Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Organe des neuen Regiments, namentlich die mit der Leitung der Defensions-
geschäfte betrauten Personen, verständige und kluge Männer sein müssen; wir
erfahren aber aus einer ebenfalls am 25. September ergangnen Verordnung
gerade das Gegentheil. Es wird ihnen daselbst vorgeworfen, daß sie "statt den
Civil- und Cameralämtern zur Aufrechthaltung des so nothwendigen Ansehens
die gehörige Assistenz zu leisten, sich vielmehr beigehen lassen, nicht nur in
politische Gegenstände sich einzumischen, sondern selbst in Kassasachen die aus¬
schweifendsten Anmaßungen sich erlauben". Diese Sprache des Obercomman-
danten kennzeichnet den Stand der Dinge. ,

Um auf die Einrichtung der Landesvertheidigung näher einzugehen, muß
man vernehmen, wie des Obercommandanten Kanzlei, Kriegsrath und Hof¬
haltung beschaffen, wie er selbst hohe Politik trieb, welche Operationen, und
durch wem er sie ausführen ließ. Eine seiner ersten Ordonnanzen im Kriegs¬
wesen war die am 18. August erlassene Aufforderung, alle erbeuteten "Pferde.
Sättel und Zeug, dann Gewehre, Munition und Kanonen" an die Obrigkeiten
einzuliefern; dieser folgte am nächsten Tage eine andere, die den zurückgebliebe¬
nen, selbst ranzionirten Militaristen befahl, sich beim Obersten Freiherrn v. Lux-
heim, einem Abenteurer, der sich diesen Titel selber beilegte, zu stellen, damit
sie von ihm "wiederum gehörig armirt. dienstfähig gemacht und mit allem
Nöthigen versorgt werden". Er hatte hierbei vorzüglich die Absicht, ein kleines
Reitercorps zu bilden, wofür er kurz nachher vom bozener Handelsstande die
vollständige Ausrüstung für 30 Mann und von der Stadt Meran 30 Rene"
mantel erhielt. Trotz alles Bemühens konnte diese grün und roth uniformirte
Garde nur auf 100 Mann gebracht werden, sie bestand meist aus den Ueber¬
läufern, benahm sich gegen jedermann roh und ausgelassen und veranlaßte
überall die gerechtesten Klagen. Vor allem sollte sie den Ordonnanzdienst ver¬
sehen, da die Korrespondenz des Obercommandanten vielfach von seinen eignen
Leuten erbrochen wurde, wie er sich dies früher selbst mit Chastelers Depeschen
erlaubt hatte. In der Wirklichkeit diente sie hauptsächlich zur Parade, Hofer
dünkte sich der Stellvertreter des Kaisers, übte als solcher die Majestätsrechtc,
begnadigte Verbrecher, namentlich einen des Mordes geständigen Wilddieb,
und schlug Silberzwanziger, auf die er neben dem tiroler Adler die Anfangs¬
buchstaben seines Namens setzte; ein ähnliches Siegel führte er auch als Ober-
commandant. Die hohen Begriffe, die er von seinem Amte hatte, hinderten
ihn jedoch nicht, seine Kanzlei einem Schullehrer von Schlanders, den er zu
seinem Adjutanten erkor, anzuvertrauen. Seine Kasse führte Johann Holzknecht,
der Gastwirth von Se. Leonhard in Passeier. Sein Kriegsrath bestand aus
einigen reichen Bauern der meraner Gegend, die von Zeit zu Zeit mit anderen
wechselten und wohl auch eiuen halbverrückten Passcirer, Karl Thurmwalder,
unter sich litten, der immerfort versicherte: "die Engel wollen Blut sehen".


Organe des neuen Regiments, namentlich die mit der Leitung der Defensions-
geschäfte betrauten Personen, verständige und kluge Männer sein müssen; wir
erfahren aber aus einer ebenfalls am 25. September ergangnen Verordnung
gerade das Gegentheil. Es wird ihnen daselbst vorgeworfen, daß sie „statt den
Civil- und Cameralämtern zur Aufrechthaltung des so nothwendigen Ansehens
die gehörige Assistenz zu leisten, sich vielmehr beigehen lassen, nicht nur in
politische Gegenstände sich einzumischen, sondern selbst in Kassasachen die aus¬
schweifendsten Anmaßungen sich erlauben". Diese Sprache des Obercomman-
danten kennzeichnet den Stand der Dinge. ,

Um auf die Einrichtung der Landesvertheidigung näher einzugehen, muß
man vernehmen, wie des Obercommandanten Kanzlei, Kriegsrath und Hof¬
haltung beschaffen, wie er selbst hohe Politik trieb, welche Operationen, und
durch wem er sie ausführen ließ. Eine seiner ersten Ordonnanzen im Kriegs¬
wesen war die am 18. August erlassene Aufforderung, alle erbeuteten „Pferde.
Sättel und Zeug, dann Gewehre, Munition und Kanonen" an die Obrigkeiten
einzuliefern; dieser folgte am nächsten Tage eine andere, die den zurückgebliebe¬
nen, selbst ranzionirten Militaristen befahl, sich beim Obersten Freiherrn v. Lux-
heim, einem Abenteurer, der sich diesen Titel selber beilegte, zu stellen, damit
sie von ihm „wiederum gehörig armirt. dienstfähig gemacht und mit allem
Nöthigen versorgt werden". Er hatte hierbei vorzüglich die Absicht, ein kleines
Reitercorps zu bilden, wofür er kurz nachher vom bozener Handelsstande die
vollständige Ausrüstung für 30 Mann und von der Stadt Meran 30 Rene»
mantel erhielt. Trotz alles Bemühens konnte diese grün und roth uniformirte
Garde nur auf 100 Mann gebracht werden, sie bestand meist aus den Ueber¬
läufern, benahm sich gegen jedermann roh und ausgelassen und veranlaßte
überall die gerechtesten Klagen. Vor allem sollte sie den Ordonnanzdienst ver¬
sehen, da die Korrespondenz des Obercommandanten vielfach von seinen eignen
Leuten erbrochen wurde, wie er sich dies früher selbst mit Chastelers Depeschen
erlaubt hatte. In der Wirklichkeit diente sie hauptsächlich zur Parade, Hofer
dünkte sich der Stellvertreter des Kaisers, übte als solcher die Majestätsrechtc,
begnadigte Verbrecher, namentlich einen des Mordes geständigen Wilddieb,
und schlug Silberzwanziger, auf die er neben dem tiroler Adler die Anfangs¬
buchstaben seines Namens setzte; ein ähnliches Siegel führte er auch als Ober-
commandant. Die hohen Begriffe, die er von seinem Amte hatte, hinderten
ihn jedoch nicht, seine Kanzlei einem Schullehrer von Schlanders, den er zu
seinem Adjutanten erkor, anzuvertrauen. Seine Kasse führte Johann Holzknecht,
der Gastwirth von Se. Leonhard in Passeier. Sein Kriegsrath bestand aus
einigen reichen Bauern der meraner Gegend, die von Zeit zu Zeit mit anderen
wechselten und wohl auch eiuen halbverrückten Passcirer, Karl Thurmwalder,
unter sich litten, der immerfort versicherte: „die Engel wollen Blut sehen".


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189118"/>
          <p xml:id="ID_34" prev="#ID_33"> Organe des neuen Regiments, namentlich die mit der Leitung der Defensions-<lb/>
geschäfte betrauten Personen, verständige und kluge Männer sein müssen; wir<lb/>
erfahren aber aus einer ebenfalls am 25. September ergangnen Verordnung<lb/>
gerade das Gegentheil. Es wird ihnen daselbst vorgeworfen, daß sie &#x201E;statt den<lb/>
Civil- und Cameralämtern zur Aufrechthaltung des so nothwendigen Ansehens<lb/>
die gehörige Assistenz zu leisten, sich vielmehr beigehen lassen, nicht nur in<lb/>
politische Gegenstände sich einzumischen, sondern selbst in Kassasachen die aus¬<lb/>
schweifendsten Anmaßungen sich erlauben". Diese Sprache des Obercomman-<lb/>
danten kennzeichnet den Stand der Dinge. ,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_35" next="#ID_36"> Um auf die Einrichtung der Landesvertheidigung näher einzugehen, muß<lb/>
man vernehmen, wie des Obercommandanten Kanzlei, Kriegsrath und Hof¬<lb/>
haltung beschaffen, wie er selbst hohe Politik trieb, welche Operationen, und<lb/>
durch wem er sie ausführen ließ. Eine seiner ersten Ordonnanzen im Kriegs¬<lb/>
wesen war die am 18. August erlassene Aufforderung, alle erbeuteten &#x201E;Pferde.<lb/>
Sättel und Zeug, dann Gewehre, Munition und Kanonen" an die Obrigkeiten<lb/>
einzuliefern; dieser folgte am nächsten Tage eine andere, die den zurückgebliebe¬<lb/>
nen, selbst ranzionirten Militaristen befahl, sich beim Obersten Freiherrn v. Lux-<lb/>
heim, einem Abenteurer, der sich diesen Titel selber beilegte, zu stellen, damit<lb/>
sie von ihm &#x201E;wiederum gehörig armirt. dienstfähig gemacht und mit allem<lb/>
Nöthigen versorgt werden". Er hatte hierbei vorzüglich die Absicht, ein kleines<lb/>
Reitercorps zu bilden, wofür er kurz nachher vom bozener Handelsstande die<lb/>
vollständige Ausrüstung für 30 Mann und von der Stadt Meran 30 Rene»<lb/>
mantel erhielt. Trotz alles Bemühens konnte diese grün und roth uniformirte<lb/>
Garde nur auf 100 Mann gebracht werden, sie bestand meist aus den Ueber¬<lb/>
läufern, benahm sich gegen jedermann roh und ausgelassen und veranlaßte<lb/>
überall die gerechtesten Klagen. Vor allem sollte sie den Ordonnanzdienst ver¬<lb/>
sehen, da die Korrespondenz des Obercommandanten vielfach von seinen eignen<lb/>
Leuten erbrochen wurde, wie er sich dies früher selbst mit Chastelers Depeschen<lb/>
erlaubt hatte. In der Wirklichkeit diente sie hauptsächlich zur Parade, Hofer<lb/>
dünkte sich der Stellvertreter des Kaisers, übte als solcher die Majestätsrechtc,<lb/>
begnadigte Verbrecher, namentlich einen des Mordes geständigen Wilddieb,<lb/>
und schlug Silberzwanziger, auf die er neben dem tiroler Adler die Anfangs¬<lb/>
buchstaben seines Namens setzte; ein ähnliches Siegel führte er auch als Ober-<lb/>
commandant. Die hohen Begriffe, die er von seinem Amte hatte, hinderten<lb/>
ihn jedoch nicht, seine Kanzlei einem Schullehrer von Schlanders, den er zu<lb/>
seinem Adjutanten erkor, anzuvertrauen. Seine Kasse führte Johann Holzknecht,<lb/>
der Gastwirth von Se. Leonhard in Passeier. Sein Kriegsrath bestand aus<lb/>
einigen reichen Bauern der meraner Gegend, die von Zeit zu Zeit mit anderen<lb/>
wechselten und wohl auch eiuen halbverrückten Passcirer, Karl Thurmwalder,<lb/>
unter sich litten, der immerfort versicherte: &#x201E;die Engel wollen Blut sehen".</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] Organe des neuen Regiments, namentlich die mit der Leitung der Defensions- geschäfte betrauten Personen, verständige und kluge Männer sein müssen; wir erfahren aber aus einer ebenfalls am 25. September ergangnen Verordnung gerade das Gegentheil. Es wird ihnen daselbst vorgeworfen, daß sie „statt den Civil- und Cameralämtern zur Aufrechthaltung des so nothwendigen Ansehens die gehörige Assistenz zu leisten, sich vielmehr beigehen lassen, nicht nur in politische Gegenstände sich einzumischen, sondern selbst in Kassasachen die aus¬ schweifendsten Anmaßungen sich erlauben". Diese Sprache des Obercomman- danten kennzeichnet den Stand der Dinge. , Um auf die Einrichtung der Landesvertheidigung näher einzugehen, muß man vernehmen, wie des Obercommandanten Kanzlei, Kriegsrath und Hof¬ haltung beschaffen, wie er selbst hohe Politik trieb, welche Operationen, und durch wem er sie ausführen ließ. Eine seiner ersten Ordonnanzen im Kriegs¬ wesen war die am 18. August erlassene Aufforderung, alle erbeuteten „Pferde. Sättel und Zeug, dann Gewehre, Munition und Kanonen" an die Obrigkeiten einzuliefern; dieser folgte am nächsten Tage eine andere, die den zurückgebliebe¬ nen, selbst ranzionirten Militaristen befahl, sich beim Obersten Freiherrn v. Lux- heim, einem Abenteurer, der sich diesen Titel selber beilegte, zu stellen, damit sie von ihm „wiederum gehörig armirt. dienstfähig gemacht und mit allem Nöthigen versorgt werden". Er hatte hierbei vorzüglich die Absicht, ein kleines Reitercorps zu bilden, wofür er kurz nachher vom bozener Handelsstande die vollständige Ausrüstung für 30 Mann und von der Stadt Meran 30 Rene» mantel erhielt. Trotz alles Bemühens konnte diese grün und roth uniformirte Garde nur auf 100 Mann gebracht werden, sie bestand meist aus den Ueber¬ läufern, benahm sich gegen jedermann roh und ausgelassen und veranlaßte überall die gerechtesten Klagen. Vor allem sollte sie den Ordonnanzdienst ver¬ sehen, da die Korrespondenz des Obercommandanten vielfach von seinen eignen Leuten erbrochen wurde, wie er sich dies früher selbst mit Chastelers Depeschen erlaubt hatte. In der Wirklichkeit diente sie hauptsächlich zur Parade, Hofer dünkte sich der Stellvertreter des Kaisers, übte als solcher die Majestätsrechtc, begnadigte Verbrecher, namentlich einen des Mordes geständigen Wilddieb, und schlug Silberzwanziger, auf die er neben dem tiroler Adler die Anfangs¬ buchstaben seines Namens setzte; ein ähnliches Siegel führte er auch als Ober- commandant. Die hohen Begriffe, die er von seinem Amte hatte, hinderten ihn jedoch nicht, seine Kanzlei einem Schullehrer von Schlanders, den er zu seinem Adjutanten erkor, anzuvertrauen. Seine Kasse führte Johann Holzknecht, der Gastwirth von Se. Leonhard in Passeier. Sein Kriegsrath bestand aus einigen reichen Bauern der meraner Gegend, die von Zeit zu Zeit mit anderen wechselten und wohl auch eiuen halbverrückten Passcirer, Karl Thurmwalder, unter sich litten, der immerfort versicherte: „die Engel wollen Blut sehen".

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/23>, abgerufen am 28.09.2024.