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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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andere passende Decoration sich jdurchaus nicht in ihr Knopfloch niederlassen
wollte. Ganz arge Gemüther endlich können sich sogar -- wenn auch natürlich
nur leise -- bei diesen Mittheilungen mitunter an einen gewissen alten Paladin
aus der Manch" erinnert finden und meinen, dieser wackere Herr sei im doppel¬
ten Sinne unsterblich.

Wenn wir unsere Quelle nicht immer wörtlich citiren und Manches anders
gruppiren als sie, so war das durch Rücksichten auf den deutschen Stil und
die Übersichtlichkeit und Deutlichkeit des Bildes, sowie serner auf die Psy-
chologischelThatsache geboten, daß zu viel Erhabenheit aus einmal ermüdet..

Die alten Johanniter kamen im Jahre 1160 nach Brandenburg. Markgraf
Albrecht der Bär kehrte in diesem Jahre von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem
zurück, begleitet von mehren Rittern des Hospitaliterordens, die an der Nord¬
grenze der Aktuar? einen Vorposten gegen die heidnischen Wenden übernehmen
und dem Adel des Landes zum Vorbild dienen sollten. Man verlieh ihnen die
Kirche zu Werben mit sechs Hufen Land, deren Ertrag zur Ausstattung und
Unterhaltung des Spitals dienen sollte, welches die Ankömmlinge bald nach
ihrem Eintreffen in der Nähe der Kirche einrichteten. Von den Thaten der¬
selben gegen die Wenden ist nicht viel zu melden, doch wuchs der in den
Norden verpflanzte Ordenszweig rasch an Gnade bei Gott und den Menschen,
und nicht nur die Landesherrn, sondern auch Reiche vom Adel bedachten ihn
in den folgenden Jahrhunderten mit Schenkungen und werthvollen Gerecht¬
samen. Um das Jahr 1360 konnten die so wohl gedeihenden, an Zahl und
Besitz fortwährend zunehmenden norddeutschen Johanniter daran denken, ihren
eigenen "Meister", der später den Titel ,.Herrenmeister" führte, zu wählen,
und der Großprior, das Haupt aller Ordensmitglieder deutscher Zunge, bestä¬
tigte diese Wahl. Dann erfolgte im Jahre 1382 die factische Abzweigung der
Valley Brandenburg durch einen zu Heymbach abgeschlossenen Vergleich.
1427 gelangte dieselbe in den Besitz von Schloß und Stadt Sonnenburg in der
Neumark, die später im siebzehnten Jahrhundert durch den Herrenmeister Johann
Moritz Fürst zu Nassau-Siegen durch allerlei Neubauten, Anlegung eines Spitals
"zu einer des Ordens würdigen Residenz gemacht wurden". Sonst war von
den ursprünglichen Zwecken des Johanniterthums nicht viel mehr die Rede;
der Orden war im Großen und Ganzen zu einer Gesellschaft geworden, in
welche man eintrat, um Anwartschaft auf einträgliche Präbenden zu gewinnen,
und unsre Quelle weiß eigentlich nur zwei Beispiele zu nennen, welche beweisen,
daß in den Reihen der Ritter noch bisweilen die Verpflichtung empfunden
wurde, werkthätige Liebe zu üben. Das eine ist der bekannte menschenfreund¬
liche Fürst (nicht Herzog) Leopold von Braunschweig, der 1772 in Sonnen¬
burg zum Ritter geschlagen wurde und, wie die Sage will und unser Bericht¬
erstatter mit Gefühl nacherzählt, im Begriff Menschen zu retten, am 27. April


andere passende Decoration sich jdurchaus nicht in ihr Knopfloch niederlassen
wollte. Ganz arge Gemüther endlich können sich sogar — wenn auch natürlich
nur leise — bei diesen Mittheilungen mitunter an einen gewissen alten Paladin
aus der Manch« erinnert finden und meinen, dieser wackere Herr sei im doppel¬
ten Sinne unsterblich.

Wenn wir unsere Quelle nicht immer wörtlich citiren und Manches anders
gruppiren als sie, so war das durch Rücksichten auf den deutschen Stil und
die Übersichtlichkeit und Deutlichkeit des Bildes, sowie serner auf die Psy-
chologischelThatsache geboten, daß zu viel Erhabenheit aus einmal ermüdet..

Die alten Johanniter kamen im Jahre 1160 nach Brandenburg. Markgraf
Albrecht der Bär kehrte in diesem Jahre von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem
zurück, begleitet von mehren Rittern des Hospitaliterordens, die an der Nord¬
grenze der Aktuar? einen Vorposten gegen die heidnischen Wenden übernehmen
und dem Adel des Landes zum Vorbild dienen sollten. Man verlieh ihnen die
Kirche zu Werben mit sechs Hufen Land, deren Ertrag zur Ausstattung und
Unterhaltung des Spitals dienen sollte, welches die Ankömmlinge bald nach
ihrem Eintreffen in der Nähe der Kirche einrichteten. Von den Thaten der¬
selben gegen die Wenden ist nicht viel zu melden, doch wuchs der in den
Norden verpflanzte Ordenszweig rasch an Gnade bei Gott und den Menschen,
und nicht nur die Landesherrn, sondern auch Reiche vom Adel bedachten ihn
in den folgenden Jahrhunderten mit Schenkungen und werthvollen Gerecht¬
samen. Um das Jahr 1360 konnten die so wohl gedeihenden, an Zahl und
Besitz fortwährend zunehmenden norddeutschen Johanniter daran denken, ihren
eigenen „Meister", der später den Titel ,.Herrenmeister" führte, zu wählen,
und der Großprior, das Haupt aller Ordensmitglieder deutscher Zunge, bestä¬
tigte diese Wahl. Dann erfolgte im Jahre 1382 die factische Abzweigung der
Valley Brandenburg durch einen zu Heymbach abgeschlossenen Vergleich.
1427 gelangte dieselbe in den Besitz von Schloß und Stadt Sonnenburg in der
Neumark, die später im siebzehnten Jahrhundert durch den Herrenmeister Johann
Moritz Fürst zu Nassau-Siegen durch allerlei Neubauten, Anlegung eines Spitals
„zu einer des Ordens würdigen Residenz gemacht wurden". Sonst war von
den ursprünglichen Zwecken des Johanniterthums nicht viel mehr die Rede;
der Orden war im Großen und Ganzen zu einer Gesellschaft geworden, in
welche man eintrat, um Anwartschaft auf einträgliche Präbenden zu gewinnen,
und unsre Quelle weiß eigentlich nur zwei Beispiele zu nennen, welche beweisen,
daß in den Reihen der Ritter noch bisweilen die Verpflichtung empfunden
wurde, werkthätige Liebe zu üben. Das eine ist der bekannte menschenfreund¬
liche Fürst (nicht Herzog) Leopold von Braunschweig, der 1772 in Sonnen¬
burg zum Ritter geschlagen wurde und, wie die Sage will und unser Bericht¬
erstatter mit Gefühl nacherzählt, im Begriff Menschen zu retten, am 27. April


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/170>, abgerufen am 28.09.2024.