Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.Seine Bildung entsprach der eines Pferde- oder Weinhändlers, Gewerbe, Anfangs Januar 1809 wurde er mit ein paar anderen Vertrauten nach Seine Bildung entsprach der eines Pferde- oder Weinhändlers, Gewerbe, Anfangs Januar 1809 wurde er mit ein paar anderen Vertrauten nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189107"/> <p xml:id="ID_14" prev="#ID_13"> Seine Bildung entsprach der eines Pferde- oder Weinhändlers, Gewerbe,<lb/> welche beide auch in der That seine Lebensbeschäftigung ausmachten, außer<lb/> den Gebetbüchern und dem Kalender schenkte er dem Gedruckten keine Auf¬<lb/> merksamkeit, seine Rechtschreibung richtete sich genau nach dem passeirer Dia¬<lb/> lekt. Von Jugend auf gewohnt, die Aussprüche der Geistlichen als Orakel zu<lb/> verehren, gab er sich meist diesen als blindes Werkzeug hin; der Cere¬<lb/> moniendienst und die Kapuziner gingen ihm über alles, was sie ihm einredeten,<lb/> galt ihm mehr als die Heiligkeit seines Wortes und selbst der Befehl seines<lb/> Kaisers. Hormayr sagte von ihm ganz treffend: ,,er führte in der einen Hand<lb/> den Rosenkranz, in der andern die Flasche."</p><lb/> <p xml:id="ID_15" next="#ID_16"> Anfangs Januar 1809 wurde er mit ein paar anderen Vertrauten nach<lb/> Wien beschieden. Man trug sich dort schon längere Zeit mit dem Plane<lb/> eines neuen Krieges gegen Napoleon, der den Kaiser Franz seit dem presbur-<lb/> ger Frieden auch in den äußeren Angelegenheiten seines Reiches einschränkte<lb/> und zu einem Vasallen Frankreichs herunterdrückte. Der Verdruß über seine<lb/> persönliche Erniedrigung lag ihm am Herzen, nicht die Freiheit Europas, die,<lb/> nach den Proclamen seiner Romantiker unter Oestreichs Fahnen geflüchtet,<lb/> von seinen Siegen die Zerreißung ihrer Fesseln und die Erlösung der deutschen<lb/> Brüder hoffen sollte. Wie er sich diese Phrasen zurechtlegte, zeigte» am besten<lb/> nachher der wiener Kongreß und die karlsbader Beschlüsse. Für Tirol waren<lb/> sie überhaupt nicht berechnet, hier wollte man nur die Herstellung der alten<lb/> frommen Bräuche und die Einsetzung der „lieben Geistlichen" in die Verlornen<lb/> Pfründen und ihre alte Macht. Da war nun nichts leichter, als sich mit Hofer<lb/> über den Zweck der Erhebung zu verständigen, wegen des Planes selbst wurde<lb/> er vom Erzherzog Johann an den Freiherrn v. Hormayr, den Intendanten des<lb/> achten Armeecorps, gewiesen, das zum Einfall in Tirol bestimmt war. Man<lb/> vereinigte sich über eilf Punkte, welche die Vorkehrungen zum Aufstand, den<lb/> doppelten Einbruch über Salzburg und Pusterthal und die Ueberrumpelung der<lb/> Feste Kufstein betrafen. Voll der süßesten Hoffnung und durch manches Ge¬<lb/> schenk getröstet, verließ Hofer die Kaiserstadt, aber der Ausbruch der Feindselig¬<lb/> keiten sollte länger aufgeschoben werden, als man anfangs dachte, selbst der<lb/> Operationsplan wurde geändert und aus Böhmen an die Donau verlegt. Auf<lb/> seiner Heimreise theilte er das Geheimniß mehren Freunden mit, die es dann<lb/> wieder weiter verbreiteten, von einer Mitwissenschaft sämmtlicher Patrioten im<lb/> ganzen Lande und ihrem fabelhaften Schweigen war um so weniger die Rede,<lb/> als die meisten erst kurz vor dem Einrücken der Oestreicher davon Kunde er¬<lb/> hielten. Letzteres erfolgte -.unter der Anführung des Feldmarschalllieutenants<lb/> Chasteler am 9. April, und am selben Tage erließ auch Hofer aus Sand in<lb/> Passeier eine vom Erzherzog Johann verfaßte „offene Ordre", worin er zur<lb/> Besetzung der mühlbacher Klause und des Kuntersweges aufforderte und einige</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
Seine Bildung entsprach der eines Pferde- oder Weinhändlers, Gewerbe,
welche beide auch in der That seine Lebensbeschäftigung ausmachten, außer
den Gebetbüchern und dem Kalender schenkte er dem Gedruckten keine Auf¬
merksamkeit, seine Rechtschreibung richtete sich genau nach dem passeirer Dia¬
lekt. Von Jugend auf gewohnt, die Aussprüche der Geistlichen als Orakel zu
verehren, gab er sich meist diesen als blindes Werkzeug hin; der Cere¬
moniendienst und die Kapuziner gingen ihm über alles, was sie ihm einredeten,
galt ihm mehr als die Heiligkeit seines Wortes und selbst der Befehl seines
Kaisers. Hormayr sagte von ihm ganz treffend: ,,er führte in der einen Hand
den Rosenkranz, in der andern die Flasche."
Anfangs Januar 1809 wurde er mit ein paar anderen Vertrauten nach
Wien beschieden. Man trug sich dort schon längere Zeit mit dem Plane
eines neuen Krieges gegen Napoleon, der den Kaiser Franz seit dem presbur-
ger Frieden auch in den äußeren Angelegenheiten seines Reiches einschränkte
und zu einem Vasallen Frankreichs herunterdrückte. Der Verdruß über seine
persönliche Erniedrigung lag ihm am Herzen, nicht die Freiheit Europas, die,
nach den Proclamen seiner Romantiker unter Oestreichs Fahnen geflüchtet,
von seinen Siegen die Zerreißung ihrer Fesseln und die Erlösung der deutschen
Brüder hoffen sollte. Wie er sich diese Phrasen zurechtlegte, zeigte» am besten
nachher der wiener Kongreß und die karlsbader Beschlüsse. Für Tirol waren
sie überhaupt nicht berechnet, hier wollte man nur die Herstellung der alten
frommen Bräuche und die Einsetzung der „lieben Geistlichen" in die Verlornen
Pfründen und ihre alte Macht. Da war nun nichts leichter, als sich mit Hofer
über den Zweck der Erhebung zu verständigen, wegen des Planes selbst wurde
er vom Erzherzog Johann an den Freiherrn v. Hormayr, den Intendanten des
achten Armeecorps, gewiesen, das zum Einfall in Tirol bestimmt war. Man
vereinigte sich über eilf Punkte, welche die Vorkehrungen zum Aufstand, den
doppelten Einbruch über Salzburg und Pusterthal und die Ueberrumpelung der
Feste Kufstein betrafen. Voll der süßesten Hoffnung und durch manches Ge¬
schenk getröstet, verließ Hofer die Kaiserstadt, aber der Ausbruch der Feindselig¬
keiten sollte länger aufgeschoben werden, als man anfangs dachte, selbst der
Operationsplan wurde geändert und aus Böhmen an die Donau verlegt. Auf
seiner Heimreise theilte er das Geheimniß mehren Freunden mit, die es dann
wieder weiter verbreiteten, von einer Mitwissenschaft sämmtlicher Patrioten im
ganzen Lande und ihrem fabelhaften Schweigen war um so weniger die Rede,
als die meisten erst kurz vor dem Einrücken der Oestreicher davon Kunde er¬
hielten. Letzteres erfolgte -.unter der Anführung des Feldmarschalllieutenants
Chasteler am 9. April, und am selben Tage erließ auch Hofer aus Sand in
Passeier eine vom Erzherzog Johann verfaßte „offene Ordre", worin er zur
Besetzung der mühlbacher Klause und des Kuntersweges aufforderte und einige
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