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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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An einen Operationsplan dachte niemand, doch war dies vielleicht ein
Vortheil. Die östreichische Taktik lebte gleich der östreichischen Politik von der
Hand in den Mund, und es wurde also wenigstens nichts verdorben. Ebenso¬
wenig dachte man an eine Verstärkung. Man lebte in der festen Ueberzeugung,
mehr als das Genügende gethan zu haben, auch mochte man fühlen, das; man
die letzten Kräfte erschöpft habe.

Die Vorkehrungen, welche man auf östreichischer Seite getroffen hatte,
ließen also keine günstigen Resultate erwarten, und wären die Kaiserlichen allein
gewesen oder wäre ihnen die Leitung des Ganzen übertragen worden, der
"tappere Landsoldat" stände vermuthlich noch heute in Düppel, Fridcricia und
Alsen, wenigstens hätte der Krieg die dreifache Zahl von Opfern gefordert.

Der Abmarsch der Truppen erfolgte erst in der zweiten Hälfte des Januar,
nur die Brigade Gvndrecvurt rückte schon im December ab und bildete dann
die Avantgarde deS Ganzen. Nach unsern Nachrichten hätte es dem gablenz-
schen Corps selbst noch zu Ende des Januar übel ergehen können, wenn die
Dänen ihren Vortheil besser verstanden und die Offensive ergriffen hätten; denn
die Oestreicher waren durchaus nicht in schlagfertiger Verfassung.

Die erste Heldenthat der kaiserlichen Armee war das bekannte brüske Ein¬
schreiten Gondrecourts gegen die Hamburger Turner. Die Drohung des Gene¬
rals war keineswegs eine leere Gasconnadc, sondern man darf überzeugt sein,
daß Gvndrecvurt ohne Bedenken, ja mit Behagen auf 1 jene "demokratische
Bagage" hätte Feuer geben lassen und daß seine Polen und Magyaren diesem
Befehle mit größter Pünktlichkeit nachgekommen sein würden. Waren doch die
Dänen in den Augen dieser letzteren nur eine andere Gattung "Schwaben".
Die von einem besonders gut östreichisch gesinnten Blatte erzählte Anekdote
von einem ungarischen Soldaten ist für den Geist, welcher diese Truppen be¬
seelte, bezeichnend genug. Dieser Soldat fragte seinen Unteroffizier, ob es.
sobald nur erst die dänischen Schwaben geklopft sein würden, auch ganz gewiß
mit den andern Schwaben (den sächsischen und hannoverschen Truppen!) los¬
gehen würde.

Indessen scheint, da selbst unter den eigenen Offizieren sich Zeichen der Mi߬
billigung über Gondrecourts Verfahren vernehmen ließen, dem letzteren von der
Regierung in Wien größere Mäßigung anempfohlen worden zu sein.

Zögernd rückten endlich die Kaiserlichen über die holsteinische Grenze und
bis nach Rendsburg vor, wo sie den im Krvnwerk befindlichen Dänen einige
Tage lang Gewehr im Arm ruhig gegenüberstanden. Feldmarschall Wrangel
machte dem weiteren Zuwarten ein Ende, indem er den Vormarsch der alliirten
Armee sofort nach dem Ablaufe der den Dänen gestellten letzten Frist, also aus
den 1. Februar anbefahl, was wohl dem General v. Gablcnz und seinen Sol¬
daten, nicht aber den Herren in Wien erwünscht sein möchte.


An einen Operationsplan dachte niemand, doch war dies vielleicht ein
Vortheil. Die östreichische Taktik lebte gleich der östreichischen Politik von der
Hand in den Mund, und es wurde also wenigstens nichts verdorben. Ebenso¬
wenig dachte man an eine Verstärkung. Man lebte in der festen Ueberzeugung,
mehr als das Genügende gethan zu haben, auch mochte man fühlen, das; man
die letzten Kräfte erschöpft habe.

Die Vorkehrungen, welche man auf östreichischer Seite getroffen hatte,
ließen also keine günstigen Resultate erwarten, und wären die Kaiserlichen allein
gewesen oder wäre ihnen die Leitung des Ganzen übertragen worden, der
„tappere Landsoldat" stände vermuthlich noch heute in Düppel, Fridcricia und
Alsen, wenigstens hätte der Krieg die dreifache Zahl von Opfern gefordert.

Der Abmarsch der Truppen erfolgte erst in der zweiten Hälfte des Januar,
nur die Brigade Gvndrecvurt rückte schon im December ab und bildete dann
die Avantgarde deS Ganzen. Nach unsern Nachrichten hätte es dem gablenz-
schen Corps selbst noch zu Ende des Januar übel ergehen können, wenn die
Dänen ihren Vortheil besser verstanden und die Offensive ergriffen hätten; denn
die Oestreicher waren durchaus nicht in schlagfertiger Verfassung.

Die erste Heldenthat der kaiserlichen Armee war das bekannte brüske Ein¬
schreiten Gondrecourts gegen die Hamburger Turner. Die Drohung des Gene¬
rals war keineswegs eine leere Gasconnadc, sondern man darf überzeugt sein,
daß Gvndrecvurt ohne Bedenken, ja mit Behagen auf 1 jene „demokratische
Bagage" hätte Feuer geben lassen und daß seine Polen und Magyaren diesem
Befehle mit größter Pünktlichkeit nachgekommen sein würden. Waren doch die
Dänen in den Augen dieser letzteren nur eine andere Gattung „Schwaben".
Die von einem besonders gut östreichisch gesinnten Blatte erzählte Anekdote
von einem ungarischen Soldaten ist für den Geist, welcher diese Truppen be¬
seelte, bezeichnend genug. Dieser Soldat fragte seinen Unteroffizier, ob es.
sobald nur erst die dänischen Schwaben geklopft sein würden, auch ganz gewiß
mit den andern Schwaben (den sächsischen und hannoverschen Truppen!) los¬
gehen würde.

Indessen scheint, da selbst unter den eigenen Offizieren sich Zeichen der Mi߬
billigung über Gondrecourts Verfahren vernehmen ließen, dem letzteren von der
Regierung in Wien größere Mäßigung anempfohlen worden zu sein.

Zögernd rückten endlich die Kaiserlichen über die holsteinische Grenze und
bis nach Rendsburg vor, wo sie den im Krvnwerk befindlichen Dänen einige
Tage lang Gewehr im Arm ruhig gegenüberstanden. Feldmarschall Wrangel
machte dem weiteren Zuwarten ein Ende, indem er den Vormarsch der alliirten
Armee sofort nach dem Ablaufe der den Dänen gestellten letzten Frist, also aus
den 1. Februar anbefahl, was wohl dem General v. Gablcnz und seinen Sol¬
daten, nicht aber den Herren in Wien erwünscht sein möchte.


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[0213] An einen Operationsplan dachte niemand, doch war dies vielleicht ein Vortheil. Die östreichische Taktik lebte gleich der östreichischen Politik von der Hand in den Mund, und es wurde also wenigstens nichts verdorben. Ebenso¬ wenig dachte man an eine Verstärkung. Man lebte in der festen Ueberzeugung, mehr als das Genügende gethan zu haben, auch mochte man fühlen, das; man die letzten Kräfte erschöpft habe. Die Vorkehrungen, welche man auf östreichischer Seite getroffen hatte, ließen also keine günstigen Resultate erwarten, und wären die Kaiserlichen allein gewesen oder wäre ihnen die Leitung des Ganzen übertragen worden, der „tappere Landsoldat" stände vermuthlich noch heute in Düppel, Fridcricia und Alsen, wenigstens hätte der Krieg die dreifache Zahl von Opfern gefordert. Der Abmarsch der Truppen erfolgte erst in der zweiten Hälfte des Januar, nur die Brigade Gvndrecvurt rückte schon im December ab und bildete dann die Avantgarde deS Ganzen. Nach unsern Nachrichten hätte es dem gablenz- schen Corps selbst noch zu Ende des Januar übel ergehen können, wenn die Dänen ihren Vortheil besser verstanden und die Offensive ergriffen hätten; denn die Oestreicher waren durchaus nicht in schlagfertiger Verfassung. Die erste Heldenthat der kaiserlichen Armee war das bekannte brüske Ein¬ schreiten Gondrecourts gegen die Hamburger Turner. Die Drohung des Gene¬ rals war keineswegs eine leere Gasconnadc, sondern man darf überzeugt sein, daß Gvndrecvurt ohne Bedenken, ja mit Behagen auf 1 jene „demokratische Bagage" hätte Feuer geben lassen und daß seine Polen und Magyaren diesem Befehle mit größter Pünktlichkeit nachgekommen sein würden. Waren doch die Dänen in den Augen dieser letzteren nur eine andere Gattung „Schwaben". Die von einem besonders gut östreichisch gesinnten Blatte erzählte Anekdote von einem ungarischen Soldaten ist für den Geist, welcher diese Truppen be¬ seelte, bezeichnend genug. Dieser Soldat fragte seinen Unteroffizier, ob es. sobald nur erst die dänischen Schwaben geklopft sein würden, auch ganz gewiß mit den andern Schwaben (den sächsischen und hannoverschen Truppen!) los¬ gehen würde. Indessen scheint, da selbst unter den eigenen Offizieren sich Zeichen der Mi߬ billigung über Gondrecourts Verfahren vernehmen ließen, dem letzteren von der Regierung in Wien größere Mäßigung anempfohlen worden zu sein. Zögernd rückten endlich die Kaiserlichen über die holsteinische Grenze und bis nach Rendsburg vor, wo sie den im Krvnwerk befindlichen Dänen einige Tage lang Gewehr im Arm ruhig gegenüberstanden. Feldmarschall Wrangel machte dem weiteren Zuwarten ein Ende, indem er den Vormarsch der alliirten Armee sofort nach dem Ablaufe der den Dänen gestellten letzten Frist, also aus den 1. Februar anbefahl, was wohl dem General v. Gablcnz und seinen Sol¬ daten, nicht aber den Herren in Wien erwünscht sein möchte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/213>, abgerufen am 21.10.2024.