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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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gemeinte, die er zuerst auf die Bühne brachte, hat seitdem allenthalben, in der
Presse, in den Ständekammern und den Bolksvereinen zu debattiren begonnen.

Wer sind nun die Dichter des Teils vorzugsweise gewesen? Politisch und
religiös unterdrückte Deutsche und Schweizer. Mit ihrer Zeit in Fehde liegend,
suchte ihr nach innen zurückgedrängtes Freiheitsstreben durch die Bearbeitung
der Tellengeschichte einen Ausweg. Nuoff verläßt die faule Priesterstadt Konstanz,
wandert nach dem geistig bewegten Zürich aus. ficht hier für die neue Kirche
zwei Glaubensschlachten mit und schreibt dann sein politisch-religiöses Tendenz¬
stück Teil für seine neuen Mitbürger.

Der berner Stadtbürger Samuel Henzi hat seinen Geist ein halbes Leben
lang gezeitigt und erntet dafür bei seinen berner Oligarchen nichts als die
Landesverweisung. In dieser Zeit des Exils schreibt er sein Trauerspiel Grisler,
kehrt heim, um sich gegen seine politischen Feinde zu verschwören, und w> d
Von ihnen aufs Schaffet geschickt. Als dann um Mitte des vorigen Jahrhunderts
das Licht der Vernunft sogar in die Klöster dringt, als sogar der Papst die
Feder ergreift, um die Aufhebung des Jesuitenordens zu unterzeichnen, da
überläßt sich der luzerner Priester Joh. Jgn. Zimmermann den Schwingungen
der Neuzeit, tritt aus dem Orden, bezieht die protestantische Stadt Bern
und verfaßt seinen Tell. Ambühl ist von allen Uebeln des Jahrhunderts zu¬
gleich heimgesucht; zu Hause von der äußersten Armuth, von der Harttöpsigleit
seiner Bauern, von der Herrschsucht der Ortspfarrer, von dem Kastenstolze der
regierenden Herren gegenüber dem geknechteten toggenburger Unterthan. Die
kühne Antwort des armen Schulmeisters an seine bald darauf verjagten Land¬
vögte ist sein Tell. Nicht anders waren Schillers erste und letzte Dramen ein
öffentlicher Protest gegen geistliche und weltliche Despotie. Mit dem Schauspiel
die Räuber ging Schiller flüchtig aus Schwaben, mit dem Schauspiel Tell sinkt
er zu Weimar in sein Grab. Das Urnerspiel war eine vorfrühe Weissagung
des poetisch zu Erfüllenden, Schillers Tell ist ihre patriotische und künstlerische
Erfüllung. --




Die Oestreicher im schleslvig-holsteinischen Kriege.
2.

Den der Erholung in hohem Grade bedürftigen gablenzschen Truppen
wurden nach dem Tage vom^Oeversee einige Rasttage vergönnt, und außerdem
änderte man die Marschordnung des Armeecorps dahin ab, daß die beiden


gemeinte, die er zuerst auf die Bühne brachte, hat seitdem allenthalben, in der
Presse, in den Ständekammern und den Bolksvereinen zu debattiren begonnen.

Wer sind nun die Dichter des Teils vorzugsweise gewesen? Politisch und
religiös unterdrückte Deutsche und Schweizer. Mit ihrer Zeit in Fehde liegend,
suchte ihr nach innen zurückgedrängtes Freiheitsstreben durch die Bearbeitung
der Tellengeschichte einen Ausweg. Nuoff verläßt die faule Priesterstadt Konstanz,
wandert nach dem geistig bewegten Zürich aus. ficht hier für die neue Kirche
zwei Glaubensschlachten mit und schreibt dann sein politisch-religiöses Tendenz¬
stück Teil für seine neuen Mitbürger.

Der berner Stadtbürger Samuel Henzi hat seinen Geist ein halbes Leben
lang gezeitigt und erntet dafür bei seinen berner Oligarchen nichts als die
Landesverweisung. In dieser Zeit des Exils schreibt er sein Trauerspiel Grisler,
kehrt heim, um sich gegen seine politischen Feinde zu verschwören, und w> d
Von ihnen aufs Schaffet geschickt. Als dann um Mitte des vorigen Jahrhunderts
das Licht der Vernunft sogar in die Klöster dringt, als sogar der Papst die
Feder ergreift, um die Aufhebung des Jesuitenordens zu unterzeichnen, da
überläßt sich der luzerner Priester Joh. Jgn. Zimmermann den Schwingungen
der Neuzeit, tritt aus dem Orden, bezieht die protestantische Stadt Bern
und verfaßt seinen Tell. Ambühl ist von allen Uebeln des Jahrhunderts zu¬
gleich heimgesucht; zu Hause von der äußersten Armuth, von der Harttöpsigleit
seiner Bauern, von der Herrschsucht der Ortspfarrer, von dem Kastenstolze der
regierenden Herren gegenüber dem geknechteten toggenburger Unterthan. Die
kühne Antwort des armen Schulmeisters an seine bald darauf verjagten Land¬
vögte ist sein Tell. Nicht anders waren Schillers erste und letzte Dramen ein
öffentlicher Protest gegen geistliche und weltliche Despotie. Mit dem Schauspiel
die Räuber ging Schiller flüchtig aus Schwaben, mit dem Schauspiel Tell sinkt
er zu Weimar in sein Grab. Das Urnerspiel war eine vorfrühe Weissagung
des poetisch zu Erfüllenden, Schillers Tell ist ihre patriotische und künstlerische
Erfüllung. —




Die Oestreicher im schleslvig-holsteinischen Kriege.
2.

Den der Erholung in hohem Grade bedürftigen gablenzschen Truppen
wurden nach dem Tage vom^Oeversee einige Rasttage vergönnt, und außerdem
änderte man die Marschordnung des Armeecorps dahin ab, daß die beiden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/279>, abgerufen am 28.09.2024.