Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Anhöhen aus die Vorhut der heranziehenden Feinde hinabzurollen, und es
kaum erwarten konnten, bis diese, zwischen den Felsen und der Eisack eingeklemmt,
dieser tückischen Waffe nicht mehr zu entfliehen vermochten. Auch im Oberinnthal
war es fast zur nämlichen Zeit ein Geistlicher, der Pfarrer von Fließ, der auf
Hofers Geheiß bei der Pontlatzerbrücke dieselben Geschosse auf die fliehenden
Bayern losließ. Bei der Vertreibung Lefebvres aus dem Eisack- und Wippthale
gewährte übrigens Hofer, auch nachdem er wieder "sichtbar geworden", keinen
anderen Vorschub als durch Nachsendung von Mundvorrath und Mannschaft,
allen befahl er sich "eilends nachzumachen", während er selbst wohlgeborgen in
seiner Heimath blieb. Erst nachdem die passeirer und andere Schützencompagnien
den französischen Marschall zur Flucht genöthigt und ihn auf seinem Rückzug
nach Innsbruck so hart bedrängt, daß er ohne Hut und zwischen zwei schützenden
Pferden zu Fuße schreitend in Wilten einzog, langte Hofer am 12. August mit
dem Troß des Landsturmes auf dem Schönberge an. Nun fühlte er Muth ge¬
nug, auf den folgenden Tag einen allgemeinen Angriff anzuordnen, der Land¬
sturm rückte wieder von drei Seiten vor, gerade so wie am 29. Mai; an Lei¬
tung und Ordnung ward aber um so weniger gedacht, als Hofer selbst nichts
davon'verstand. und Donei, sein späterer "Oberfeldkaplan", vergleicht das "plan¬
lose Raufen" mit einer "wilden Jagd". "Fest und sicher," läßt er den Kapu¬
ziner Haspinger in den ihm nachgeschriebenen Aufzeichnungen sagen, "stand der
Held wohl hinter seinen Passeirern. aber nicht bei ihnen." Er saß auch
diesmal während des ganzen Kampfes wieder bei Freund Etschmann, Wirth in
der Schupfen. Abends zogen sich die Bauern auf die Anhöhen zurück, um
am folgenden Morgen den Angriff zu erneuern, allein ein heftiger Regen ver¬
hinderte ihn. Lefebvre benutzte die Nacht des 14. zum vollständigen Rückzug,
den er schon vor dem Treffen begonnen, und entkam ohne irgendeine Belästi¬
gung oder Verfolgung von Seite Hofers. Als dieser am 13. in Innsbruck
einzog, hatte er vollauf zu thun mit den tollen Massen der Landstürmer, die
zwar, wenn es um zwölf Uhr Mittags zum Gebete läutete, andächtig ihr
Haupt entblößten, nachher aber nur um so wilder schrieen und tobten, ehrsame
Leute beschimpften und bedrohten und ihr Gelüste nach Raub und Beute kaum
verbargen. Hofer, der mit dem Provincial der Kapuziner eben bei Herrn
v. Stadler die Freuden deo Tafel genoß, zeigte sich, vom Lärm aufgeschreckt,
entrüstet am Fenster und hielt eine Standrede. worin er seine Schützen durch
einen Vergleich mit den Bayern zu beschämen suchte. Dies that zwar augen¬
blicklich die gewünschte Wirkung, da selbe sich aber nur auf die zunächst stehenden
Haufen beschränkte, mußten am Ende doch die Geistlichen vermittelnd einschreiten,
sie hatten auf das Volk ja stets mit gutem Erfolge gewirkt, und konnten es
auch jetzt am leichtesten beschwichtigen.

Die Bauern dünkten sich nun Herren des Landes, der Intendant Hör-


Anhöhen aus die Vorhut der heranziehenden Feinde hinabzurollen, und es
kaum erwarten konnten, bis diese, zwischen den Felsen und der Eisack eingeklemmt,
dieser tückischen Waffe nicht mehr zu entfliehen vermochten. Auch im Oberinnthal
war es fast zur nämlichen Zeit ein Geistlicher, der Pfarrer von Fließ, der auf
Hofers Geheiß bei der Pontlatzerbrücke dieselben Geschosse auf die fliehenden
Bayern losließ. Bei der Vertreibung Lefebvres aus dem Eisack- und Wippthale
gewährte übrigens Hofer, auch nachdem er wieder „sichtbar geworden", keinen
anderen Vorschub als durch Nachsendung von Mundvorrath und Mannschaft,
allen befahl er sich „eilends nachzumachen", während er selbst wohlgeborgen in
seiner Heimath blieb. Erst nachdem die passeirer und andere Schützencompagnien
den französischen Marschall zur Flucht genöthigt und ihn auf seinem Rückzug
nach Innsbruck so hart bedrängt, daß er ohne Hut und zwischen zwei schützenden
Pferden zu Fuße schreitend in Wilten einzog, langte Hofer am 12. August mit
dem Troß des Landsturmes auf dem Schönberge an. Nun fühlte er Muth ge¬
nug, auf den folgenden Tag einen allgemeinen Angriff anzuordnen, der Land¬
sturm rückte wieder von drei Seiten vor, gerade so wie am 29. Mai; an Lei¬
tung und Ordnung ward aber um so weniger gedacht, als Hofer selbst nichts
davon'verstand. und Donei, sein späterer „Oberfeldkaplan", vergleicht das „plan¬
lose Raufen" mit einer „wilden Jagd". „Fest und sicher," läßt er den Kapu¬
ziner Haspinger in den ihm nachgeschriebenen Aufzeichnungen sagen, „stand der
Held wohl hinter seinen Passeirern. aber nicht bei ihnen." Er saß auch
diesmal während des ganzen Kampfes wieder bei Freund Etschmann, Wirth in
der Schupfen. Abends zogen sich die Bauern auf die Anhöhen zurück, um
am folgenden Morgen den Angriff zu erneuern, allein ein heftiger Regen ver¬
hinderte ihn. Lefebvre benutzte die Nacht des 14. zum vollständigen Rückzug,
den er schon vor dem Treffen begonnen, und entkam ohne irgendeine Belästi¬
gung oder Verfolgung von Seite Hofers. Als dieser am 13. in Innsbruck
einzog, hatte er vollauf zu thun mit den tollen Massen der Landstürmer, die
zwar, wenn es um zwölf Uhr Mittags zum Gebete läutete, andächtig ihr
Haupt entblößten, nachher aber nur um so wilder schrieen und tobten, ehrsame
Leute beschimpften und bedrohten und ihr Gelüste nach Raub und Beute kaum
verbargen. Hofer, der mit dem Provincial der Kapuziner eben bei Herrn
v. Stadler die Freuden deo Tafel genoß, zeigte sich, vom Lärm aufgeschreckt,
entrüstet am Fenster und hielt eine Standrede. worin er seine Schützen durch
einen Vergleich mit den Bayern zu beschämen suchte. Dies that zwar augen¬
blicklich die gewünschte Wirkung, da selbe sich aber nur auf die zunächst stehenden
Haufen beschränkte, mußten am Ende doch die Geistlichen vermittelnd einschreiten,
sie hatten auf das Volk ja stets mit gutem Erfolge gewirkt, und konnten es
auch jetzt am leichtesten beschwichtigen.

Die Bauern dünkten sich nun Herren des Landes, der Intendant Hör-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189113"/>
          <p xml:id="ID_24" prev="#ID_23"> Anhöhen aus die Vorhut der heranziehenden Feinde hinabzurollen, und es<lb/>
kaum erwarten konnten, bis diese, zwischen den Felsen und der Eisack eingeklemmt,<lb/>
dieser tückischen Waffe nicht mehr zu entfliehen vermochten. Auch im Oberinnthal<lb/>
war es fast zur nämlichen Zeit ein Geistlicher, der Pfarrer von Fließ, der auf<lb/>
Hofers Geheiß bei der Pontlatzerbrücke dieselben Geschosse auf die fliehenden<lb/>
Bayern losließ. Bei der Vertreibung Lefebvres aus dem Eisack- und Wippthale<lb/>
gewährte übrigens Hofer, auch nachdem er wieder &#x201E;sichtbar geworden", keinen<lb/>
anderen Vorschub als durch Nachsendung von Mundvorrath und Mannschaft,<lb/>
allen befahl er sich &#x201E;eilends nachzumachen", während er selbst wohlgeborgen in<lb/>
seiner Heimath blieb. Erst nachdem die passeirer und andere Schützencompagnien<lb/>
den französischen Marschall zur Flucht genöthigt und ihn auf seinem Rückzug<lb/>
nach Innsbruck so hart bedrängt, daß er ohne Hut und zwischen zwei schützenden<lb/>
Pferden zu Fuße schreitend in Wilten einzog, langte Hofer am 12. August mit<lb/>
dem Troß des Landsturmes auf dem Schönberge an. Nun fühlte er Muth ge¬<lb/>
nug, auf den folgenden Tag einen allgemeinen Angriff anzuordnen, der Land¬<lb/>
sturm rückte wieder von drei Seiten vor, gerade so wie am 29. Mai; an Lei¬<lb/>
tung und Ordnung ward aber um so weniger gedacht, als Hofer selbst nichts<lb/>
davon'verstand. und Donei, sein späterer &#x201E;Oberfeldkaplan", vergleicht das &#x201E;plan¬<lb/>
lose Raufen" mit einer &#x201E;wilden Jagd". &#x201E;Fest und sicher," läßt er den Kapu¬<lb/>
ziner Haspinger in den ihm nachgeschriebenen Aufzeichnungen sagen, &#x201E;stand der<lb/>
Held wohl hinter seinen Passeirern. aber nicht bei ihnen." Er saß auch<lb/>
diesmal während des ganzen Kampfes wieder bei Freund Etschmann, Wirth in<lb/>
der Schupfen. Abends zogen sich die Bauern auf die Anhöhen zurück, um<lb/>
am folgenden Morgen den Angriff zu erneuern, allein ein heftiger Regen ver¬<lb/>
hinderte ihn. Lefebvre benutzte die Nacht des 14. zum vollständigen Rückzug,<lb/>
den er schon vor dem Treffen begonnen, und entkam ohne irgendeine Belästi¬<lb/>
gung oder Verfolgung von Seite Hofers. Als dieser am 13. in Innsbruck<lb/>
einzog, hatte er vollauf zu thun mit den tollen Massen der Landstürmer, die<lb/>
zwar, wenn es um zwölf Uhr Mittags zum Gebete läutete, andächtig ihr<lb/>
Haupt entblößten, nachher aber nur um so wilder schrieen und tobten, ehrsame<lb/>
Leute beschimpften und bedrohten und ihr Gelüste nach Raub und Beute kaum<lb/>
verbargen. Hofer, der mit dem Provincial der Kapuziner eben bei Herrn<lb/>
v. Stadler die Freuden deo Tafel genoß, zeigte sich, vom Lärm aufgeschreckt,<lb/>
entrüstet am Fenster und hielt eine Standrede. worin er seine Schützen durch<lb/>
einen Vergleich mit den Bayern zu beschämen suchte. Dies that zwar augen¬<lb/>
blicklich die gewünschte Wirkung, da selbe sich aber nur auf die zunächst stehenden<lb/>
Haufen beschränkte, mußten am Ende doch die Geistlichen vermittelnd einschreiten,<lb/>
sie hatten auf das Volk ja stets mit gutem Erfolge gewirkt, und konnten es<lb/>
auch jetzt am leichtesten beschwichtigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_25" next="#ID_26"> Die Bauern dünkten sich nun Herren des Landes, der Intendant Hör-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0018] Anhöhen aus die Vorhut der heranziehenden Feinde hinabzurollen, und es kaum erwarten konnten, bis diese, zwischen den Felsen und der Eisack eingeklemmt, dieser tückischen Waffe nicht mehr zu entfliehen vermochten. Auch im Oberinnthal war es fast zur nämlichen Zeit ein Geistlicher, der Pfarrer von Fließ, der auf Hofers Geheiß bei der Pontlatzerbrücke dieselben Geschosse auf die fliehenden Bayern losließ. Bei der Vertreibung Lefebvres aus dem Eisack- und Wippthale gewährte übrigens Hofer, auch nachdem er wieder „sichtbar geworden", keinen anderen Vorschub als durch Nachsendung von Mundvorrath und Mannschaft, allen befahl er sich „eilends nachzumachen", während er selbst wohlgeborgen in seiner Heimath blieb. Erst nachdem die passeirer und andere Schützencompagnien den französischen Marschall zur Flucht genöthigt und ihn auf seinem Rückzug nach Innsbruck so hart bedrängt, daß er ohne Hut und zwischen zwei schützenden Pferden zu Fuße schreitend in Wilten einzog, langte Hofer am 12. August mit dem Troß des Landsturmes auf dem Schönberge an. Nun fühlte er Muth ge¬ nug, auf den folgenden Tag einen allgemeinen Angriff anzuordnen, der Land¬ sturm rückte wieder von drei Seiten vor, gerade so wie am 29. Mai; an Lei¬ tung und Ordnung ward aber um so weniger gedacht, als Hofer selbst nichts davon'verstand. und Donei, sein späterer „Oberfeldkaplan", vergleicht das „plan¬ lose Raufen" mit einer „wilden Jagd". „Fest und sicher," läßt er den Kapu¬ ziner Haspinger in den ihm nachgeschriebenen Aufzeichnungen sagen, „stand der Held wohl hinter seinen Passeirern. aber nicht bei ihnen." Er saß auch diesmal während des ganzen Kampfes wieder bei Freund Etschmann, Wirth in der Schupfen. Abends zogen sich die Bauern auf die Anhöhen zurück, um am folgenden Morgen den Angriff zu erneuern, allein ein heftiger Regen ver¬ hinderte ihn. Lefebvre benutzte die Nacht des 14. zum vollständigen Rückzug, den er schon vor dem Treffen begonnen, und entkam ohne irgendeine Belästi¬ gung oder Verfolgung von Seite Hofers. Als dieser am 13. in Innsbruck einzog, hatte er vollauf zu thun mit den tollen Massen der Landstürmer, die zwar, wenn es um zwölf Uhr Mittags zum Gebete läutete, andächtig ihr Haupt entblößten, nachher aber nur um so wilder schrieen und tobten, ehrsame Leute beschimpften und bedrohten und ihr Gelüste nach Raub und Beute kaum verbargen. Hofer, der mit dem Provincial der Kapuziner eben bei Herrn v. Stadler die Freuden deo Tafel genoß, zeigte sich, vom Lärm aufgeschreckt, entrüstet am Fenster und hielt eine Standrede. worin er seine Schützen durch einen Vergleich mit den Bayern zu beschämen suchte. Dies that zwar augen¬ blicklich die gewünschte Wirkung, da selbe sich aber nur auf die zunächst stehenden Haufen beschränkte, mußten am Ende doch die Geistlichen vermittelnd einschreiten, sie hatten auf das Volk ja stets mit gutem Erfolge gewirkt, und konnten es auch jetzt am leichtesten beschwichtigen. Die Bauern dünkten sich nun Herren des Landes, der Intendant Hör-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/18
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/18>, abgerufen am 28.09.2024.