Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.Das Kind spricht zum Vater: Ach vatter, liebster vattcr min, Dir bin ich lieb vnd ghorsam g'sin, Wild du mich des lon also gnießen Und mich darumb z'todt erschiessen? So sich doch an mirs mütcrlin, min schwösterlin all vnd brüdcrlin, die du mit muy vnd schwerem last in armut of erzogen hast. Tell: Ach sun. min allerliebstes Kind, Daß ich dich nienrin bschulden kund, Nit tan ichs in der warheit min, Du bist mir allwäg ghorsam gsin, Darumb so laß bin herz gesellten, Es bschicht alls wider meinen Willen! Vs das, so knüw hetz nider, sun, vnd hilf mir Gott anbätcn nun. Der Vater betet mit dem Kinde ein in Reimen gefaßtes Vaterunser, ohne den Jedoch lobt er den Meisterschuß und verlangt nun den Zweck des zweiten Pfei¬ Landvog^t: Nit wirst mich, Theil, also bekriegen. Dann ich mich ouch verstan of liegen! Er schwört ihm die Sicherheit des Lebens zu; Tell gesteht, daß ihm selbst Seesturm; das Schiff füllt sich mit Wasser, der Wind ist entgegen, die Das Kind spricht zum Vater: Ach vatter, liebster vattcr min, Dir bin ich lieb vnd ghorsam g'sin, Wild du mich des lon also gnießen Und mich darumb z'todt erschiessen? So sich doch an mirs mütcrlin, min schwösterlin all vnd brüdcrlin, die du mit muy vnd schwerem last in armut of erzogen hast. Tell: Ach sun. min allerliebstes Kind, Daß ich dich nienrin bschulden kund, Nit tan ichs in der warheit min, Du bist mir allwäg ghorsam gsin, Darumb so laß bin herz gesellten, Es bschicht alls wider meinen Willen! Vs das, so knüw hetz nider, sun, vnd hilf mir Gott anbätcn nun. Der Vater betet mit dem Kinde ein in Reimen gefaßtes Vaterunser, ohne den Jedoch lobt er den Meisterschuß und verlangt nun den Zweck des zweiten Pfei¬ Landvog^t: Nit wirst mich, Theil, also bekriegen. Dann ich mich ouch verstan of liegen! Er schwört ihm die Sicherheit des Lebens zu; Tell gesteht, daß ihm selbst Seesturm; das Schiff füllt sich mit Wasser, der Wind ist entgegen, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189293"/> <lg xml:id="POEMID_36" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_665"> Das Kind spricht zum Vater:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_37" type="poem"> <l> Ach vatter, liebster vattcr min,<lb/> Dir bin ich lieb vnd ghorsam g'sin,<lb/> Wild du mich des lon also gnießen<lb/> Und mich darumb z'todt erschiessen?<lb/> So sich doch an mirs mütcrlin,<lb/> min schwösterlin all vnd brüdcrlin,<lb/> die du mit muy vnd schwerem last<lb/> in armut of erzogen hast.<lb/><note type="speaker"> Tell: </note> Ach sun. min allerliebstes Kind,<lb/> Daß ich dich nienrin bschulden kund,<lb/> Nit tan ichs in der warheit min,<lb/> Du bist mir allwäg ghorsam gsin,<lb/> Darumb so laß bin herz gesellten,<lb/> Es bschicht alls wider meinen Willen!<lb/> Vs das, so knüw hetz nider, sun,<lb/> vnd hilf mir Gott anbätcn nun.<lb/></l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_666"> Der Vater betet mit dem Kinde ein in Reimen gefaßtes Vaterunser, ohne den<lb/> Zusatz des englischen Grußes, dann heißt er das Kind in Gottes Namen sich<lb/> zum Schusse stellen. Pause. Der Apfel ist getroffen. Tell bricht in einen<lb/> Preis Gottes aus. Ueber dieses Wort der Frömmigkeit spottet der Vogt:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_38" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_667"> Jedoch lobt er den Meisterschuß und verlangt nun den Zweck des zweiten Pfei¬<lb/> les, den Tell ins Goller gesteckt, zu erfahren. Tell entschuldigt dies mit einem<lb/> allgemeinen Schützenbrauche.</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_39" type="poem"> <l><note type="speaker"> Landvog^t: </note> Nit wirst mich, Theil, also bekriegen.<lb/> Dann ich mich ouch verstan of liegen!<lb/></l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_668"> Er schwört ihm die Sicherheit des Lebens zu; Tell gesteht, daß ihm selbst<lb/> der zweite Pfeil gegolten hätte, wenn der erste das Kind getroffen hätte. Der<lb/> Landvogt beruft sich auf seinen eben geleisteten Eid, ihn am Leben zu schonen,<lb/> und verurtheilt ihn daher zum ewigen Gefängniß im Thurm zu Küßnacht. Er<lb/> wird gebunden in das Schiff geführt, um gen Küßnacht gebracht zu werden.<lb/> Abschiedsworte an Mutter und Kind und an die Landleute. — Musik fällt ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_669" next="#ID_670"> Seesturm; das Schiff füllt sich mit Wasser, der Wind ist entgegen, die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0198]
Das Kind spricht zum Vater:
Ach vatter, liebster vattcr min,
Dir bin ich lieb vnd ghorsam g'sin,
Wild du mich des lon also gnießen
Und mich darumb z'todt erschiessen?
So sich doch an mirs mütcrlin,
min schwösterlin all vnd brüdcrlin,
die du mit muy vnd schwerem last
in armut of erzogen hast.
Tell: Ach sun. min allerliebstes Kind,
Daß ich dich nienrin bschulden kund,
Nit tan ichs in der warheit min,
Du bist mir allwäg ghorsam gsin,
Darumb so laß bin herz gesellten,
Es bschicht alls wider meinen Willen!
Vs das, so knüw hetz nider, sun,
vnd hilf mir Gott anbätcn nun.
Der Vater betet mit dem Kinde ein in Reimen gefaßtes Vaterunser, ohne den
Zusatz des englischen Grußes, dann heißt er das Kind in Gottes Namen sich
zum Schusse stellen. Pause. Der Apfel ist getroffen. Tell bricht in einen
Preis Gottes aus. Ueber dieses Wort der Frömmigkeit spottet der Vogt:
Jedoch lobt er den Meisterschuß und verlangt nun den Zweck des zweiten Pfei¬
les, den Tell ins Goller gesteckt, zu erfahren. Tell entschuldigt dies mit einem
allgemeinen Schützenbrauche.
Landvog^t: Nit wirst mich, Theil, also bekriegen.
Dann ich mich ouch verstan of liegen!
Er schwört ihm die Sicherheit des Lebens zu; Tell gesteht, daß ihm selbst
der zweite Pfeil gegolten hätte, wenn der erste das Kind getroffen hätte. Der
Landvogt beruft sich auf seinen eben geleisteten Eid, ihn am Leben zu schonen,
und verurtheilt ihn daher zum ewigen Gefängniß im Thurm zu Küßnacht. Er
wird gebunden in das Schiff geführt, um gen Küßnacht gebracht zu werden.
Abschiedsworte an Mutter und Kind und an die Landleute. — Musik fällt ein.
Seesturm; das Schiff füllt sich mit Wasser, der Wind ist entgegen, die
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