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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Schiffahrtslinie zwischen PuteoU und Alexandrien in Verbindung stand, und
wohin man auf diesem Wege etwa so rasch, wie jetzt von England nach Amerika,
d. h. in ungefähr zwölf Tagen gelangte.

Die Anziehungskraft Aegyptens auf Griechen wie Römer war ungemein
groß. Es war das einzige Land im römischen Reich, welches seine Originali¬
tät bis in die spätesten Zeiten bewahrte, während im Westen die ausschließlich
römische, im Osten die ausschließlich griechische Cultur die landschaftlichen und
nationalen Eigenthümlichkeiten mehr und mehr nivellirt hatte. Hier am Nil
erhielten sich gleichsam mumienartig Neste einer Cultur, mit deren Uralter ver¬
glichen die römische und griechische von heut und gestern zu sein schien. Mit
Ehrfurcht sah der Reisende den heiligen Strom, den berühmtesten der Welt,
seine mächtigen segenspendcnden Fluthen wälzen, und wie tief sich die Land¬
schaften, die Vegetation und Thierwelt an seinen Ufern den Römern einprägten,
wie lebhaft sie ehre Phantasie beschäftigten, davon geben die zahlreichen Abbil¬
dungen von denselben Zeugniß, mit denen man in Rom seine Zimmer schmückte.
Und wie die Natur Aegyptens ewig dieselben wunderbaren Schauspiele bot. so
auch seine Monumente, die ältesten und kolossalsten, welche das Alterthum kannte.
An diesen künstlichen Stcmbergcn. Niesenlempeln, unermeßlichen, tief in den
Fels der Wüste gehöhlten Köingsgrüflen. den Wäldern von Kolossen und
^pbnizen, den mit farbeiiprangenden Bildern und geheimnißvollen Schriften
bedeckten Paiastwänden schien die Zeit machtlos vorübergegangen zu sein.
Keine modernem Bauten oder Gebilde störten die Einheit dieser übermensch¬
lichen Werke, und ebenso erhielt sich alte Sitte und alter Brauch, besonders
im Gottesdienst unverändert fort. So blieb das Interesse für Aegypten nicht
nur immer gleich lebendig, sondern es hatte auch immer den gleichen Inhalt.
Noch in den letzten Zeiten des Alterthums waren Erzählungen und Berichte
von Aegypten für griechische und gewiß auch für römische Ohren die anziehend¬
sten, und die Hörer wurden nicht müde, nach den Pyramiden, den Königsgrä¬
bern und all den andern Wundern des Fabellandes zu forschen.

Die Hauptstadt des Nillandes Alexandria aber bot dazu noch andere Ein¬
drücke. Eine relativ moderne, nicht ägyptische, sondern griechisch-orientalische
Stadt, war sie in Anlage und Bauart von den in der macedonischen Zeit ent¬
standenen Großstädten kaum wesentlich verschieden. Im Umfang von drei geo¬
graphischen Meilen lag sie am Meeresufer von Osten nach Westen hingebreitet.
Ihre beiden Hauptstraßen, die eine von Süden nach Norden, die andre von
Osten nach Westen tausend, beide 100 Fuß breit, die erstere drei Viertelmeilen
lang, durchschnitten einander als Reihen von Tempeln und andern Prachtbau¬
ten im rechten Winkel. Die Häuser, massiv aus Stein gebaut, hatten flache
Dächer. Eine Menge anderer prächtiger Gebäude vertheilten sich über die ver"


Schiffahrtslinie zwischen PuteoU und Alexandrien in Verbindung stand, und
wohin man auf diesem Wege etwa so rasch, wie jetzt von England nach Amerika,
d. h. in ungefähr zwölf Tagen gelangte.

Die Anziehungskraft Aegyptens auf Griechen wie Römer war ungemein
groß. Es war das einzige Land im römischen Reich, welches seine Originali¬
tät bis in die spätesten Zeiten bewahrte, während im Westen die ausschließlich
römische, im Osten die ausschließlich griechische Cultur die landschaftlichen und
nationalen Eigenthümlichkeiten mehr und mehr nivellirt hatte. Hier am Nil
erhielten sich gleichsam mumienartig Neste einer Cultur, mit deren Uralter ver¬
glichen die römische und griechische von heut und gestern zu sein schien. Mit
Ehrfurcht sah der Reisende den heiligen Strom, den berühmtesten der Welt,
seine mächtigen segenspendcnden Fluthen wälzen, und wie tief sich die Land¬
schaften, die Vegetation und Thierwelt an seinen Ufern den Römern einprägten,
wie lebhaft sie ehre Phantasie beschäftigten, davon geben die zahlreichen Abbil¬
dungen von denselben Zeugniß, mit denen man in Rom seine Zimmer schmückte.
Und wie die Natur Aegyptens ewig dieselben wunderbaren Schauspiele bot. so
auch seine Monumente, die ältesten und kolossalsten, welche das Alterthum kannte.
An diesen künstlichen Stcmbergcn. Niesenlempeln, unermeßlichen, tief in den
Fels der Wüste gehöhlten Köingsgrüflen. den Wäldern von Kolossen und
^pbnizen, den mit farbeiiprangenden Bildern und geheimnißvollen Schriften
bedeckten Paiastwänden schien die Zeit machtlos vorübergegangen zu sein.
Keine modernem Bauten oder Gebilde störten die Einheit dieser übermensch¬
lichen Werke, und ebenso erhielt sich alte Sitte und alter Brauch, besonders
im Gottesdienst unverändert fort. So blieb das Interesse für Aegypten nicht
nur immer gleich lebendig, sondern es hatte auch immer den gleichen Inhalt.
Noch in den letzten Zeiten des Alterthums waren Erzählungen und Berichte
von Aegypten für griechische und gewiß auch für römische Ohren die anziehend¬
sten, und die Hörer wurden nicht müde, nach den Pyramiden, den Königsgrä¬
bern und all den andern Wundern des Fabellandes zu forschen.

Die Hauptstadt des Nillandes Alexandria aber bot dazu noch andere Ein¬
drücke. Eine relativ moderne, nicht ägyptische, sondern griechisch-orientalische
Stadt, war sie in Anlage und Bauart von den in der macedonischen Zeit ent¬
standenen Großstädten kaum wesentlich verschieden. Im Umfang von drei geo¬
graphischen Meilen lag sie am Meeresufer von Osten nach Westen hingebreitet.
Ihre beiden Hauptstraßen, die eine von Süden nach Norden, die andre von
Osten nach Westen tausend, beide 100 Fuß breit, die erstere drei Viertelmeilen
lang, durchschnitten einander als Reihen von Tempeln und andern Prachtbau¬
ten im rechten Winkel. Die Häuser, massiv aus Stein gebaut, hatten flache
Dächer. Eine Menge anderer prächtiger Gebäude vertheilten sich über die ver«


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[0296] Schiffahrtslinie zwischen PuteoU und Alexandrien in Verbindung stand, und wohin man auf diesem Wege etwa so rasch, wie jetzt von England nach Amerika, d. h. in ungefähr zwölf Tagen gelangte. Die Anziehungskraft Aegyptens auf Griechen wie Römer war ungemein groß. Es war das einzige Land im römischen Reich, welches seine Originali¬ tät bis in die spätesten Zeiten bewahrte, während im Westen die ausschließlich römische, im Osten die ausschließlich griechische Cultur die landschaftlichen und nationalen Eigenthümlichkeiten mehr und mehr nivellirt hatte. Hier am Nil erhielten sich gleichsam mumienartig Neste einer Cultur, mit deren Uralter ver¬ glichen die römische und griechische von heut und gestern zu sein schien. Mit Ehrfurcht sah der Reisende den heiligen Strom, den berühmtesten der Welt, seine mächtigen segenspendcnden Fluthen wälzen, und wie tief sich die Land¬ schaften, die Vegetation und Thierwelt an seinen Ufern den Römern einprägten, wie lebhaft sie ehre Phantasie beschäftigten, davon geben die zahlreichen Abbil¬ dungen von denselben Zeugniß, mit denen man in Rom seine Zimmer schmückte. Und wie die Natur Aegyptens ewig dieselben wunderbaren Schauspiele bot. so auch seine Monumente, die ältesten und kolossalsten, welche das Alterthum kannte. An diesen künstlichen Stcmbergcn. Niesenlempeln, unermeßlichen, tief in den Fels der Wüste gehöhlten Köingsgrüflen. den Wäldern von Kolossen und ^pbnizen, den mit farbeiiprangenden Bildern und geheimnißvollen Schriften bedeckten Paiastwänden schien die Zeit machtlos vorübergegangen zu sein. Keine modernem Bauten oder Gebilde störten die Einheit dieser übermensch¬ lichen Werke, und ebenso erhielt sich alte Sitte und alter Brauch, besonders im Gottesdienst unverändert fort. So blieb das Interesse für Aegypten nicht nur immer gleich lebendig, sondern es hatte auch immer den gleichen Inhalt. Noch in den letzten Zeiten des Alterthums waren Erzählungen und Berichte von Aegypten für griechische und gewiß auch für römische Ohren die anziehend¬ sten, und die Hörer wurden nicht müde, nach den Pyramiden, den Königsgrä¬ bern und all den andern Wundern des Fabellandes zu forschen. Die Hauptstadt des Nillandes Alexandria aber bot dazu noch andere Ein¬ drücke. Eine relativ moderne, nicht ägyptische, sondern griechisch-orientalische Stadt, war sie in Anlage und Bauart von den in der macedonischen Zeit ent¬ standenen Großstädten kaum wesentlich verschieden. Im Umfang von drei geo¬ graphischen Meilen lag sie am Meeresufer von Osten nach Westen hingebreitet. Ihre beiden Hauptstraßen, die eine von Süden nach Norden, die andre von Osten nach Westen tausend, beide 100 Fuß breit, die erstere drei Viertelmeilen lang, durchschnitten einander als Reihen von Tempeln und andern Prachtbau¬ ten im rechten Winkel. Die Häuser, massiv aus Stein gebaut, hatten flache Dächer. Eine Menge anderer prächtiger Gebäude vertheilten sich über die ver«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/296>, abgerufen am 28.09.2024.