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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Angelegenheit legten nicht weniger als 600 Männer durch ihre Namensunter¬
schriften ein muthiges Zeugniß gegen das begangene Unrecht ad. Als im vo¬
rigen Jahre die noch immer schwebende Untersuchung wegen Theilnahme am
deutschen Nationalverein eröffnet wurde, meldeten sich mehr als 40 Rostocker
als Mitglieder dieses Vereins und erklärten, daß sie dem entgegenstehenden
ministeriellen Verbot eine gesetzliche Kraft nicht einzuräumen vermöchten.
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Neben dieser freiheitlichen Richtung, die freilich in einem großen Theile
ihrer Anhänger, bei dem Mangel jedes Bandes äußerer Zusammenfassung und
Einigung und bei der polizeilichen Unterdrückung des politischen Lebens, das
Gemüth noch nicht in seiner Tiefe ergriffen und zu selbständigen Entschlüssen
gekräftigt hatte, lief eine entgegengesetzte Strömung, welche in dem Stadtrath
und der noch auf dem Zunftwesen ruhenden Bürgervcrtretung, und hier na¬
mentlich in der Repräsentation aus dem Stande der Kaufleute und Krämer,
ihren Mittelpunkt und ihre Hauptstütze hatte. In diesen Regionen hat sich nun
einmal die Ansicht festgesetzt, daß die fürstliche Gunst die Bedingung alles rom-
mereiellen und gewerblichen Gedeihens der Stadt, und daß die Erhaltung und
Vermehrung dieser Gunst die erste Pflicht der städtischen Behörden und aller
guten Bürger sei. Es ist dies die "Schlcußenpolitik" des Bürgers, welche mit
loyalem Verhalten auf Beihilfen zur Schiffbarmachung der Ober-Warnow, auf
die Erlaubniß zu vermehrter Banknotenausgabe und ähnliche wünschenswerthe
Dinge speculirt. Nebenher findet sich wohl auch noch einiger Stolz auf die
alten Rechte und Privilegien der Stadt; aber größer noch als dieser Stolz ist
die Furcht, durch mißfälliges Benehmen dieselben zu verscherzen. Es sind schon
Fälle vorgekommen, wo man lieber auf den Gebrauch eines Privilegiums ver¬
zichtete, als sich der Gefahr aussetzte, dasselbe gegen den landesherrlichen Willen
nicht mehr durchführen zu können. Man hütet einen Schatz im Kasten, damit
nicht, wenn man ihn anrührt, er sich als außer Cours gesetzte Münze erweise.

Vom Rath und der Bürgervertretung war die Einladung erlassen; ebendie¬
selben glaubten nun darin etwas suchen zu müssen, den Empfang zu einem
möglichst glänzenden, den Jubel zu einem möglichst in die Sinne fallenden zu
machen. Für die festliche Ausschmückung der Stadt und eine fünftägige bunte
Reihe Von Vergnügungen wurden Geldmittel angewiesen, welche schon an sich
mit den Verhältnissen der Stadt und der durch den dänischen Krieg herbei¬
geführten erwcrblosen Lage vieler Bürger wenig in Einklang standen, aber zur
Deckung der gemachten Verwendungen noch bei Weitem nicht ausreichten. Diese
öffentlichen Mittel dienten zugleich, die Privatbetheiligung zu beleben und zu
unterstützen, wie denn z, B. die Ausrüstung des zum Programm gehörigen Fackel¬
zuges der Bürger fast ganz auf Kosten der Commune beschafft wurde. Außer¬
dem wurden die Gelder der Handwerksämter mobil gemacht und theils für die


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Angelegenheit legten nicht weniger als 600 Männer durch ihre Namensunter¬
schriften ein muthiges Zeugniß gegen das begangene Unrecht ad. Als im vo¬
rigen Jahre die noch immer schwebende Untersuchung wegen Theilnahme am
deutschen Nationalverein eröffnet wurde, meldeten sich mehr als 40 Rostocker
als Mitglieder dieses Vereins und erklärten, daß sie dem entgegenstehenden
ministeriellen Verbot eine gesetzliche Kraft nicht einzuräumen vermöchten.
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Neben dieser freiheitlichen Richtung, die freilich in einem großen Theile
ihrer Anhänger, bei dem Mangel jedes Bandes äußerer Zusammenfassung und
Einigung und bei der polizeilichen Unterdrückung des politischen Lebens, das
Gemüth noch nicht in seiner Tiefe ergriffen und zu selbständigen Entschlüssen
gekräftigt hatte, lief eine entgegengesetzte Strömung, welche in dem Stadtrath
und der noch auf dem Zunftwesen ruhenden Bürgervcrtretung, und hier na¬
mentlich in der Repräsentation aus dem Stande der Kaufleute und Krämer,
ihren Mittelpunkt und ihre Hauptstütze hatte. In diesen Regionen hat sich nun
einmal die Ansicht festgesetzt, daß die fürstliche Gunst die Bedingung alles rom-
mereiellen und gewerblichen Gedeihens der Stadt, und daß die Erhaltung und
Vermehrung dieser Gunst die erste Pflicht der städtischen Behörden und aller
guten Bürger sei. Es ist dies die „Schlcußenpolitik" des Bürgers, welche mit
loyalem Verhalten auf Beihilfen zur Schiffbarmachung der Ober-Warnow, auf
die Erlaubniß zu vermehrter Banknotenausgabe und ähnliche wünschenswerthe
Dinge speculirt. Nebenher findet sich wohl auch noch einiger Stolz auf die
alten Rechte und Privilegien der Stadt; aber größer noch als dieser Stolz ist
die Furcht, durch mißfälliges Benehmen dieselben zu verscherzen. Es sind schon
Fälle vorgekommen, wo man lieber auf den Gebrauch eines Privilegiums ver¬
zichtete, als sich der Gefahr aussetzte, dasselbe gegen den landesherrlichen Willen
nicht mehr durchführen zu können. Man hütet einen Schatz im Kasten, damit
nicht, wenn man ihn anrührt, er sich als außer Cours gesetzte Münze erweise.

Vom Rath und der Bürgervertretung war die Einladung erlassen; ebendie¬
selben glaubten nun darin etwas suchen zu müssen, den Empfang zu einem
möglichst glänzenden, den Jubel zu einem möglichst in die Sinne fallenden zu
machen. Für die festliche Ausschmückung der Stadt und eine fünftägige bunte
Reihe Von Vergnügungen wurden Geldmittel angewiesen, welche schon an sich
mit den Verhältnissen der Stadt und der durch den dänischen Krieg herbei¬
geführten erwcrblosen Lage vieler Bürger wenig in Einklang standen, aber zur
Deckung der gemachten Verwendungen noch bei Weitem nicht ausreichten. Diese
öffentlichen Mittel dienten zugleich, die Privatbetheiligung zu beleben und zu
unterstützen, wie denn z, B. die Ausrüstung des zum Programm gehörigen Fackel¬
zuges der Bürger fast ganz auf Kosten der Commune beschafft wurde. Außer¬
dem wurden die Gelder der Handwerksämter mobil gemacht und theils für die


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[0307] Angelegenheit legten nicht weniger als 600 Männer durch ihre Namensunter¬ schriften ein muthiges Zeugniß gegen das begangene Unrecht ad. Als im vo¬ rigen Jahre die noch immer schwebende Untersuchung wegen Theilnahme am deutschen Nationalverein eröffnet wurde, meldeten sich mehr als 40 Rostocker als Mitglieder dieses Vereins und erklärten, daß sie dem entgegenstehenden ministeriellen Verbot eine gesetzliche Kraft nicht einzuräumen vermöchten. » Neben dieser freiheitlichen Richtung, die freilich in einem großen Theile ihrer Anhänger, bei dem Mangel jedes Bandes äußerer Zusammenfassung und Einigung und bei der polizeilichen Unterdrückung des politischen Lebens, das Gemüth noch nicht in seiner Tiefe ergriffen und zu selbständigen Entschlüssen gekräftigt hatte, lief eine entgegengesetzte Strömung, welche in dem Stadtrath und der noch auf dem Zunftwesen ruhenden Bürgervcrtretung, und hier na¬ mentlich in der Repräsentation aus dem Stande der Kaufleute und Krämer, ihren Mittelpunkt und ihre Hauptstütze hatte. In diesen Regionen hat sich nun einmal die Ansicht festgesetzt, daß die fürstliche Gunst die Bedingung alles rom- mereiellen und gewerblichen Gedeihens der Stadt, und daß die Erhaltung und Vermehrung dieser Gunst die erste Pflicht der städtischen Behörden und aller guten Bürger sei. Es ist dies die „Schlcußenpolitik" des Bürgers, welche mit loyalem Verhalten auf Beihilfen zur Schiffbarmachung der Ober-Warnow, auf die Erlaubniß zu vermehrter Banknotenausgabe und ähnliche wünschenswerthe Dinge speculirt. Nebenher findet sich wohl auch noch einiger Stolz auf die alten Rechte und Privilegien der Stadt; aber größer noch als dieser Stolz ist die Furcht, durch mißfälliges Benehmen dieselben zu verscherzen. Es sind schon Fälle vorgekommen, wo man lieber auf den Gebrauch eines Privilegiums ver¬ zichtete, als sich der Gefahr aussetzte, dasselbe gegen den landesherrlichen Willen nicht mehr durchführen zu können. Man hütet einen Schatz im Kasten, damit nicht, wenn man ihn anrührt, er sich als außer Cours gesetzte Münze erweise. Vom Rath und der Bürgervertretung war die Einladung erlassen; ebendie¬ selben glaubten nun darin etwas suchen zu müssen, den Empfang zu einem möglichst glänzenden, den Jubel zu einem möglichst in die Sinne fallenden zu machen. Für die festliche Ausschmückung der Stadt und eine fünftägige bunte Reihe Von Vergnügungen wurden Geldmittel angewiesen, welche schon an sich mit den Verhältnissen der Stadt und der durch den dänischen Krieg herbei¬ geführten erwcrblosen Lage vieler Bürger wenig in Einklang standen, aber zur Deckung der gemachten Verwendungen noch bei Weitem nicht ausreichten. Diese öffentlichen Mittel dienten zugleich, die Privatbetheiligung zu beleben und zu unterstützen, wie denn z, B. die Ausrüstung des zum Programm gehörigen Fackel¬ zuges der Bürger fast ganz auf Kosten der Commune beschafft wurde. Außer¬ dem wurden die Gelder der Handwerksämter mobil gemacht und theils für die 38*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/307>, abgerufen am 28.09.2024.