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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Städtchen Logstör der Kanal sich zu zwei großen Landseen von mehren Meilen
Breite erweitert, die zwischen sich die vier Meilen lange und zwei Meilen breite
Insel Mors mit der Stadt Nykjobing haben, und von denen der westli-be. der
sogenannte Nissum-Busen, durch jenen Aggerfanal, einen etwa zuo'in'untere
Ellen langen und nur drei- bis vierhundert Ellen breiten Meeresarm. mit der
Nordsee in Verbindung steht.

Schon einmal waren die deutschen Herre bis zum Lynnjord vorgedrungen.
Wahrscheinlich um das Jahr 950 -- dieser Kiiegszug ist nur von sagenhafter
Ueberlieferung aufbewahrt -- stand Kaise Otto der Erste hier oben an dem
großen jütischen Sunde und schleuderte seinen Speer in dessen Wogen, um damit
nach alter Sitte das Gewässer als die Grenze seines Reiches zu bezeichnen. Auf
dem Rückweg wurde er, so beißt es ferner, von dem Dänenkönig Harald Blau¬
zahn bei Schleswig angegriffen, aber Otto behielt den Sieg, und die Dänen
wurden auf ihre Schiffe zurückgetrieben. Die Stelle, wo der Kaiser jene sym¬
bolische Handlung vorgenommen, soll das Ufer gegenüber der Halbinsel Tbyt
gewesen sein und nach dem Namen des Kaisers wäre der Fjord Otterhund ge¬
nannt worden. Noch jetzt führt ein Theil desselben südwestlich von Mors die
Bezeichnung "Oddesund", doch mag dies richtiger von der gegenüberliegenden
Landzunge von Thyholm (Otte, dänisch Landzunge) hergeleitet werden.

Nehmen wir an. daß die Sage die Wahrheit erzählt, so hat die Gegen¬
wart die Vergangenheit hier überboten. Kaiser Otto kam nur bis zum Lym-
fjord. Die deutschen Truppen von 1864 überschritten ihn. Auf den Speerwurf,
mit dem Südjütland von den Deutschen für unterworfen erklärt wurde, ist in
diesen Tagen eine andere symbolische Handlung gefolgt, die AufPflanzung der
Fahnen Preußens und Oestreichs auf dem Thurm von Skagen. der äußersten
Spitze Nordjütlands, dem nördlichsten Ende ganz Dänemarks.

Der Norden Jütlands ist eine Insel von der Form eines stumpfwinkeliger
Dreiecks. Der stumpfe Winkel liegt elf Meilen südlich von Skagen an der
Ostküste, die beiden spitzen Winkel befinden sich im Norden bei Skagen und
im Westen bei dem Städtchen Lemwig. Die Seiten des Dreiecks sind die elf
Meilen lange Küste des Kattegat, im Süden der Lymfjord und im Westen die
ungefähr 32 Meilen lange Nordseeküste. Einen beträchtlichen Theil der südlichen
Hälfte dieses Dreiecks nimmt das Störe-Wild-Moos, ein großer Sumpf ein-
Nördlich liegen in der Landesmitte noch kleinere Moräste, die mit Haidcstrichen
und hier und da mit fruchtbarem Boden, Getreidefeldern und Dörfern wechseln.
Im Osten wie im Westen ist die Strandgegend mit Flugsand bedeckt, der mit
dem Winde wandert und auf weite Strecken hin hohe Dünenketten bildet.
Die vier Städte des Vendsyssel, Thisted und Hjörring im Westen, Frederikshavn
im Osten und Skagen im Norden, sind sämmtlich klein, die kleinste und zu¬
gleich die originellste ist Skagen, wohin wir jetzt in Gedanken den preußischen


Städtchen Logstör der Kanal sich zu zwei großen Landseen von mehren Meilen
Breite erweitert, die zwischen sich die vier Meilen lange und zwei Meilen breite
Insel Mors mit der Stadt Nykjobing haben, und von denen der westli-be. der
sogenannte Nissum-Busen, durch jenen Aggerfanal, einen etwa zuo'in'untere
Ellen langen und nur drei- bis vierhundert Ellen breiten Meeresarm. mit der
Nordsee in Verbindung steht.

Schon einmal waren die deutschen Herre bis zum Lynnjord vorgedrungen.
Wahrscheinlich um das Jahr 950 — dieser Kiiegszug ist nur von sagenhafter
Ueberlieferung aufbewahrt — stand Kaise Otto der Erste hier oben an dem
großen jütischen Sunde und schleuderte seinen Speer in dessen Wogen, um damit
nach alter Sitte das Gewässer als die Grenze seines Reiches zu bezeichnen. Auf
dem Rückweg wurde er, so beißt es ferner, von dem Dänenkönig Harald Blau¬
zahn bei Schleswig angegriffen, aber Otto behielt den Sieg, und die Dänen
wurden auf ihre Schiffe zurückgetrieben. Die Stelle, wo der Kaiser jene sym¬
bolische Handlung vorgenommen, soll das Ufer gegenüber der Halbinsel Tbyt
gewesen sein und nach dem Namen des Kaisers wäre der Fjord Otterhund ge¬
nannt worden. Noch jetzt führt ein Theil desselben südwestlich von Mors die
Bezeichnung „Oddesund", doch mag dies richtiger von der gegenüberliegenden
Landzunge von Thyholm (Otte, dänisch Landzunge) hergeleitet werden.

Nehmen wir an. daß die Sage die Wahrheit erzählt, so hat die Gegen¬
wart die Vergangenheit hier überboten. Kaiser Otto kam nur bis zum Lym-
fjord. Die deutschen Truppen von 1864 überschritten ihn. Auf den Speerwurf,
mit dem Südjütland von den Deutschen für unterworfen erklärt wurde, ist in
diesen Tagen eine andere symbolische Handlung gefolgt, die AufPflanzung der
Fahnen Preußens und Oestreichs auf dem Thurm von Skagen. der äußersten
Spitze Nordjütlands, dem nördlichsten Ende ganz Dänemarks.

Der Norden Jütlands ist eine Insel von der Form eines stumpfwinkeliger
Dreiecks. Der stumpfe Winkel liegt elf Meilen südlich von Skagen an der
Ostküste, die beiden spitzen Winkel befinden sich im Norden bei Skagen und
im Westen bei dem Städtchen Lemwig. Die Seiten des Dreiecks sind die elf
Meilen lange Küste des Kattegat, im Süden der Lymfjord und im Westen die
ungefähr 32 Meilen lange Nordseeküste. Einen beträchtlichen Theil der südlichen
Hälfte dieses Dreiecks nimmt das Störe-Wild-Moos, ein großer Sumpf ein-
Nördlich liegen in der Landesmitte noch kleinere Moräste, die mit Haidcstrichen
und hier und da mit fruchtbarem Boden, Getreidefeldern und Dörfern wechseln.
Im Osten wie im Westen ist die Strandgegend mit Flugsand bedeckt, der mit
dem Winde wandert und auf weite Strecken hin hohe Dünenketten bildet.
Die vier Städte des Vendsyssel, Thisted und Hjörring im Westen, Frederikshavn
im Osten und Skagen im Norden, sind sämmtlich klein, die kleinste und zu¬
gleich die originellste ist Skagen, wohin wir jetzt in Gedanken den preußischen


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[0181] Städtchen Logstör der Kanal sich zu zwei großen Landseen von mehren Meilen Breite erweitert, die zwischen sich die vier Meilen lange und zwei Meilen breite Insel Mors mit der Stadt Nykjobing haben, und von denen der westli-be. der sogenannte Nissum-Busen, durch jenen Aggerfanal, einen etwa zuo'in'untere Ellen langen und nur drei- bis vierhundert Ellen breiten Meeresarm. mit der Nordsee in Verbindung steht. Schon einmal waren die deutschen Herre bis zum Lynnjord vorgedrungen. Wahrscheinlich um das Jahr 950 — dieser Kiiegszug ist nur von sagenhafter Ueberlieferung aufbewahrt — stand Kaise Otto der Erste hier oben an dem großen jütischen Sunde und schleuderte seinen Speer in dessen Wogen, um damit nach alter Sitte das Gewässer als die Grenze seines Reiches zu bezeichnen. Auf dem Rückweg wurde er, so beißt es ferner, von dem Dänenkönig Harald Blau¬ zahn bei Schleswig angegriffen, aber Otto behielt den Sieg, und die Dänen wurden auf ihre Schiffe zurückgetrieben. Die Stelle, wo der Kaiser jene sym¬ bolische Handlung vorgenommen, soll das Ufer gegenüber der Halbinsel Tbyt gewesen sein und nach dem Namen des Kaisers wäre der Fjord Otterhund ge¬ nannt worden. Noch jetzt führt ein Theil desselben südwestlich von Mors die Bezeichnung „Oddesund", doch mag dies richtiger von der gegenüberliegenden Landzunge von Thyholm (Otte, dänisch Landzunge) hergeleitet werden. Nehmen wir an. daß die Sage die Wahrheit erzählt, so hat die Gegen¬ wart die Vergangenheit hier überboten. Kaiser Otto kam nur bis zum Lym- fjord. Die deutschen Truppen von 1864 überschritten ihn. Auf den Speerwurf, mit dem Südjütland von den Deutschen für unterworfen erklärt wurde, ist in diesen Tagen eine andere symbolische Handlung gefolgt, die AufPflanzung der Fahnen Preußens und Oestreichs auf dem Thurm von Skagen. der äußersten Spitze Nordjütlands, dem nördlichsten Ende ganz Dänemarks. Der Norden Jütlands ist eine Insel von der Form eines stumpfwinkeliger Dreiecks. Der stumpfe Winkel liegt elf Meilen südlich von Skagen an der Ostküste, die beiden spitzen Winkel befinden sich im Norden bei Skagen und im Westen bei dem Städtchen Lemwig. Die Seiten des Dreiecks sind die elf Meilen lange Küste des Kattegat, im Süden der Lymfjord und im Westen die ungefähr 32 Meilen lange Nordseeküste. Einen beträchtlichen Theil der südlichen Hälfte dieses Dreiecks nimmt das Störe-Wild-Moos, ein großer Sumpf ein- Nördlich liegen in der Landesmitte noch kleinere Moräste, die mit Haidcstrichen und hier und da mit fruchtbarem Boden, Getreidefeldern und Dörfern wechseln. Im Osten wie im Westen ist die Strandgegend mit Flugsand bedeckt, der mit dem Winde wandert und auf weite Strecken hin hohe Dünenketten bildet. Die vier Städte des Vendsyssel, Thisted und Hjörring im Westen, Frederikshavn im Osten und Skagen im Norden, sind sämmtlich klein, die kleinste und zu¬ gleich die originellste ist Skagen, wohin wir jetzt in Gedanken den preußischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/181>, abgerufen am 28.09.2024.