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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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den Namen "Abid-al-Bochari" und bildet die eigentliche Leibwache des Kaisers.
Sie ist beritten und zeichnet sich vor allen übrigen marokkanischen Bewaffneten
durch eine Art Uniform aus, indem die Mannschaften sämmtlich eine Art
Burnus über eine rothe Weste, weißen Turban um ein hohes rothes Fez.
blaue Beinkleider und gelbe Marokinstiefel tragen. Bei den Offizieren ist der
Burnus blau, und die Verschiedenheit des Ranges wird bei ihnen durch
größere oder kleinere Fähnchen bezeichnet, die ihnen ein Reiter nachträgt.

Die Ausrüstung ist die in Marokko übliche, mit Espingarda, Gumia,
kurzem Dolch und Pistol. Die Stärke dieser Truppe wird zwar zu 12,000
angegeben, übersteigt aber nach glaubwürdigen Nachrichten nicht S000. Der
Sold ist ansehnlich, und bekommt außer diesem und Pferd und Bewaff¬
nung jeder Bochari noch ein kleines Grundstück auf Lebenszeit zum Unterhalt
für seine Familie.

Im Gegensatz zu dieser schwarzen Reiterschaar besteht die weiße Garde
oder wie die Marokkaner sie nennen, die Haskar, aus Fußvolk. Sie sind auf
Lebenszeit angeworben und scheinen nicht über 2000 Mann stark zu sein. Die
dritte Truppe, die Magsen, ist ebenfalls mit Grundstücken ausgestattet und von
Abgaben befreit, wogegen alle männlichen Mitglieder der betreffenden Familien
zum kaiserlichen Dienst verpflichtet sind. Dieser ist aber weniger kriegerischer
als polizeilicher und fiscalischer Art, indem die Magsenis, etwa wie die Ka-
wassen in der Türkei vornehmlich als Polizeisoldaten, Abgaben- und Zoll¬
einnehmer, Escorten für Karawanen, Schutzwachen für Konsuln und andere
Europäer verwendet werden. Obgleich sie bewaffnet sind, kommen sie militärisch
wenig in Betracht, und als Widerstandsmittel gegen europäische Heere genügen
die beiden andern Truppengattungen ebenfalls nicht, weder ihrer Zahl, noch
ihrer Organisation und Bewaffnung nach. Das Aufgebot der Stämme, die
einzige Wehrkraft, die dem Kaiser sonst noch zur Verfügung steht, ist nur mit
dem Massenaufgebot aus den schlechtesten Epochen der Feudalzeit zu vergleichen.
Der Kaiser besitzt keine Macht, die Stämme zu zwingen, in den Krieg zu ziehen.
Sie folgen dem Aufgebot, wenn sie Lust am Kriege finden und gehen nach
Hause, wenn sie die mitgebrachten Vorräthe aufgezehr-t oder Beute genug ge¬
macht haben. Gegen die Spanier führte sie der Fanatismus ins Feld, und
daher fanden diese in den Kriegern der Stämme die hartnäckigsten und gefähr¬
lichsten Gegner. Aber ob der Krieg aufhören sollte oder fortdauerte, kam
manchmal mehr auf sie, als auf den Kaiser an.

Um auch noch ein paar Worte von der spanischen Armee zu sagen, so
kann Goeben hinsichtlich der Infanterie deren Fertigkeit und Ausdauer im Mar¬
schiren, sowie deren Behendigkeit und Kaltblütigkeit im Gefecht, deren Mäßigkeit
und Fähigkeit, Strapazen aller Art zu ertragen, nicht genug rühmen. Ihre
Schießfertigkeit findet er hingegen ziemlich schlecht, und von der Leistungs-


den Namen „Abid-al-Bochari" und bildet die eigentliche Leibwache des Kaisers.
Sie ist beritten und zeichnet sich vor allen übrigen marokkanischen Bewaffneten
durch eine Art Uniform aus, indem die Mannschaften sämmtlich eine Art
Burnus über eine rothe Weste, weißen Turban um ein hohes rothes Fez.
blaue Beinkleider und gelbe Marokinstiefel tragen. Bei den Offizieren ist der
Burnus blau, und die Verschiedenheit des Ranges wird bei ihnen durch
größere oder kleinere Fähnchen bezeichnet, die ihnen ein Reiter nachträgt.

Die Ausrüstung ist die in Marokko übliche, mit Espingarda, Gumia,
kurzem Dolch und Pistol. Die Stärke dieser Truppe wird zwar zu 12,000
angegeben, übersteigt aber nach glaubwürdigen Nachrichten nicht S000. Der
Sold ist ansehnlich, und bekommt außer diesem und Pferd und Bewaff¬
nung jeder Bochari noch ein kleines Grundstück auf Lebenszeit zum Unterhalt
für seine Familie.

Im Gegensatz zu dieser schwarzen Reiterschaar besteht die weiße Garde
oder wie die Marokkaner sie nennen, die Haskar, aus Fußvolk. Sie sind auf
Lebenszeit angeworben und scheinen nicht über 2000 Mann stark zu sein. Die
dritte Truppe, die Magsen, ist ebenfalls mit Grundstücken ausgestattet und von
Abgaben befreit, wogegen alle männlichen Mitglieder der betreffenden Familien
zum kaiserlichen Dienst verpflichtet sind. Dieser ist aber weniger kriegerischer
als polizeilicher und fiscalischer Art, indem die Magsenis, etwa wie die Ka-
wassen in der Türkei vornehmlich als Polizeisoldaten, Abgaben- und Zoll¬
einnehmer, Escorten für Karawanen, Schutzwachen für Konsuln und andere
Europäer verwendet werden. Obgleich sie bewaffnet sind, kommen sie militärisch
wenig in Betracht, und als Widerstandsmittel gegen europäische Heere genügen
die beiden andern Truppengattungen ebenfalls nicht, weder ihrer Zahl, noch
ihrer Organisation und Bewaffnung nach. Das Aufgebot der Stämme, die
einzige Wehrkraft, die dem Kaiser sonst noch zur Verfügung steht, ist nur mit
dem Massenaufgebot aus den schlechtesten Epochen der Feudalzeit zu vergleichen.
Der Kaiser besitzt keine Macht, die Stämme zu zwingen, in den Krieg zu ziehen.
Sie folgen dem Aufgebot, wenn sie Lust am Kriege finden und gehen nach
Hause, wenn sie die mitgebrachten Vorräthe aufgezehr-t oder Beute genug ge¬
macht haben. Gegen die Spanier führte sie der Fanatismus ins Feld, und
daher fanden diese in den Kriegern der Stämme die hartnäckigsten und gefähr¬
lichsten Gegner. Aber ob der Krieg aufhören sollte oder fortdauerte, kam
manchmal mehr auf sie, als auf den Kaiser an.

Um auch noch ein paar Worte von der spanischen Armee zu sagen, so
kann Goeben hinsichtlich der Infanterie deren Fertigkeit und Ausdauer im Mar¬
schiren, sowie deren Behendigkeit und Kaltblütigkeit im Gefecht, deren Mäßigkeit
und Fähigkeit, Strapazen aller Art zu ertragen, nicht genug rühmen. Ihre
Schießfertigkeit findet er hingegen ziemlich schlecht, und von der Leistungs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/144>, abgerufen am 28.09.2024.