Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.ihren letzten Schlupfwinkel im Römischen hatte. Noch immer hat der sonntäg¬ ihren letzten Schlupfwinkel im Römischen hatte. Noch immer hat der sonntäg¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189229"/> <p xml:id="ID_421" prev="#ID_420" next="#ID_422"> ihren letzten Schlupfwinkel im Römischen hatte. Noch immer hat der sonntäg¬<lb/> liche Prediger von der Pfarrkanzel der luzttner Hofkirche herab für die katho¬<lb/> lischen Söldner folgendes vorgeschriebene Gebet zu sprechen: „Gieb Kraft und<lb/> Stärke und glückseligen Sieg unsern christkatholischen Kriegsleuten, verleihe ihnen<lb/> kräftige Ueberwindung aller Feinde des katholischen Glaubens, und nach dem<lb/> eine fröhliche Ankunft in ihr Vaterland." Diese Gebetsformel steht<lb/> bei Marzohl-Schneller, Liturgia sacra 2, 276, einem von dem jüngst der--<lb/> storbenen Bischof von Solothurn durch besondere Approbation empfohlenen<lb/> Werke. Wohin alle diese von den Söldnern erfochtnen und von der Kirche<lb/> scmctionirten Siege für die Schweiz selbst geführt haben, ist aus einer vor¬<lb/> hin angeführten Berechnung des Reformators Bullinger schon zu ersehen ge¬<lb/> wesen. Verödung, Entvölkerung und Armuth des Landes, politische Schwäche<lb/> nach Außen, zunehmende Unterdrückung und Obscuranz im Innern mußten<lb/> unausbleibliche Folgen sein. Da aber der weniger unterrichtete Leser das,<lb/> jenige, was er selbst nicht zu erweisen vermag, gern im Ganzen zu bezweifeln<lb/> pflegt, so soll hier seiner Einsicht durch ein drastisches Rechenexempel nachgeholfen<lb/> werden. Als die Cantone wegen der Soldrückstände, die für ihre französischen<lb/> Werbetruppen ausgelaufen waren, wiederholt Und mit mehrfachen Gesandtschaften<lb/> in Paris zur Audienz erschienen, fand sich Minister Louvvis belästigt Und ließ<lb/> endlich gegen eine abermalige Ambassade die übelgelaunte Aeußerung fallen,<lb/> mit den bereits an die Miethstruppen bezahlten Fünflivrethalern ließe sich eine<lb/> Chaussee von Paris bis Basel pflastern. Sogleich erwiderte darauf General<lb/> Suppen Mit dem für Frankreich vergossenen Schwcizerblute lasse sich ein schiff-<lb/> -barer Kanal gleichfalls von Paris bis Basel füllen. Beide hatten gleich Recht.<lb/> Denn vom elften bis zum vierzehnten Ludwig hatten die Schweizer den Fran¬<lb/> zosen geliefert 1,110,799 Mann und dafür das Rekrutengcld empfangen von<lb/> 1,146,868,623 Gulden. (Schlözer, Briefwechsel 4, Heft 32.) Achtzehn elende<lb/> Livres monatlich waren fast durchgehends der Lohn, ,für welchen der Gemeine<lb/> fremden Potentaten seinen Kopf darbot, indeß die regierenden Familien in den<lb/> Städte- und Ländercantonen sich mit der Anwerbung der Mannschaft, dem Ver¬<lb/> kauf der Chargen und der Regimentsverwaltung bereicherten. Man hatte das<lb/> Stichwort der französischen Gloire bereits ins Schweizerdeutsche übersetzt; mit<lb/> der Unüberwindlichkeit der Schweizerwafsen, mit deren Beruf, allenthalben die<lb/> von Gott gesetzte Obrigkeit aufrecht zu erhalten, glorificirte man dem gemeinen<lb/> Mann seine armselige Existenz. Dies blieb der amtliche Ton bis zu Ende des<lb/> vorigen Jahrhunderts. Der unter obrigkeitlicher Censur erschienene berner<lb/> Kalender von 1761, genannt der Hinkende Bote, theilt die gleichzeitige Be¬<lb/> gebenheit mit, wie zu Lissabon ein portugiesisches Regiment darüber, daß ein<lb/> straffälliger Soldat fünfzig Fuchtel mit der flachen Klinge erhalten soll, in<lb/> Meuterei ausbricht und von der daselbst stehenden Schweizergarde zu Paaren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0134]
ihren letzten Schlupfwinkel im Römischen hatte. Noch immer hat der sonntäg¬
liche Prediger von der Pfarrkanzel der luzttner Hofkirche herab für die katho¬
lischen Söldner folgendes vorgeschriebene Gebet zu sprechen: „Gieb Kraft und
Stärke und glückseligen Sieg unsern christkatholischen Kriegsleuten, verleihe ihnen
kräftige Ueberwindung aller Feinde des katholischen Glaubens, und nach dem
eine fröhliche Ankunft in ihr Vaterland." Diese Gebetsformel steht
bei Marzohl-Schneller, Liturgia sacra 2, 276, einem von dem jüngst der--
storbenen Bischof von Solothurn durch besondere Approbation empfohlenen
Werke. Wohin alle diese von den Söldnern erfochtnen und von der Kirche
scmctionirten Siege für die Schweiz selbst geführt haben, ist aus einer vor¬
hin angeführten Berechnung des Reformators Bullinger schon zu ersehen ge¬
wesen. Verödung, Entvölkerung und Armuth des Landes, politische Schwäche
nach Außen, zunehmende Unterdrückung und Obscuranz im Innern mußten
unausbleibliche Folgen sein. Da aber der weniger unterrichtete Leser das,
jenige, was er selbst nicht zu erweisen vermag, gern im Ganzen zu bezweifeln
pflegt, so soll hier seiner Einsicht durch ein drastisches Rechenexempel nachgeholfen
werden. Als die Cantone wegen der Soldrückstände, die für ihre französischen
Werbetruppen ausgelaufen waren, wiederholt Und mit mehrfachen Gesandtschaften
in Paris zur Audienz erschienen, fand sich Minister Louvvis belästigt Und ließ
endlich gegen eine abermalige Ambassade die übelgelaunte Aeußerung fallen,
mit den bereits an die Miethstruppen bezahlten Fünflivrethalern ließe sich eine
Chaussee von Paris bis Basel pflastern. Sogleich erwiderte darauf General
Suppen Mit dem für Frankreich vergossenen Schwcizerblute lasse sich ein schiff-
-barer Kanal gleichfalls von Paris bis Basel füllen. Beide hatten gleich Recht.
Denn vom elften bis zum vierzehnten Ludwig hatten die Schweizer den Fran¬
zosen geliefert 1,110,799 Mann und dafür das Rekrutengcld empfangen von
1,146,868,623 Gulden. (Schlözer, Briefwechsel 4, Heft 32.) Achtzehn elende
Livres monatlich waren fast durchgehends der Lohn, ,für welchen der Gemeine
fremden Potentaten seinen Kopf darbot, indeß die regierenden Familien in den
Städte- und Ländercantonen sich mit der Anwerbung der Mannschaft, dem Ver¬
kauf der Chargen und der Regimentsverwaltung bereicherten. Man hatte das
Stichwort der französischen Gloire bereits ins Schweizerdeutsche übersetzt; mit
der Unüberwindlichkeit der Schweizerwafsen, mit deren Beruf, allenthalben die
von Gott gesetzte Obrigkeit aufrecht zu erhalten, glorificirte man dem gemeinen
Mann seine armselige Existenz. Dies blieb der amtliche Ton bis zu Ende des
vorigen Jahrhunderts. Der unter obrigkeitlicher Censur erschienene berner
Kalender von 1761, genannt der Hinkende Bote, theilt die gleichzeitige Be¬
gebenheit mit, wie zu Lissabon ein portugiesisches Regiment darüber, daß ein
straffälliger Soldat fünfzig Fuchtel mit der flachen Klinge erhalten soll, in
Meuterei ausbricht und von der daselbst stehenden Schweizergarde zu Paaren
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