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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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ten sich um 1336 junge Engländer auf, welche der protestantische Kanzler
Cromwell zu ihrer Ausbildung dorthin gesandt hatte. In Köln kam im Jahre
1561 in einem von Hollybush aus dem Deutschen übersetzten Werke über
Apothekerkunst das erste in englischer Sprache geschriebene Werk in Deutschland
heraus. In Helmstädt studirte am Schluß des sechzehnten Jahrhunderts Gilbert
Jack aus Aberdeen, welcher später als Professor in Leyden wirkte.

Die englische Literatur, für die mittlerweile in Chaucer ein Dichter ersten
Ranges erstanden war, und die zu"Anfang des sechzehnten Jahrhunderts bereits
einen nicht unansehnlichen Umfang hatte, wird um diese Zeit kaum in Deutsch¬
land bekannt gewesen sein, wenigstens wissen wir davon kein Beispiel. Gewiß
greift man nicht fehl, wenn man annimmt, daß in allen deutschen Hansestädten,
und nicht blos in den an der See gelegenen, die englische Sprache im sech¬
zehnten Jahrhundert keine unbekannte Größe war, sondern je nach der Lebhaf¬
tigkeit des Verkehrs dieser Städte mit England und den in Deutschland ansässigen
Engländern verstanden und gepflegt wurde. Ebenso sicher jedoch ist, daß diese
Pflege einen vorwiegend praktischen Charakter hatte; allein sie bahnte doch den
Weg zu der späteren Bekanntschaft mit der englischen Literatur, welche sich von
da ab bis auf den heutigen Tag ununterbrochen fortgesetzt hat. Eine epoche¬
machende Erscheinung, welche uns am Ende des sechzehnten Jahrhunderts ent¬
gegentritt, bildet den Uebergang von diesem praktischen Betriebe zum wirklichen
Studium. Dies ist das Auftreten der sogenannten englischen Komödianten,
welche, über die Niederlande kommend, sich schnell über ganz Deutschland ver¬
breiteten und den entschiedensten Einfluß auf dessen Bühne ausübten. Nun
sind sehr verschiedene Ansichten über dieselben geltend gemacht worden, und
man hat bezweifelt, daß sie wirkliche Engländer gewesen oder, wenn dies zu¬
gegeben wurde, daß sie sich bei ihren Darstellungen der englischen Sprache be¬
dient hätten. Der Verfasser unsrer Schrift ist aber der Meinung, und wir
stimmen ihm darin bei, daß beides kaum in Abrede zu stellen sein wird, daß
wenigstens die ersten Truppen dieser Schauspieler ursprünglich geborne Engländer
waren, und daß sie anfangs englische Stücke aufführten -- Behauptungen,
deren Begründung wir in dein Buche selbst nachzulesen bitten, und in Betreff
deren wir nach einer Notiz in Köhlers "Kunst über alle Künste" (vgl. Grenzv.
1864, Heft 20) demnächst ausführliche Mittheilungen zu erwarten haben.

Auch zu Muthmaßungen über das englische Repertoir dieser Komödianten,
die sich später allerdings vollkommen verdeutschten, werden wir durch englische
Angaben sowie durch die Bearbeitungen Ayrers, des Herzogs Heinrich Julius
von Braunschweig und des Verfassers der "Kunst über alle Künste" in den
Stand gesetzt. Wie erratische Blöcke haben sich vorzüglich in hansestädtischen
Bibliotheken einzelne englische Bücher erhalten, welche sehr wahrscheinlich dem
damaligen Verkehr mit England entstammen, und deren Inhalt vorzugsweise


ten sich um 1336 junge Engländer auf, welche der protestantische Kanzler
Cromwell zu ihrer Ausbildung dorthin gesandt hatte. In Köln kam im Jahre
1561 in einem von Hollybush aus dem Deutschen übersetzten Werke über
Apothekerkunst das erste in englischer Sprache geschriebene Werk in Deutschland
heraus. In Helmstädt studirte am Schluß des sechzehnten Jahrhunderts Gilbert
Jack aus Aberdeen, welcher später als Professor in Leyden wirkte.

Die englische Literatur, für die mittlerweile in Chaucer ein Dichter ersten
Ranges erstanden war, und die zu"Anfang des sechzehnten Jahrhunderts bereits
einen nicht unansehnlichen Umfang hatte, wird um diese Zeit kaum in Deutsch¬
land bekannt gewesen sein, wenigstens wissen wir davon kein Beispiel. Gewiß
greift man nicht fehl, wenn man annimmt, daß in allen deutschen Hansestädten,
und nicht blos in den an der See gelegenen, die englische Sprache im sech¬
zehnten Jahrhundert keine unbekannte Größe war, sondern je nach der Lebhaf¬
tigkeit des Verkehrs dieser Städte mit England und den in Deutschland ansässigen
Engländern verstanden und gepflegt wurde. Ebenso sicher jedoch ist, daß diese
Pflege einen vorwiegend praktischen Charakter hatte; allein sie bahnte doch den
Weg zu der späteren Bekanntschaft mit der englischen Literatur, welche sich von
da ab bis auf den heutigen Tag ununterbrochen fortgesetzt hat. Eine epoche¬
machende Erscheinung, welche uns am Ende des sechzehnten Jahrhunderts ent¬
gegentritt, bildet den Uebergang von diesem praktischen Betriebe zum wirklichen
Studium. Dies ist das Auftreten der sogenannten englischen Komödianten,
welche, über die Niederlande kommend, sich schnell über ganz Deutschland ver¬
breiteten und den entschiedensten Einfluß auf dessen Bühne ausübten. Nun
sind sehr verschiedene Ansichten über dieselben geltend gemacht worden, und
man hat bezweifelt, daß sie wirkliche Engländer gewesen oder, wenn dies zu¬
gegeben wurde, daß sie sich bei ihren Darstellungen der englischen Sprache be¬
dient hätten. Der Verfasser unsrer Schrift ist aber der Meinung, und wir
stimmen ihm darin bei, daß beides kaum in Abrede zu stellen sein wird, daß
wenigstens die ersten Truppen dieser Schauspieler ursprünglich geborne Engländer
waren, und daß sie anfangs englische Stücke aufführten — Behauptungen,
deren Begründung wir in dein Buche selbst nachzulesen bitten, und in Betreff
deren wir nach einer Notiz in Köhlers „Kunst über alle Künste" (vgl. Grenzv.
1864, Heft 20) demnächst ausführliche Mittheilungen zu erwarten haben.

Auch zu Muthmaßungen über das englische Repertoir dieser Komödianten,
die sich später allerdings vollkommen verdeutschten, werden wir durch englische
Angaben sowie durch die Bearbeitungen Ayrers, des Herzogs Heinrich Julius
von Braunschweig und des Verfassers der „Kunst über alle Künste" in den
Stand gesetzt. Wie erratische Blöcke haben sich vorzüglich in hansestädtischen
Bibliotheken einzelne englische Bücher erhalten, welche sehr wahrscheinlich dem
damaligen Verkehr mit England entstammen, und deren Inhalt vorzugsweise


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/250>, abgerufen am 20.10.2024.