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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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denn er wird Professor der Rhetorik und Poesie zu Bern und stirbt daselbst
9. Januar 1797.

Sein Tell hat nur sieben Personen. Der Schauplatz ist nächst Altorf
zwischen Bergen am Waldstättersee. Folgende kurze Inhaltsangabe, nach Acten
geordnet, läßt erkennen, daß der Verfasser noch gänzlich unbeeinflußt war von
der antiken Dichtkunst, über die er lehrte, und statt englischer Muster, wie Bod-
mer theilweise that, französische Bühnenstücke nachzuahmen suchte.

Erster Aufzug.

Tell hat sich vor dem Hut auf der Stange nicht gebeugt und ist darüber
gefangen genommen worden. Auf den Nach des Urners Meinhard, der Geß-
lers Werkzeug und Teils persönlicher Feind ist, wird Tell unter der erniedrigen¬
den Bedingung losgegeben. daß er knieend vor der Stange öffentliche Abbitte
thue. So hofft sich der Urner Meinhard dafür zu rächen, daß einst Hedwig,
Wernher Staufachers Schwester, seine Liebeswerbung ausgeschlagen und statt
seiner den Tell zum Mann genommen bat.

Zweiter Aufzug.

Hedwig. Teils Frau, schickte ihren Knaben Walther zu Geßler, mit der
Bitte, dem Gemahl die verhängte Demüthigung zu erlassen. Da der Knabe
hübsch ist, schließt der Vogt auf die Schönheit der Mutter und verfügt, diese
habe ihm ihr Gesuch persönlich vorzutragen. Nun aber wird Meinhard auch
noch auf Geßlers Nebenbuhlerschaft eifersüchtig.

Inzwischen haben die drei Eidgenossen ihren Bundesschwur geleistet: es
sollen die Burgen der Vögte überrumpelt und gebrochen, die Vögte zwar am
Leben geschont, aber ausgetrieben werden. Hierzu ist das Volk der drei Länder
vorbereitet, der Landesadel, vom Vorhaben noch ununterrichtet, wird der gelun¬
genen Thatsache freiwillig beitreten.

Dritter Aufzug.

Hedwig und der Knabe Walther bitten Geßlcrn fußfällig, dem Tell die
entehrende Strafe zu erlassen. Auf Geßlers Frage, warum der starrköpfige
Mann nicht selbst mit erscheine, geht der Knabe ab, ihn herbeizuholen. In¬
zwischen wagt der Vogt, die Frau um ihre Gunst zu bitten, so liege Teils
Schicksal in ihrer Hand. Sie verweist ihn keck an jenes Bad, in welchem
jüngst der Vogt Landenberg seine Lust gebüßt hat. Darüber bringt Walther
den Vater herbei. Der Vogt verfügt, der Gemahl einer so frommen Frau,
der Vater eines so vorlauten Sohnes, dieser als Schütze so berühmte Mann
müsse durch ein besonderes Strafmaß ausgezeichnet werden; gleich jetzt solle er
dem Sohne einen Apfel vom Haupte schießen. Um dies aus dem Marktplatz
zu veranstalten, begiebt sich der Vogt hinweg und überläßt die drei ihrem
Schrecken.

In der nun folgenden Scene ist das verschiedene Maß der Empfindung


denn er wird Professor der Rhetorik und Poesie zu Bern und stirbt daselbst
9. Januar 1797.

Sein Tell hat nur sieben Personen. Der Schauplatz ist nächst Altorf
zwischen Bergen am Waldstättersee. Folgende kurze Inhaltsangabe, nach Acten
geordnet, läßt erkennen, daß der Verfasser noch gänzlich unbeeinflußt war von
der antiken Dichtkunst, über die er lehrte, und statt englischer Muster, wie Bod-
mer theilweise that, französische Bühnenstücke nachzuahmen suchte.

Erster Aufzug.

Tell hat sich vor dem Hut auf der Stange nicht gebeugt und ist darüber
gefangen genommen worden. Auf den Nach des Urners Meinhard, der Geß-
lers Werkzeug und Teils persönlicher Feind ist, wird Tell unter der erniedrigen¬
den Bedingung losgegeben. daß er knieend vor der Stange öffentliche Abbitte
thue. So hofft sich der Urner Meinhard dafür zu rächen, daß einst Hedwig,
Wernher Staufachers Schwester, seine Liebeswerbung ausgeschlagen und statt
seiner den Tell zum Mann genommen bat.

Zweiter Aufzug.

Hedwig. Teils Frau, schickte ihren Knaben Walther zu Geßler, mit der
Bitte, dem Gemahl die verhängte Demüthigung zu erlassen. Da der Knabe
hübsch ist, schließt der Vogt auf die Schönheit der Mutter und verfügt, diese
habe ihm ihr Gesuch persönlich vorzutragen. Nun aber wird Meinhard auch
noch auf Geßlers Nebenbuhlerschaft eifersüchtig.

Inzwischen haben die drei Eidgenossen ihren Bundesschwur geleistet: es
sollen die Burgen der Vögte überrumpelt und gebrochen, die Vögte zwar am
Leben geschont, aber ausgetrieben werden. Hierzu ist das Volk der drei Länder
vorbereitet, der Landesadel, vom Vorhaben noch ununterrichtet, wird der gelun¬
genen Thatsache freiwillig beitreten.

Dritter Aufzug.

Hedwig und der Knabe Walther bitten Geßlcrn fußfällig, dem Tell die
entehrende Strafe zu erlassen. Auf Geßlers Frage, warum der starrköpfige
Mann nicht selbst mit erscheine, geht der Knabe ab, ihn herbeizuholen. In¬
zwischen wagt der Vogt, die Frau um ihre Gunst zu bitten, so liege Teils
Schicksal in ihrer Hand. Sie verweist ihn keck an jenes Bad, in welchem
jüngst der Vogt Landenberg seine Lust gebüßt hat. Darüber bringt Walther
den Vater herbei. Der Vogt verfügt, der Gemahl einer so frommen Frau,
der Vater eines so vorlauten Sohnes, dieser als Schütze so berühmte Mann
müsse durch ein besonderes Strafmaß ausgezeichnet werden; gleich jetzt solle er
dem Sohne einen Apfel vom Haupte schießen. Um dies aus dem Marktplatz
zu veranstalten, begiebt sich der Vogt hinweg und überläßt die drei ihrem
Schrecken.

In der nun folgenden Scene ist das verschiedene Maß der Empfindung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/261>, abgerufen am 28.09.2024.