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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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nicht. Den Befehl über die ganze Streitmacht führte vom Centrum aus der
k. k. Oberstlieutenant Erkl, den rechten Flügel commandirte Oberstlieutenant
Reissenfels. während der linke unter den meraner Schützenhauptleuten Graf
Hardt und Glatzl focht. Hofer wagte sich am 25. Mai nicht über den Schön¬
berg vor, auch kann von einem für diesen Tag schon im voraus berechneten
Angriff um so weniger die Rede sein, als sich das Gefecht nur ganz zufällig
entspann. Die Schützencompagnieen von Mais waren um Mittag bis Matrei
vorgedrungen und wollten dort eben abkochen, als sich eine bayerische Cavalle-
riepatrouille nahte und mit ihnen handgemein wurde. Nachdem sie ihr ein
Pferd erschossen, erhielten sie, durch 26 kaiserliche Jäger verstärkt, vom Oberst¬
lieutenant den Befehl zum Vorrücken auf Mutters, wo ein feindliches Piquet
stand. Das Knallen der Gewehre hatte mittlerweile mehre Schützen ins Ge¬
fecht gerufen, man eilte den Jägern, die mit den Bayern angebunden, zu
Hilfe und drängte sie in die Ebene von Willen zurück. Die Meraner besetzten
den Berg Isel, und das Gefecht hatte bereits auf der ganzen Linie von der
Gallwiese bis zur Sill begonnen, als erst um 5 Uhr Abends das östrei¬
chische Militär mit den Kanonen anlangte. Der Kampf dauerte bis 9 Uhr
Nachts, wiewohl ohne Entscheidung, was schon daraus hervorgeht, daß sich die
sämmtlichen Bauern in die Dörfer auf den Anhöhen zurückzogen. Hofer zeigte
sich Abends vom Weine so benebelt, daß er. vom Baron Lichtenthurn um Ver-
haltungsbefehle angegangen, selbige zu ertheilen gar nicht im Stande war.
Auch beim Haupttreffen vom 29. Mai kann sein Antheil nicht höher angeschla¬
gen werden. Während sich die Schützen wacker mit dem Feinde schlugen, ver¬
weilte er bei seinem Freunde, dem Wirthe unter der Schupfen, und entsagte
den Freuden des Kruges selbst für die Spanne Heit nicht, wo unweit der
Schcinke ein Waffenstillstand abgeschlossen wurde. Die Bayern hatten nach
heftiger Gegenwehr ihre Munition verschossen, steckten deshalb gegen 4 Uhr
Abends die weihe Fahne auf und sandten einen Parlamentär zum Oberstlieu¬
tenant Erkl. Da''auch den Tirolern der Schießbedarf ausging, wollte dieser
anfangs die gewünschte vicrundzwanzigstündige Waffenruhe gewähren, von Ba¬
ron Lichtenthurn abgemahnt und eine Kriegslist befürchtend, gestand er sie nur
für 12 Stunden zu. Deroy benutzte sie, um im Dunkel der Nacht den Rück¬
zug anzutreten und entkam, von den Schaaren Hofers unbehelligt, während
dieser erst am Abend des folgenden Tages ganz gemächlich in Innsbruck ein¬
fuhr. Diesem Sachverhalte getreu schrieb schon Hormayrs Schlachtbericht in
der innsbrucker Zeitung Hofer nur das Verdienst der "Aufmunterung" zu. und
keiner seiner klerikalen Freunde wagte es, den Intendanten deshalb der Lüge
zu zeihen. Gleichwohl stand Hofer in den Augen des Klerus als des Sieges
sicherster Bürge da; denn er versäumte nie, den glücklichen Erfolg der Waffen
durch kirchliche Feste zu feiern. So wurde es ihm sehr zu Gute gerechnet.


nicht. Den Befehl über die ganze Streitmacht führte vom Centrum aus der
k. k. Oberstlieutenant Erkl, den rechten Flügel commandirte Oberstlieutenant
Reissenfels. während der linke unter den meraner Schützenhauptleuten Graf
Hardt und Glatzl focht. Hofer wagte sich am 25. Mai nicht über den Schön¬
berg vor, auch kann von einem für diesen Tag schon im voraus berechneten
Angriff um so weniger die Rede sein, als sich das Gefecht nur ganz zufällig
entspann. Die Schützencompagnieen von Mais waren um Mittag bis Matrei
vorgedrungen und wollten dort eben abkochen, als sich eine bayerische Cavalle-
riepatrouille nahte und mit ihnen handgemein wurde. Nachdem sie ihr ein
Pferd erschossen, erhielten sie, durch 26 kaiserliche Jäger verstärkt, vom Oberst¬
lieutenant den Befehl zum Vorrücken auf Mutters, wo ein feindliches Piquet
stand. Das Knallen der Gewehre hatte mittlerweile mehre Schützen ins Ge¬
fecht gerufen, man eilte den Jägern, die mit den Bayern angebunden, zu
Hilfe und drängte sie in die Ebene von Willen zurück. Die Meraner besetzten
den Berg Isel, und das Gefecht hatte bereits auf der ganzen Linie von der
Gallwiese bis zur Sill begonnen, als erst um 5 Uhr Abends das östrei¬
chische Militär mit den Kanonen anlangte. Der Kampf dauerte bis 9 Uhr
Nachts, wiewohl ohne Entscheidung, was schon daraus hervorgeht, daß sich die
sämmtlichen Bauern in die Dörfer auf den Anhöhen zurückzogen. Hofer zeigte
sich Abends vom Weine so benebelt, daß er. vom Baron Lichtenthurn um Ver-
haltungsbefehle angegangen, selbige zu ertheilen gar nicht im Stande war.
Auch beim Haupttreffen vom 29. Mai kann sein Antheil nicht höher angeschla¬
gen werden. Während sich die Schützen wacker mit dem Feinde schlugen, ver¬
weilte er bei seinem Freunde, dem Wirthe unter der Schupfen, und entsagte
den Freuden des Kruges selbst für die Spanne Heit nicht, wo unweit der
Schcinke ein Waffenstillstand abgeschlossen wurde. Die Bayern hatten nach
heftiger Gegenwehr ihre Munition verschossen, steckten deshalb gegen 4 Uhr
Abends die weihe Fahne auf und sandten einen Parlamentär zum Oberstlieu¬
tenant Erkl. Da''auch den Tirolern der Schießbedarf ausging, wollte dieser
anfangs die gewünschte vicrundzwanzigstündige Waffenruhe gewähren, von Ba¬
ron Lichtenthurn abgemahnt und eine Kriegslist befürchtend, gestand er sie nur
für 12 Stunden zu. Deroy benutzte sie, um im Dunkel der Nacht den Rück¬
zug anzutreten und entkam, von den Schaaren Hofers unbehelligt, während
dieser erst am Abend des folgenden Tages ganz gemächlich in Innsbruck ein¬
fuhr. Diesem Sachverhalte getreu schrieb schon Hormayrs Schlachtbericht in
der innsbrucker Zeitung Hofer nur das Verdienst der „Aufmunterung" zu. und
keiner seiner klerikalen Freunde wagte es, den Intendanten deshalb der Lüge
zu zeihen. Gleichwohl stand Hofer in den Augen des Klerus als des Sieges
sicherster Bürge da; denn er versäumte nie, den glücklichen Erfolg der Waffen
durch kirchliche Feste zu feiern. So wurde es ihm sehr zu Gute gerechnet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/15>, abgerufen am 28.09.2024.