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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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der Verfassung, namentlich in ihren Vorschriften über die Wahlen zur Stände¬
versammlung und über die Zusammensetzung der letzteren, dies waren der Reihe
nach die in Bezug auf die innern Fragen ausgedrückten Wünsche, und dazu
kam noch zuletzt ein Paragraph, der von constitutionellen Geist erfüllte Minister
verlangte und verständlich genug den jetzigen Räthen der Krone galt. Ein
Amendement, das ein directes Mißtrauensvotum gegen die Minister aussprach,
erhielt 13 Stimmen der äußersten Linken. Gegen die Stelle über die Ver¬
fassungsreform wehrten sich die privilegirten Ritter und Prälaten mit Händen
und Füßen. Gleichwohl mußten auch sie in ihrem Amendement von einer
Reform der Verfassung im Allgemeinen reden. Der Kampf wurde hier, wo
ein Theil der' Anwesenden sich um die eigne Haut wehrte, sehr lebhaft und
endigte damit, daß die konservative Minorität es bei der Abstimmung über
diesen Passus.bis auf 38 Stimmen brachte.

Aber ihr eigentliches Gepräge erhielt die Adresse von den Abschnitten über
die Schleswig-holsteinische und die deutsche Frage, welche mit Fug und Recht an
der Spitze standen. Der Entwurf sprach den Stolz der Nation auf die tapfe¬
ren Thaten der östreichischen und preußischen Armee aus, verlangte aber "unter
gleichzeitiger Sicherstellung der Interessen Gesammtdeutschlands" die Constituirung
Schleswig-Holsteins als selbständigen Staats unter Herzog Friedrich und for¬
derte die Regierung inständig auf, für diese einzig befriedigende Lösung mit
Kraft und Nachdruck einzutreten. Hier platzten die Gegensätze in der deutschen
Frage aufeinander. Daß der Heere unserer Großmächte rühmend Erwähnung
gethan wurde, wurmte Herrn Oesterlen, den radicalen Triaspolitiker, der, auf
dem Niveau der Beobachtcrspvlitik stehend, sich zum speciellen Anwalt der "rein-
deutschen" Politik der Mittelstaaten gegenüber der Sonderpolitik der Großmächte
gemacht hat und demgemäß den Zusatzantrag einbrachte: der König wolle auf
ein Bündniß der befreundeten Mittelstaaten gegenüber dem Particularismus
von Oestreich und Preußen hinwirken. Herr Oesterlen stand damit auf einem
Standpunkt, der allerdings vor dreiviertel Jahren von wohlmeinenden Politikern
eingenommen werden konnte, aber nur allzubald ein Dementi an der Wucht
der Thatsachen erhielt. Damals horte man ja nicht blos in Süddeutschland
die Phrase: Deutschland sei im Lager der Mittel- und Kleinstaaten. Aber wie
weit liegen jene Zeiten zurück! Wie ist jene Phrase durch die Thaten von Düppel
und Alsen und durch das schrittweise Zurückweichen der Triasgruppe, durch die
klägliche Reihe von Bundesbcscblüssen zur bitteren Ironie geworden! Herr
Oesterlen handelte wahrlich nicht im Interesse seiner Clienten, wenn er an jene
schnell entschwundenen Flitterwochen der Mittelstaatcnpolitik und damit an die
ganze jammervolle Geschichte ihrer Abdication erinnerte. Schon als am 26. Feb.
d. I. die Kammer mit kleiner Majorität den v. schadschcn Antrag annahm,
der ein Bündniß der kleineren Staaten empfahl, geschah dies in so kleinlauter


der Verfassung, namentlich in ihren Vorschriften über die Wahlen zur Stände¬
versammlung und über die Zusammensetzung der letzteren, dies waren der Reihe
nach die in Bezug auf die innern Fragen ausgedrückten Wünsche, und dazu
kam noch zuletzt ein Paragraph, der von constitutionellen Geist erfüllte Minister
verlangte und verständlich genug den jetzigen Räthen der Krone galt. Ein
Amendement, das ein directes Mißtrauensvotum gegen die Minister aussprach,
erhielt 13 Stimmen der äußersten Linken. Gegen die Stelle über die Ver¬
fassungsreform wehrten sich die privilegirten Ritter und Prälaten mit Händen
und Füßen. Gleichwohl mußten auch sie in ihrem Amendement von einer
Reform der Verfassung im Allgemeinen reden. Der Kampf wurde hier, wo
ein Theil der' Anwesenden sich um die eigne Haut wehrte, sehr lebhaft und
endigte damit, daß die konservative Minorität es bei der Abstimmung über
diesen Passus.bis auf 38 Stimmen brachte.

Aber ihr eigentliches Gepräge erhielt die Adresse von den Abschnitten über
die Schleswig-holsteinische und die deutsche Frage, welche mit Fug und Recht an
der Spitze standen. Der Entwurf sprach den Stolz der Nation auf die tapfe¬
ren Thaten der östreichischen und preußischen Armee aus, verlangte aber „unter
gleichzeitiger Sicherstellung der Interessen Gesammtdeutschlands" die Constituirung
Schleswig-Holsteins als selbständigen Staats unter Herzog Friedrich und for¬
derte die Regierung inständig auf, für diese einzig befriedigende Lösung mit
Kraft und Nachdruck einzutreten. Hier platzten die Gegensätze in der deutschen
Frage aufeinander. Daß der Heere unserer Großmächte rühmend Erwähnung
gethan wurde, wurmte Herrn Oesterlen, den radicalen Triaspolitiker, der, auf
dem Niveau der Beobachtcrspvlitik stehend, sich zum speciellen Anwalt der „rein-
deutschen" Politik der Mittelstaaten gegenüber der Sonderpolitik der Großmächte
gemacht hat und demgemäß den Zusatzantrag einbrachte: der König wolle auf
ein Bündniß der befreundeten Mittelstaaten gegenüber dem Particularismus
von Oestreich und Preußen hinwirken. Herr Oesterlen stand damit auf einem
Standpunkt, der allerdings vor dreiviertel Jahren von wohlmeinenden Politikern
eingenommen werden konnte, aber nur allzubald ein Dementi an der Wucht
der Thatsachen erhielt. Damals horte man ja nicht blos in Süddeutschland
die Phrase: Deutschland sei im Lager der Mittel- und Kleinstaaten. Aber wie
weit liegen jene Zeiten zurück! Wie ist jene Phrase durch die Thaten von Düppel
und Alsen und durch das schrittweise Zurückweichen der Triasgruppe, durch die
klägliche Reihe von Bundesbcscblüssen zur bitteren Ironie geworden! Herr
Oesterlen handelte wahrlich nicht im Interesse seiner Clienten, wenn er an jene
schnell entschwundenen Flitterwochen der Mittelstaatcnpolitik und damit an die
ganze jammervolle Geschichte ihrer Abdication erinnerte. Schon als am 26. Feb.
d. I. die Kammer mit kleiner Majorität den v. schadschcn Antrag annahm,
der ein Bündniß der kleineren Staaten empfahl, geschah dies in so kleinlauter


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[0226] der Verfassung, namentlich in ihren Vorschriften über die Wahlen zur Stände¬ versammlung und über die Zusammensetzung der letzteren, dies waren der Reihe nach die in Bezug auf die innern Fragen ausgedrückten Wünsche, und dazu kam noch zuletzt ein Paragraph, der von constitutionellen Geist erfüllte Minister verlangte und verständlich genug den jetzigen Räthen der Krone galt. Ein Amendement, das ein directes Mißtrauensvotum gegen die Minister aussprach, erhielt 13 Stimmen der äußersten Linken. Gegen die Stelle über die Ver¬ fassungsreform wehrten sich die privilegirten Ritter und Prälaten mit Händen und Füßen. Gleichwohl mußten auch sie in ihrem Amendement von einer Reform der Verfassung im Allgemeinen reden. Der Kampf wurde hier, wo ein Theil der' Anwesenden sich um die eigne Haut wehrte, sehr lebhaft und endigte damit, daß die konservative Minorität es bei der Abstimmung über diesen Passus.bis auf 38 Stimmen brachte. Aber ihr eigentliches Gepräge erhielt die Adresse von den Abschnitten über die Schleswig-holsteinische und die deutsche Frage, welche mit Fug und Recht an der Spitze standen. Der Entwurf sprach den Stolz der Nation auf die tapfe¬ ren Thaten der östreichischen und preußischen Armee aus, verlangte aber „unter gleichzeitiger Sicherstellung der Interessen Gesammtdeutschlands" die Constituirung Schleswig-Holsteins als selbständigen Staats unter Herzog Friedrich und for¬ derte die Regierung inständig auf, für diese einzig befriedigende Lösung mit Kraft und Nachdruck einzutreten. Hier platzten die Gegensätze in der deutschen Frage aufeinander. Daß der Heere unserer Großmächte rühmend Erwähnung gethan wurde, wurmte Herrn Oesterlen, den radicalen Triaspolitiker, der, auf dem Niveau der Beobachtcrspvlitik stehend, sich zum speciellen Anwalt der „rein- deutschen" Politik der Mittelstaaten gegenüber der Sonderpolitik der Großmächte gemacht hat und demgemäß den Zusatzantrag einbrachte: der König wolle auf ein Bündniß der befreundeten Mittelstaaten gegenüber dem Particularismus von Oestreich und Preußen hinwirken. Herr Oesterlen stand damit auf einem Standpunkt, der allerdings vor dreiviertel Jahren von wohlmeinenden Politikern eingenommen werden konnte, aber nur allzubald ein Dementi an der Wucht der Thatsachen erhielt. Damals horte man ja nicht blos in Süddeutschland die Phrase: Deutschland sei im Lager der Mittel- und Kleinstaaten. Aber wie weit liegen jene Zeiten zurück! Wie ist jene Phrase durch die Thaten von Düppel und Alsen und durch das schrittweise Zurückweichen der Triasgruppe, durch die klägliche Reihe von Bundesbcscblüssen zur bitteren Ironie geworden! Herr Oesterlen handelte wahrlich nicht im Interesse seiner Clienten, wenn er an jene schnell entschwundenen Flitterwochen der Mittelstaatcnpolitik und damit an die ganze jammervolle Geschichte ihrer Abdication erinnerte. Schon als am 26. Feb. d. I. die Kammer mit kleiner Majorität den v. schadschcn Antrag annahm, der ein Bündniß der kleineren Staaten empfahl, geschah dies in so kleinlauter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/226>, abgerufen am 28.09.2024.