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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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edlere streitig machten. Da ertönte ganz nahe ein einzelner, furchtbar durchdringender
Schrei, der das Blut erstarren machte. Es konnte nur ein Todesschrei sein.
Und in der That fand man am nächsten Morgen nicht weit von der Postenlinie die
Leiche eines Jägers mit abgeschnittenem Kopfe. Der arme Bursche, der in
die Heimath entlassen worden war, hatte die Zeit nicht erwarten können, auf
das absegelnde Schiff zu kommen, und war noch des Abends nach dem Hafen
gelaufen. So hatte ihn unterwegs der Tod ereilt.

Die Mordanfälle steigerten sich allmälig zu Scharmützel. Anfangs schlichen
sich einzelne kecke Räuber über den Fluß und nisteten sich in den Gärten, an
dessen Ufer ein, von wo aus sie die außerhalb des Lagers sich blicken lassenden
Spanier mit Kugeln begrüßten. Später folgten ganze Trupps diesem Beispiel
und schössen namentlich des Nachts in hohen Bogen nach den lichten Stellen
im Lager, so daß manchmal in den Zelten des Hauptquartiers den Offizieren
beim Kartenspiel die Kugeln um den Kopf flogen. Natürlich erhielten diese
belästigenden Neckereien die Spanier beständig in Alarm und machten den
Sicherheitsdienst äußerst beschwerlich. Repressalien, die man durch das Nieder¬
brennen einiger benachbarten Duars und das Niederschießen einiger Mauren,
die man bewaffnet gefangen nahm, ergriff, halfen wenig. Es kam sogar noch
vor dem Aufbruch der Armee nach Tanger noch zu einem ernsthaften Gefecht,
dem ersten, an dem die preußischen Offiziere Theil nahmen.

Der Morgen des 11. März wurde, wie gewöhnlich, durch einzelne Schüsse
auf die Posten eingeleitet, die aber bald zu einem lebhaften Tirailleurfeuer
wurden. Das ganze Lager trat unter die Waffen, und Bataillone und Batterien
eilten dem Flusse zu, so daß nicht länger zu zweifeln war, daß es sich dies¬
mal nicht blos um eine Neckerei, sondern um einen ernsten Strauß handele.
Die Preußen warfen sich auf ihre Pferde und ritten dem Flintenknall nach,
unterwegs schon einzelnen Verwundeten begegnend. Bald entdeckten sie den
Oberbefehlshaber O'Donnell, der, abgestiegen und von seinem Stäbe umgeben,
das Gefecht von einer Höhe am diesseitigen Flußufer leitete. Der Standpunkt
war ein trefflicher, und man konnte sich kaum einen malerischeren Anblick denken.
Gegenüber zog sich in gleicher Höhe und gleicher Richtung wie das diesseitige
Ufer ein Bergrücken hin, ziemlich dicht mit ein bis zwei Fuß hohem Gestrüpp
bedeckt und nach vorwärts sich abdachend. Hier hatten sich Gruppen von weißen
Gestalten eingenistet, die ein lebhaftes Feuer auf die spanischen Tirailleure unter¬
hielten, während weiter links, wo die Niederung am Fluß sich verbreiterte,
zahlreiche Reiter in weißen flatternden Gewändern sich herumtummelten. Sie
waren in fortwährender Bewegung, bald mit lautem Geschrei vorwärtssprengend,
um ihre Flinten abzufeuern, bald im Bogen zurück gallopirend, um wieder zu
laden. Einzelne Führer in rothem Burnus ritten befehlend und die Kämpfenden
aufmunternd hin und her.


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edlere streitig machten. Da ertönte ganz nahe ein einzelner, furchtbar durchdringender
Schrei, der das Blut erstarren machte. Es konnte nur ein Todesschrei sein.
Und in der That fand man am nächsten Morgen nicht weit von der Postenlinie die
Leiche eines Jägers mit abgeschnittenem Kopfe. Der arme Bursche, der in
die Heimath entlassen worden war, hatte die Zeit nicht erwarten können, auf
das absegelnde Schiff zu kommen, und war noch des Abends nach dem Hafen
gelaufen. So hatte ihn unterwegs der Tod ereilt.

Die Mordanfälle steigerten sich allmälig zu Scharmützel. Anfangs schlichen
sich einzelne kecke Räuber über den Fluß und nisteten sich in den Gärten, an
dessen Ufer ein, von wo aus sie die außerhalb des Lagers sich blicken lassenden
Spanier mit Kugeln begrüßten. Später folgten ganze Trupps diesem Beispiel
und schössen namentlich des Nachts in hohen Bogen nach den lichten Stellen
im Lager, so daß manchmal in den Zelten des Hauptquartiers den Offizieren
beim Kartenspiel die Kugeln um den Kopf flogen. Natürlich erhielten diese
belästigenden Neckereien die Spanier beständig in Alarm und machten den
Sicherheitsdienst äußerst beschwerlich. Repressalien, die man durch das Nieder¬
brennen einiger benachbarten Duars und das Niederschießen einiger Mauren,
die man bewaffnet gefangen nahm, ergriff, halfen wenig. Es kam sogar noch
vor dem Aufbruch der Armee nach Tanger noch zu einem ernsthaften Gefecht,
dem ersten, an dem die preußischen Offiziere Theil nahmen.

Der Morgen des 11. März wurde, wie gewöhnlich, durch einzelne Schüsse
auf die Posten eingeleitet, die aber bald zu einem lebhaften Tirailleurfeuer
wurden. Das ganze Lager trat unter die Waffen, und Bataillone und Batterien
eilten dem Flusse zu, so daß nicht länger zu zweifeln war, daß es sich dies¬
mal nicht blos um eine Neckerei, sondern um einen ernsten Strauß handele.
Die Preußen warfen sich auf ihre Pferde und ritten dem Flintenknall nach,
unterwegs schon einzelnen Verwundeten begegnend. Bald entdeckten sie den
Oberbefehlshaber O'Donnell, der, abgestiegen und von seinem Stäbe umgeben,
das Gefecht von einer Höhe am diesseitigen Flußufer leitete. Der Standpunkt
war ein trefflicher, und man konnte sich kaum einen malerischeren Anblick denken.
Gegenüber zog sich in gleicher Höhe und gleicher Richtung wie das diesseitige
Ufer ein Bergrücken hin, ziemlich dicht mit ein bis zwei Fuß hohem Gestrüpp
bedeckt und nach vorwärts sich abdachend. Hier hatten sich Gruppen von weißen
Gestalten eingenistet, die ein lebhaftes Feuer auf die spanischen Tirailleure unter¬
hielten, während weiter links, wo die Niederung am Fluß sich verbreiterte,
zahlreiche Reiter in weißen flatternden Gewändern sich herumtummelten. Sie
waren in fortwährender Bewegung, bald mit lautem Geschrei vorwärtssprengend,
um ihre Flinten abzufeuern, bald im Bogen zurück gallopirend, um wieder zu
laden. Einzelne Führer in rothem Burnus ritten befehlend und die Kämpfenden
aufmunternd hin und her.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/147>, abgerufen am 28.09.2024.