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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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ein Theil des Kampfes müde war, und dann die Sache auf sich beruhen
lassen. Als aber unter O'Donnells kräftiger Regierung die Zustände Spaniens
sich allmälig consolidirt hatten, fühlte Regierung und Volk das Bedürfniß, die
neugewonnene Kraft zur Geltung zu bringen, und ein neuer Zusammenstoß
der Besatzung von Ceuta gab Gelegenheit dazu. Spanien verlangte von den
Marokkanern Genugthuung und eine Gebietsabtretung zur besseren Sicherung
ihrer Postenlinie. Beides wurde verweigert, und nun erfolgte die Kriegserklärung.
Ein spanisches Heer von 40 Bataillonen, 11 Schwadronen und 56 Geschützen
landete nicht bei Tetuan, was als das Natürlichste erschien, sondern bei Ceuta,
von wo es erst durch einen langwierigen und äußerst mühseligen Marsch durch
ein ödes und unwegsames Gebirge Tetunn erreichen konnte. Ehe es dorthin
gelangte, erlitt es mehr noch durch Strapatzen und Krankheiten, als im Ge¬
fecht, so zahlreiche Verluste, daß es, als es am Uad-el-Chelu ankam, nur noch
33,000 Streiter zählte, denen am 31. Januar zum ersten Male die Hauptmacht
der Marokkaner, vielleicht 30,000 Mann stark, entgegentrat. Bessere Organi¬
sation und Ueberlegenheit an Artillerie verschaffte den Spaniern den Sieg,
den, sie aber nicht zum sofortigen Weitervordringen gegen Tetuan benutzten,
wie sie wohl hätten thun können. Sie nahmen diese Stadt vielmehr erst
nach einem zweiten Gefecht am 4. Februar ein. Unmittelbar nach diesem
Ereigniß schlossen sich die preußischen Offiziere der spanischen Armee an und
waren Zeugen der Friedensverhandlungen bis zu ihrem Abbruch, wie bereits er¬
zählt worden. Ueber den ferneren Verlauf des Krieges berichten wir nun weiter:

Mit dem Abbruch der Friedensverhandlungen veränderte sich wie mit
einem Schlage das Verhältniß der Eingebornen zu den Spaniern. Hatte
früher ein reger Verkehr zwischen beiden Theilen stattgefunden, und hatten die
Spanier sich selbst einzeln bis in das nahegelegene Gebirge wagen können, so
hörte jetzt plötzlich die Zufuhr von Lebensmitteln auf, und sogar die nächste
Umgebung des Lagers wurde unsicher. Tetuan nahm ebenfalls eine andere
Physiognomie an. Man sah kaum einen Mauren mehr auf der Straße, und
diese wenigen trugen eine freudige Zuversicht, bald von den Christen erlöst zu
werden, zur Schau. Bald erfuhr man, daß unmittelbar nach dem Abbruch
der Friedensverhandlungen den maurischen Bewohnern der Stadt, sowie den
benachbarten Stämmen aller Verkehr mit den Eindringlingen, namentlich aber die
Lieferung von Lebensmitteln bei Todesstrafe verboten worden war. Dagegen war
ihnen befohlen, die Spanier in ihr Lager eingeschlossen zu halten und sie als Feinde
zu behandeln. Die Folgen dieser Anordnung zeigten sich sofort. Schon am
nächsten Tage wurde ein Soldat wenige hundert Schritt vom Lager ermordet
gefunden, und kaum eine Nacht verging, ohne ein Opfer zu fordern. Eines
Abends lag Goeben noch wachend im Zelt, auf das ferne Geheul der Hunde
und Schakals horchend, welche sich die Neste der gefallenen Pferde und Maul-


ein Theil des Kampfes müde war, und dann die Sache auf sich beruhen
lassen. Als aber unter O'Donnells kräftiger Regierung die Zustände Spaniens
sich allmälig consolidirt hatten, fühlte Regierung und Volk das Bedürfniß, die
neugewonnene Kraft zur Geltung zu bringen, und ein neuer Zusammenstoß
der Besatzung von Ceuta gab Gelegenheit dazu. Spanien verlangte von den
Marokkanern Genugthuung und eine Gebietsabtretung zur besseren Sicherung
ihrer Postenlinie. Beides wurde verweigert, und nun erfolgte die Kriegserklärung.
Ein spanisches Heer von 40 Bataillonen, 11 Schwadronen und 56 Geschützen
landete nicht bei Tetuan, was als das Natürlichste erschien, sondern bei Ceuta,
von wo es erst durch einen langwierigen und äußerst mühseligen Marsch durch
ein ödes und unwegsames Gebirge Tetunn erreichen konnte. Ehe es dorthin
gelangte, erlitt es mehr noch durch Strapatzen und Krankheiten, als im Ge¬
fecht, so zahlreiche Verluste, daß es, als es am Uad-el-Chelu ankam, nur noch
33,000 Streiter zählte, denen am 31. Januar zum ersten Male die Hauptmacht
der Marokkaner, vielleicht 30,000 Mann stark, entgegentrat. Bessere Organi¬
sation und Ueberlegenheit an Artillerie verschaffte den Spaniern den Sieg,
den, sie aber nicht zum sofortigen Weitervordringen gegen Tetuan benutzten,
wie sie wohl hätten thun können. Sie nahmen diese Stadt vielmehr erst
nach einem zweiten Gefecht am 4. Februar ein. Unmittelbar nach diesem
Ereigniß schlossen sich die preußischen Offiziere der spanischen Armee an und
waren Zeugen der Friedensverhandlungen bis zu ihrem Abbruch, wie bereits er¬
zählt worden. Ueber den ferneren Verlauf des Krieges berichten wir nun weiter:

Mit dem Abbruch der Friedensverhandlungen veränderte sich wie mit
einem Schlage das Verhältniß der Eingebornen zu den Spaniern. Hatte
früher ein reger Verkehr zwischen beiden Theilen stattgefunden, und hatten die
Spanier sich selbst einzeln bis in das nahegelegene Gebirge wagen können, so
hörte jetzt plötzlich die Zufuhr von Lebensmitteln auf, und sogar die nächste
Umgebung des Lagers wurde unsicher. Tetuan nahm ebenfalls eine andere
Physiognomie an. Man sah kaum einen Mauren mehr auf der Straße, und
diese wenigen trugen eine freudige Zuversicht, bald von den Christen erlöst zu
werden, zur Schau. Bald erfuhr man, daß unmittelbar nach dem Abbruch
der Friedensverhandlungen den maurischen Bewohnern der Stadt, sowie den
benachbarten Stämmen aller Verkehr mit den Eindringlingen, namentlich aber die
Lieferung von Lebensmitteln bei Todesstrafe verboten worden war. Dagegen war
ihnen befohlen, die Spanier in ihr Lager eingeschlossen zu halten und sie als Feinde
zu behandeln. Die Folgen dieser Anordnung zeigten sich sofort. Schon am
nächsten Tage wurde ein Soldat wenige hundert Schritt vom Lager ermordet
gefunden, und kaum eine Nacht verging, ohne ein Opfer zu fordern. Eines
Abends lag Goeben noch wachend im Zelt, auf das ferne Geheul der Hunde
und Schakals horchend, welche sich die Neste der gefallenen Pferde und Maul-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/146>, abgerufen am 28.09.2024.