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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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wollen wir schwören, keine


Arnold:

Und hier

(aus die Stange deutend)

Vögte mehr in unsern Grenzen zu dulden.


Wilhelm Tell:

Weg mit dem Denkmal unsrer Schande!


Attinghausen:

Laß es stehen, Wilhelm! Es sollte ein Zeichen unsrer Unter¬

drückung sein, durch dich ward es ein Zeichen der Freiheit.


Stauffacher:

Und für die künftigen Zeiten wird es ein Denkmal unsres

Bundes").

Kommt! der Wind hat sich gelegt; die Nacht rückt heran,


Walther Fürst:

wir wollen uns zur Abfahrt ins Rutil fertig machen.


Attinghausen:

Geht, werdet die Stifter eines glücklichen Volkes!


Alle:

Wir sind frei, sind frei! (bieten sich die Hände.)


Tell:

Sind frei! Unsre Nachkommenschaft wird es sein, so lange sie der

Freiheit würdig bleibt.

AmbühlS Tell enthält ausdrücklich keine Frauenrollen, weil er zur Auf¬
führung für Schulknaben geschrieben war. Er mußte also aus die Frauenweis¬
heit der Stauffacherin, auf die Muttergüte in Teils Weib verzichten und diesen
Stoffmangel ersetzen durch die herzgewinnenden Gespräche zwischen Vater und
Kind. Dasselbe that auch Ruoffs Tellenspiel, in welchem Frauenrollen nur
nebenher als eingelegt vorkommen. Im Personenregister des Schillerschen steht
ein Ambühl aus Unterwalden mit genannt, er opponire am Rutil dem Pfarrer
Nösselmann, als dieser vorschlägt, sich zum Schutze gegen den Vogt lieber unter
Oestreichs Oberhoheit zu stellen. In dieser Namenserwähnung liegt freilich ein
bloßer Zufall, und doch ist es ein schöner und treffender; denn er charakterisirt
zugleich Ambühls kirchlich ghibellinische Denkweise. So steht nun des schwei¬
zerischen Schauspieldichters Namen in Schillers Tell verewigt, wie auf mittel¬
alterlichen Grabsteinen zu Füßen der Rittersigur ein Symbol der Treue, des
Begrabenen Knappe, mit ausgehauen liegt.

Der Vollständigkeit des Stoffes wegen seien hier noch zwei dramatische
Arbeiten erwähnt, die unmittelbar vor und nach Erscheinen von Schillers Tell
aufgetreten sind. Die eine fällt nicht in unsre Beurtheilung, sondern trifft
auf Preußen; die andere hat einen schweizerischen Verlagsort nur fälschlich auf
den Titel gesetzt.



In Schillers Tell, S, Act, 1. Scene: ">
Mehre Stimmen: Zerstört das Denkmal der Tyrannenmacht!
Ins Feuer mit ihm!

Walther Fürst: Nein, laßt ihn aufbewahren!
Der Tyrannei mußt' er zum Werkzeug dienen;
Er soll der Freiheit ewig Zeichen sein!

wollen wir schwören, keine


Arnold:

Und hier

(aus die Stange deutend)

Vögte mehr in unsern Grenzen zu dulden.


Wilhelm Tell:

Weg mit dem Denkmal unsrer Schande!


Attinghausen:

Laß es stehen, Wilhelm! Es sollte ein Zeichen unsrer Unter¬

drückung sein, durch dich ward es ein Zeichen der Freiheit.


Stauffacher:

Und für die künftigen Zeiten wird es ein Denkmal unsres

Bundes").

Kommt! der Wind hat sich gelegt; die Nacht rückt heran,


Walther Fürst:

wir wollen uns zur Abfahrt ins Rutil fertig machen.


Attinghausen:

Geht, werdet die Stifter eines glücklichen Volkes!


Alle:

Wir sind frei, sind frei! (bieten sich die Hände.)


Tell:

Sind frei! Unsre Nachkommenschaft wird es sein, so lange sie der

Freiheit würdig bleibt.

AmbühlS Tell enthält ausdrücklich keine Frauenrollen, weil er zur Auf¬
führung für Schulknaben geschrieben war. Er mußte also aus die Frauenweis¬
heit der Stauffacherin, auf die Muttergüte in Teils Weib verzichten und diesen
Stoffmangel ersetzen durch die herzgewinnenden Gespräche zwischen Vater und
Kind. Dasselbe that auch Ruoffs Tellenspiel, in welchem Frauenrollen nur
nebenher als eingelegt vorkommen. Im Personenregister des Schillerschen steht
ein Ambühl aus Unterwalden mit genannt, er opponire am Rutil dem Pfarrer
Nösselmann, als dieser vorschlägt, sich zum Schutze gegen den Vogt lieber unter
Oestreichs Oberhoheit zu stellen. In dieser Namenserwähnung liegt freilich ein
bloßer Zufall, und doch ist es ein schöner und treffender; denn er charakterisirt
zugleich Ambühls kirchlich ghibellinische Denkweise. So steht nun des schwei¬
zerischen Schauspieldichters Namen in Schillers Tell verewigt, wie auf mittel¬
alterlichen Grabsteinen zu Füßen der Rittersigur ein Symbol der Treue, des
Begrabenen Knappe, mit ausgehauen liegt.

Der Vollständigkeit des Stoffes wegen seien hier noch zwei dramatische
Arbeiten erwähnt, die unmittelbar vor und nach Erscheinen von Schillers Tell
aufgetreten sind. Die eine fällt nicht in unsre Beurtheilung, sondern trifft
auf Preußen; die andere hat einen schweizerischen Verlagsort nur fälschlich auf
den Titel gesetzt.



In Schillers Tell, S, Act, 1. Scene: ">
Mehre Stimmen: Zerstört das Denkmal der Tyrannenmacht!
Ins Feuer mit ihm!

Walther Fürst: Nein, laßt ihn aufbewahren!
Der Tyrannei mußt' er zum Werkzeug dienen;
Er soll der Freiheit ewig Zeichen sein!
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[0276] wollen wir schwören, keine Arnold: Und hier (aus die Stange deutend) Vögte mehr in unsern Grenzen zu dulden. Wilhelm Tell: Weg mit dem Denkmal unsrer Schande! Attinghausen: Laß es stehen, Wilhelm! Es sollte ein Zeichen unsrer Unter¬ drückung sein, durch dich ward es ein Zeichen der Freiheit. Stauffacher: Und für die künftigen Zeiten wird es ein Denkmal unsres Bundes"). Kommt! der Wind hat sich gelegt; die Nacht rückt heran, Walther Fürst: wir wollen uns zur Abfahrt ins Rutil fertig machen. Attinghausen: Geht, werdet die Stifter eines glücklichen Volkes! Alle: Wir sind frei, sind frei! (bieten sich die Hände.) Tell: Sind frei! Unsre Nachkommenschaft wird es sein, so lange sie der Freiheit würdig bleibt. AmbühlS Tell enthält ausdrücklich keine Frauenrollen, weil er zur Auf¬ führung für Schulknaben geschrieben war. Er mußte also aus die Frauenweis¬ heit der Stauffacherin, auf die Muttergüte in Teils Weib verzichten und diesen Stoffmangel ersetzen durch die herzgewinnenden Gespräche zwischen Vater und Kind. Dasselbe that auch Ruoffs Tellenspiel, in welchem Frauenrollen nur nebenher als eingelegt vorkommen. Im Personenregister des Schillerschen steht ein Ambühl aus Unterwalden mit genannt, er opponire am Rutil dem Pfarrer Nösselmann, als dieser vorschlägt, sich zum Schutze gegen den Vogt lieber unter Oestreichs Oberhoheit zu stellen. In dieser Namenserwähnung liegt freilich ein bloßer Zufall, und doch ist es ein schöner und treffender; denn er charakterisirt zugleich Ambühls kirchlich ghibellinische Denkweise. So steht nun des schwei¬ zerischen Schauspieldichters Namen in Schillers Tell verewigt, wie auf mittel¬ alterlichen Grabsteinen zu Füßen der Rittersigur ein Symbol der Treue, des Begrabenen Knappe, mit ausgehauen liegt. Der Vollständigkeit des Stoffes wegen seien hier noch zwei dramatische Arbeiten erwähnt, die unmittelbar vor und nach Erscheinen von Schillers Tell aufgetreten sind. Die eine fällt nicht in unsre Beurtheilung, sondern trifft auf Preußen; die andere hat einen schweizerischen Verlagsort nur fälschlich auf den Titel gesetzt. In Schillers Tell, S, Act, 1. Scene: "> Mehre Stimmen: Zerstört das Denkmal der Tyrannenmacht! Ins Feuer mit ihm! Walther Fürst: Nein, laßt ihn aufbewahren! Der Tyrannei mußt' er zum Werkzeug dienen; Er soll der Freiheit ewig Zeichen sein!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/276>, abgerufen am 28.09.2024.