einwohnern vollständig ge¬
lungen ist, die Tage Unseres dortigen Aufenthalts zu wahren Fest- und Freu-
dentagcn für Uns zu machen, daß Wir die desfallsigen Veranstaltungen um so
dankbarer erkennen, als es Uns nicht unbekannt ist, daß die Mehrzahl der Ein¬
wohner bei den in Folge des Krieges bisher gestörten Schifsfahrts- und Han-
delsverhältnissen schwer gelitten hat, und daß Wir die dort verlebten Tage in
froher Erinnerung bewahren werden."

Von politischen Folgerungen aus den gemachten Erfahrungen hält das
Schretben sich fern. Es entspricht darin dem während der ganzen Dauer der
Festlichkeiten auch von Seiten der Behörden und der Bevölkerung beobachteten
Enthaltung. Denn allseitig zeigte man sich fast ängstlich bemüht, die Berührung
des Gebiets der Politik zu vermeiden. Weder in den Begrüßungsreden und
Toasten, noch in den zu Tage gekommenen Erzeugnissen der Dichtkunst, noch
in den Transparenten bei der Illumination, noch bei den vielen „Salamandern",
welche auf dem vom Großherzog mit seiner Gegenwart beehrten Studenten-
commers von dem Studenten Graf v. Bassewitz auf den Großherzog, von dem
Consistorialrath Krabbe auf die Kommilitonen, u. f. w. gerieben wurden, trat
irgendein politischer Gedanke an den Tag. Nur der Universität blieb es vor¬
behalten, über diese Grenze hinauszugehen und in der Person des Großherzogs
zugleich das herrschende Regierungssystem zu feiern. Schon bei der Vermäh¬
lung des Großherzogs hatte sie der Tactlosigkeit die Zügel schießen lassen, in¬
dem sie in einem lateinischen Epithalamium, unter Anspielung auf das tapfere
Verhalten des Großherzogs auf dem Kriegsschauplatz in Schleswig, die Ver-
gleichung wagte:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/312>, abgerufen am 28.09.2024.