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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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daß er kurz nach diesen Vorgängen bei der Frohnleichnamsprocession in Ratten¬
berg anzog und, von dort nach Innsbruck zurückgekehrt, eine Kundmachung er¬
ließ, worin er in Folge seines vorhin erwähnten Gelübdes befahl, "das Herz¬
jesufest als beständigen Feiertag im tiroler Kalender roth zu drucken, alljähr¬
lich am letzten Montag des Monats Mai in allen Kirchen ein feierliches Hoch¬
amt unter Aussetzung des höchsten Gutes und Umzug um den Gottesacker zu
halten und diese Feierlichkeit durch ein Te Denn zu schließen." Auch als er
mit dem weniger fromm gestimmten Intendanten schmollend sich bald nachher
bis zum 16. Juli nach Passeier zurückzog, verrichtete er von 600 Schützen be¬
gleitet eine Wallfahrt nach dem Nonsberg zum H. Romed und erschien dadurch
in den Augen der Menge als derjenige, der die wunderbare Rettung Tirols
vom Himmel erbeten.

Völlig ruhen ließ ihn aber sein unabweislicher Beruf, das Weltliche zu
ordnen, doch nicht. Da es keinen Feind mehr im Lande gab, gerieth er auf
den Gedanken, unter der Anführung der Oestreicher mit einigen Schützencom¬
pagnien in Kärnthen einzufallen und Klagenfurt zu überrumpeln. Er besuchte
deshalb den in Sachsenburg weilenden Generalmajor Schmidt; allein kaum war
er daselbst angelangt, so verkündeten schon zwei französische Parlamentärs den am
12. Juli zu Znaim zwischen Oestreich und Frankreich abgeschlossenen Waffen¬
stillstand. Daß Kaiser Franz, der erst am 29. Mai seiner treuen Grafschaft
Tirol erklärt hatte: "daß sie nie mehr von dem Körper des östreichischen Kai¬
serstaates solle getrennt werden, und er keinen anderen Frieden unterzeichnen
werde, als den, der dieses Land an seine Monarchie unauflöslich knüpfe," die¬
ses Versprechen vergessen könne, schien Hofer völlig unmöglich. Er erklärte
daher durch öffentliche Kundmachung jeden als Feind des Vaterlandes, der die
Nachricht von dem Waffenstillstand verbreiten Mrde, und berief Schützencom¬
pagnien nach dem Puster- und Unterinnthal zur Vertheidigung der Grenzen.
Die von den Franzosen mitgetheilte Urkunde, vom östreichischen General Wimpfen
unterzeichnet, hielt er nur für "eine feindliche Fineß", und selbst Buol und
Hormayr wurden durch eine Zuschrift des Erzherzogs Johann irre, wornach
Tirol in Folge eines Waffenstillstandes nur dann geräumt werden sollte, wenn
der Befehl dazu von ihm selbst unterfertigt wäre. Man erblickte darin einen
Beweis, daß ein solcher noch gar nicht bestehe. Erst am 27. Juli traf beim
General Schmidt dessen amtliche Kundmachung mit der Weisung ein, die Feste
Sachsenburg dem Feinde zu übergeben. Der in Lienz weilende Hofer wollte aber
selbst dieser Nachricht nicht vertrauen und glaubte sie erst dann, als ihm sein eigener
Bote die Bestätigung vom Erzherzog Johcüin brachte. In den mitgetheilten
Vertragsartikeln war auch die Räumung Tirols ausdrücklich bedungen, aber für
Hofer, der noch immer blind am kaiserlichen Orakel hielt, nicht klar genug,
und als der Marschall Lefebvre mit dem siebenten Armeecorps von Salzburg


daß er kurz nach diesen Vorgängen bei der Frohnleichnamsprocession in Ratten¬
berg anzog und, von dort nach Innsbruck zurückgekehrt, eine Kundmachung er¬
ließ, worin er in Folge seines vorhin erwähnten Gelübdes befahl, „das Herz¬
jesufest als beständigen Feiertag im tiroler Kalender roth zu drucken, alljähr¬
lich am letzten Montag des Monats Mai in allen Kirchen ein feierliches Hoch¬
amt unter Aussetzung des höchsten Gutes und Umzug um den Gottesacker zu
halten und diese Feierlichkeit durch ein Te Denn zu schließen." Auch als er
mit dem weniger fromm gestimmten Intendanten schmollend sich bald nachher
bis zum 16. Juli nach Passeier zurückzog, verrichtete er von 600 Schützen be¬
gleitet eine Wallfahrt nach dem Nonsberg zum H. Romed und erschien dadurch
in den Augen der Menge als derjenige, der die wunderbare Rettung Tirols
vom Himmel erbeten.

Völlig ruhen ließ ihn aber sein unabweislicher Beruf, das Weltliche zu
ordnen, doch nicht. Da es keinen Feind mehr im Lande gab, gerieth er auf
den Gedanken, unter der Anführung der Oestreicher mit einigen Schützencom¬
pagnien in Kärnthen einzufallen und Klagenfurt zu überrumpeln. Er besuchte
deshalb den in Sachsenburg weilenden Generalmajor Schmidt; allein kaum war
er daselbst angelangt, so verkündeten schon zwei französische Parlamentärs den am
12. Juli zu Znaim zwischen Oestreich und Frankreich abgeschlossenen Waffen¬
stillstand. Daß Kaiser Franz, der erst am 29. Mai seiner treuen Grafschaft
Tirol erklärt hatte: „daß sie nie mehr von dem Körper des östreichischen Kai¬
serstaates solle getrennt werden, und er keinen anderen Frieden unterzeichnen
werde, als den, der dieses Land an seine Monarchie unauflöslich knüpfe," die¬
ses Versprechen vergessen könne, schien Hofer völlig unmöglich. Er erklärte
daher durch öffentliche Kundmachung jeden als Feind des Vaterlandes, der die
Nachricht von dem Waffenstillstand verbreiten Mrde, und berief Schützencom¬
pagnien nach dem Puster- und Unterinnthal zur Vertheidigung der Grenzen.
Die von den Franzosen mitgetheilte Urkunde, vom östreichischen General Wimpfen
unterzeichnet, hielt er nur für „eine feindliche Fineß", und selbst Buol und
Hormayr wurden durch eine Zuschrift des Erzherzogs Johann irre, wornach
Tirol in Folge eines Waffenstillstandes nur dann geräumt werden sollte, wenn
der Befehl dazu von ihm selbst unterfertigt wäre. Man erblickte darin einen
Beweis, daß ein solcher noch gar nicht bestehe. Erst am 27. Juli traf beim
General Schmidt dessen amtliche Kundmachung mit der Weisung ein, die Feste
Sachsenburg dem Feinde zu übergeben. Der in Lienz weilende Hofer wollte aber
selbst dieser Nachricht nicht vertrauen und glaubte sie erst dann, als ihm sein eigener
Bote die Bestätigung vom Erzherzog Johcüin brachte. In den mitgetheilten
Vertragsartikeln war auch die Räumung Tirols ausdrücklich bedungen, aber für
Hofer, der noch immer blind am kaiserlichen Orakel hielt, nicht klar genug,
und als der Marschall Lefebvre mit dem siebenten Armeecorps von Salzburg


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/16>, abgerufen am 28.09.2024.