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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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welche sein Herz zu umgarnen und ihm die vorgeführten schwarzen Verhältnisse
im rosigsten Licht darzustellen gewußt haben, unser Vorwurf.

"Aber ihr macht euch zu Mitschuldigen dieser Feinde des Fürsten und des
Vaterlandes, wenn ihr als Heuchler euch dem Großherzoge nahet und wenn
ihr durch euren Festjubel die Wahrheit verdunkelt und verscheucht.

"Ihr täuscht das Vertrauen, welches der Großherzog zu euch hat, wenn
ihr die Wahrheit zurückhaltet, welche ihr ihm schuldig seid.

"Ihr versündigt euch an eurer eigenen Ehre, wenn ihr wie höfische Naturen
handelt, wo nur Männer am rechten Platze sein würden.

"Bedenke daher jeder, was die Pflicht von ihm fordert und was er vor
sich selbst, vor seinen Mitbürgern in Stadt und Land und vor dem ganzen
deutschen Vaterlande in den nahe bevorstehenden Tagen zu verantworten hat.

"Wem seine Stellung es zur Pflicht macht, an der Begrüßung des Für¬
sten sich zu betheiligen, der trete mit dem rechten Wort, oder wo sich dazu nicht
Veranlassung bieten sollte, wenigstens mit der rechten Miene ihm entgegen.
Er verhehle weder in Wort noch Blick, daß das Land einen tiefen Widerwillen
und Abscheu gegen die Partei hat, welche dessen Wohlstand und Glück unter
den Fesseln ihrer Selbstsucht gefangen hält. Wer anders handelt, der belastet
sein Gewissen mit schwerer Verantwortung und macht sich eines Verbrechens
schuldig, über welches das Gericht nicht ausbleiben wird.

"An alle aber, für welche die Betheiligung an den Festlichkeiten lediglich
Sache ihres freien Willens ist, richtet sich die dringende Aufforderung, nicht
durch ihre Mitwirkung einen Jubel verstärken zu wollen, welcher unter Ver¬
hältnissen, wie die jetzigen, nicht recht und nicht erlaubt ist und nur zur Täuschung
des Fürsten über die Stimmung des Landes dienen kann.

"Vereinigt euch alle in dem Vorsatze, nichts zu thun und zu lassen, was
in euern Kräften steht, um den Fürsten über seine Rathgeber und deren Werk
aufzuklären und dadurch zur Herbeiführung des Zieles beizutragen, welches die
Vorbedingung der Rückkehr gesunder Zustände und einer künstigen gedeihlichen
Entwickelung des niedergetretenen Landes ist:

"Entfernung der Junkerpartei von der Herrschaft über das Land, Be¬
freiung des Landes von der Ausbeutung durch das Junkerregiment!"

Die städtische Polizeibehörde hatte von dieser literarischen Neuigkeit nicht
so bald Kenntniß erhalten, als sie mit dem ganzen loyalen Eifer, welchen sie
unter ihrem jüngst eingetretenen Haupte, dem Senator or. Bläuel, dem be-


welche sein Herz zu umgarnen und ihm die vorgeführten schwarzen Verhältnisse
im rosigsten Licht darzustellen gewußt haben, unser Vorwurf.

„Aber ihr macht euch zu Mitschuldigen dieser Feinde des Fürsten und des
Vaterlandes, wenn ihr als Heuchler euch dem Großherzoge nahet und wenn
ihr durch euren Festjubel die Wahrheit verdunkelt und verscheucht.

„Ihr täuscht das Vertrauen, welches der Großherzog zu euch hat, wenn
ihr die Wahrheit zurückhaltet, welche ihr ihm schuldig seid.

„Ihr versündigt euch an eurer eigenen Ehre, wenn ihr wie höfische Naturen
handelt, wo nur Männer am rechten Platze sein würden.

„Bedenke daher jeder, was die Pflicht von ihm fordert und was er vor
sich selbst, vor seinen Mitbürgern in Stadt und Land und vor dem ganzen
deutschen Vaterlande in den nahe bevorstehenden Tagen zu verantworten hat.

„Wem seine Stellung es zur Pflicht macht, an der Begrüßung des Für¬
sten sich zu betheiligen, der trete mit dem rechten Wort, oder wo sich dazu nicht
Veranlassung bieten sollte, wenigstens mit der rechten Miene ihm entgegen.
Er verhehle weder in Wort noch Blick, daß das Land einen tiefen Widerwillen
und Abscheu gegen die Partei hat, welche dessen Wohlstand und Glück unter
den Fesseln ihrer Selbstsucht gefangen hält. Wer anders handelt, der belastet
sein Gewissen mit schwerer Verantwortung und macht sich eines Verbrechens
schuldig, über welches das Gericht nicht ausbleiben wird.

„An alle aber, für welche die Betheiligung an den Festlichkeiten lediglich
Sache ihres freien Willens ist, richtet sich die dringende Aufforderung, nicht
durch ihre Mitwirkung einen Jubel verstärken zu wollen, welcher unter Ver¬
hältnissen, wie die jetzigen, nicht recht und nicht erlaubt ist und nur zur Täuschung
des Fürsten über die Stimmung des Landes dienen kann.

„Vereinigt euch alle in dem Vorsatze, nichts zu thun und zu lassen, was
in euern Kräften steht, um den Fürsten über seine Rathgeber und deren Werk
aufzuklären und dadurch zur Herbeiführung des Zieles beizutragen, welches die
Vorbedingung der Rückkehr gesunder Zustände und einer künstigen gedeihlichen
Entwickelung des niedergetretenen Landes ist:

„Entfernung der Junkerpartei von der Herrschaft über das Land, Be¬
freiung des Landes von der Ausbeutung durch das Junkerregiment!"

Die städtische Polizeibehörde hatte von dieser literarischen Neuigkeit nicht
so bald Kenntniß erhalten, als sie mit dem ganzen loyalen Eifer, welchen sie
unter ihrem jüngst eingetretenen Haupte, dem Senator or. Bläuel, dem be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/310>, abgerufen am 28.09.2024.