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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Athen, hatte in allen heiligen Wettkämpfen von den capitolinischen bis zu denen
in Antiochia Kränze gewonnen.

Jene Feste und Schauspiele aber zogen auch immer eine Menge von Zu¬
schauern von nah und fern herbei, und bei den pythischen Spielen kam noch
zu Gellius Zeit fast ganz Griechenland zusammen. Desgleichen übten religiöse
Feierlichkeiten wie die der eleusinischen Mysterien noch immer eine große Anziehungs¬
kraft, auch auf Römer, aus. Endlich waren Reisen zur Wiedererlangung der
Gesundheit sowie bloße Zerstreuungs- und Erholungstouren fast so gewöhnlich
wie heutzutage. Brustkranke wurden, wenn ihnen nicht der Aufenthalt in
Nadelholzwäldern oder eine Milchkur "im Gebirge empfohlen ward, wie jetzt
nach Aegypten geschickt. Der Gebrauch der Mineralbäder war sehr allgemein
und ein großer Theil der jetzt benutzten Heilquellen schon damals bekannt und
stark frequentirt.

Wir sehen jetzt mit dem Verfasser von den Reisen ab, die aus den bisher
erwähnten Veranlassungen unternommen wurden und betrachten von nun an
nur das alte Rom auf Reisen, welches lediglich von Wanderlust, Verlangen
nach Veränderung und Wünschen nach neuen Eindrücken bewegt wurde und so
die Meinung Plinius zu bestätigen schien, der die menschliche Natur "reiselustig
und nach Neuem begierig" nennt. Auch diese Classe von Reisenden, die eigent¬
lichen Touristen, war in der Periode, von der wir sprechen, ungemein häufig
und sie hatten sogar in Hadrian einen Kaiser zu einem ihrer Vertreter. Indeß
würde es ein Irrthum sein, wenn wir annehmen wollten, daß die Unternehmun¬
gen, die aus dem Wandertrieb der Alten hervorgingen, sich auch nur entfernt
mit den Entdeckungsfahrten und Weltwanderungen unserer Tage vergleichen
ließen. Die antiken Reisen beschränkten sich mit sehr geringen Ausnahmen auf
die bekannte Welt, und diese blieb für die allermeisten von nahen Grenzen um¬
schlossen, über welche hinauszuschwcifen kaum die Phantasie Verlangen trug.
Selbst auf schon mehrfach betretenen Gebieten dieser Grenzen vermochte die
Erkundung des Wahren nie völlig die Fabeln und Wundersagen früherer Zei¬
ten zu verdrängen, und selbst Gebildete glaubten, daß das atlantische Meer in
gewisser Entfernung von der Küste für Schiffe undurchdringlich, daß die Berg-
wildniß des Atlas von Panem und Satyrn bewohnt, daß die Wüste Jnnerafnkas
im eigentlichsten Sinne des Worts unnahbar glühend sei. der Sagen von einem
seligen, Hyperboräerlande im Norden mit ewigem Frühling und halbjährigen
Tag nicht zu gedenken.

Selbst innerhalb derj Grenzen der bekannten Welt beschränkten sich die
meisten Reisen auf ein verhältnißmäßig enges Gebiet. Aus dem römischen Reich
wagen sich, Kaufleute ausgenommen, offenbar nur sehr Wenige. Strabo meint,
daß nicht leicht ein Geograph so weit herumgekommen sein möchte als er, und


Athen, hatte in allen heiligen Wettkämpfen von den capitolinischen bis zu denen
in Antiochia Kränze gewonnen.

Jene Feste und Schauspiele aber zogen auch immer eine Menge von Zu¬
schauern von nah und fern herbei, und bei den pythischen Spielen kam noch
zu Gellius Zeit fast ganz Griechenland zusammen. Desgleichen übten religiöse
Feierlichkeiten wie die der eleusinischen Mysterien noch immer eine große Anziehungs¬
kraft, auch auf Römer, aus. Endlich waren Reisen zur Wiedererlangung der
Gesundheit sowie bloße Zerstreuungs- und Erholungstouren fast so gewöhnlich
wie heutzutage. Brustkranke wurden, wenn ihnen nicht der Aufenthalt in
Nadelholzwäldern oder eine Milchkur "im Gebirge empfohlen ward, wie jetzt
nach Aegypten geschickt. Der Gebrauch der Mineralbäder war sehr allgemein
und ein großer Theil der jetzt benutzten Heilquellen schon damals bekannt und
stark frequentirt.

Wir sehen jetzt mit dem Verfasser von den Reisen ab, die aus den bisher
erwähnten Veranlassungen unternommen wurden und betrachten von nun an
nur das alte Rom auf Reisen, welches lediglich von Wanderlust, Verlangen
nach Veränderung und Wünschen nach neuen Eindrücken bewegt wurde und so
die Meinung Plinius zu bestätigen schien, der die menschliche Natur „reiselustig
und nach Neuem begierig" nennt. Auch diese Classe von Reisenden, die eigent¬
lichen Touristen, war in der Periode, von der wir sprechen, ungemein häufig
und sie hatten sogar in Hadrian einen Kaiser zu einem ihrer Vertreter. Indeß
würde es ein Irrthum sein, wenn wir annehmen wollten, daß die Unternehmun¬
gen, die aus dem Wandertrieb der Alten hervorgingen, sich auch nur entfernt
mit den Entdeckungsfahrten und Weltwanderungen unserer Tage vergleichen
ließen. Die antiken Reisen beschränkten sich mit sehr geringen Ausnahmen auf
die bekannte Welt, und diese blieb für die allermeisten von nahen Grenzen um¬
schlossen, über welche hinauszuschwcifen kaum die Phantasie Verlangen trug.
Selbst auf schon mehrfach betretenen Gebieten dieser Grenzen vermochte die
Erkundung des Wahren nie völlig die Fabeln und Wundersagen früherer Zei¬
ten zu verdrängen, und selbst Gebildete glaubten, daß das atlantische Meer in
gewisser Entfernung von der Küste für Schiffe undurchdringlich, daß die Berg-
wildniß des Atlas von Panem und Satyrn bewohnt, daß die Wüste Jnnerafnkas
im eigentlichsten Sinne des Worts unnahbar glühend sei. der Sagen von einem
seligen, Hyperboräerlande im Norden mit ewigem Frühling und halbjährigen
Tag nicht zu gedenken.

Selbst innerhalb derj Grenzen der bekannten Welt beschränkten sich die
meisten Reisen auf ein verhältnißmäßig enges Gebiet. Aus dem römischen Reich
wagen sich, Kaufleute ausgenommen, offenbar nur sehr Wenige. Strabo meint,
daß nicht leicht ein Geograph so weit herumgekommen sein möchte als er, und


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[0294] Athen, hatte in allen heiligen Wettkämpfen von den capitolinischen bis zu denen in Antiochia Kränze gewonnen. Jene Feste und Schauspiele aber zogen auch immer eine Menge von Zu¬ schauern von nah und fern herbei, und bei den pythischen Spielen kam noch zu Gellius Zeit fast ganz Griechenland zusammen. Desgleichen übten religiöse Feierlichkeiten wie die der eleusinischen Mysterien noch immer eine große Anziehungs¬ kraft, auch auf Römer, aus. Endlich waren Reisen zur Wiedererlangung der Gesundheit sowie bloße Zerstreuungs- und Erholungstouren fast so gewöhnlich wie heutzutage. Brustkranke wurden, wenn ihnen nicht der Aufenthalt in Nadelholzwäldern oder eine Milchkur "im Gebirge empfohlen ward, wie jetzt nach Aegypten geschickt. Der Gebrauch der Mineralbäder war sehr allgemein und ein großer Theil der jetzt benutzten Heilquellen schon damals bekannt und stark frequentirt. Wir sehen jetzt mit dem Verfasser von den Reisen ab, die aus den bisher erwähnten Veranlassungen unternommen wurden und betrachten von nun an nur das alte Rom auf Reisen, welches lediglich von Wanderlust, Verlangen nach Veränderung und Wünschen nach neuen Eindrücken bewegt wurde und so die Meinung Plinius zu bestätigen schien, der die menschliche Natur „reiselustig und nach Neuem begierig" nennt. Auch diese Classe von Reisenden, die eigent¬ lichen Touristen, war in der Periode, von der wir sprechen, ungemein häufig und sie hatten sogar in Hadrian einen Kaiser zu einem ihrer Vertreter. Indeß würde es ein Irrthum sein, wenn wir annehmen wollten, daß die Unternehmun¬ gen, die aus dem Wandertrieb der Alten hervorgingen, sich auch nur entfernt mit den Entdeckungsfahrten und Weltwanderungen unserer Tage vergleichen ließen. Die antiken Reisen beschränkten sich mit sehr geringen Ausnahmen auf die bekannte Welt, und diese blieb für die allermeisten von nahen Grenzen um¬ schlossen, über welche hinauszuschwcifen kaum die Phantasie Verlangen trug. Selbst auf schon mehrfach betretenen Gebieten dieser Grenzen vermochte die Erkundung des Wahren nie völlig die Fabeln und Wundersagen früherer Zei¬ ten zu verdrängen, und selbst Gebildete glaubten, daß das atlantische Meer in gewisser Entfernung von der Küste für Schiffe undurchdringlich, daß die Berg- wildniß des Atlas von Panem und Satyrn bewohnt, daß die Wüste Jnnerafnkas im eigentlichsten Sinne des Worts unnahbar glühend sei. der Sagen von einem seligen, Hyperboräerlande im Norden mit ewigem Frühling und halbjährigen Tag nicht zu gedenken. Selbst innerhalb derj Grenzen der bekannten Welt beschränkten sich die meisten Reisen auf ein verhältnißmäßig enges Gebiet. Aus dem römischen Reich wagen sich, Kaufleute ausgenommen, offenbar nur sehr Wenige. Strabo meint, daß nicht leicht ein Geograph so weit herumgekommen sein möchte als er, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/294>, abgerufen am 28.09.2024.