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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Strand war weithin bedeckt mit Kisten, Säcken und Ballen und Tausende kleiner
kräftiger Gestalten in braune Ponchos und rothe oder himmelblaue Beinkleider
gekleidet, waren emsig beschäftigt aus den unaufhörlich zu- und abfahrenden
Booten neue Massen von Vorräthen ans Land zu schaffen, Schiffszwieback, Reis,
Speck, wie hier und da zerbrochene Kisten und geplatzte Säcke zeigten. Hoch
auf einigen Ballen stehend, überwachte die Arbeit ein General, den der Führer
als den Chef des Gcneralstabes der Armee Mariscal de Campo Garcia
(Divisionsgeneral oder Generallieutenant) bezeichnete, und bei dem sich die
Offiziere meldeten. Er gab ihnen einen Führer zum Hauptquartier mit. wo sie
General O'Donnell sehr freundlich empfing. Man sieht dem Grafen von
Lucera -- denn diesen Titel, den er später mit dem eines Herzogs von Tetuan
vertauschte, führte damals noch der Führer des spanischen Heeres -- die nordische
Abstammung an, obgleich schon der Großvater des Generals aus Irland in
Spanien einwanderte. O'Donnell, ein stattlicher Fünfziger, zeichnete sich durch
hohen Wuchs, helle Gesichtsfarbe und röthliches Haar merklich vor den Spaniern
aus. Er bestätigte zwar den Reisenden, was ihnen schon der Generalstabchef
gesagt hatte, daß sie in Tetuan weder Pferde noch Lagergeräthschaften würden
kaufen können, gab ihnen aber den Trost, daß der Beginn der Operation gegen
Tetuan noch vierzehn Tage, bis zum Eintreffen von schwerem Geschütz, hinaus¬
geschoben sei, sodaß Zeit genug zu einem Abstecher nach Gibraltar blieb, der
auch schon des andern Tages angetreten ward. Ein Unstern schien jedoch über
den militärischen Plänen der Preußen zu walten. Die Einkäufe in Gibraltar
konnten nicht so schnell beendigt werden, als man geglaubt hatte; erst am vierten
Morgens wurde es möglich wieder nach der afrikanischen Küste unter Segel zu
gehen. und als das Schiff spät Nachts am vierten auf der Rhede von Tetuan
eintraf, wehte der jedes Landen unmöglich machende Levante oder Ostwind,
der nach Ceuta umzukehren zwang. Erst am sechsten Mittags was es möglich
wieder unter Segel zu gehen, und unterdessen hatte am 31. Januar ein heftiges
Gefecht zwischen Spaniern und Marokkanern stattgefunden' und Tetuan war am
4. Februar genommen worden!

Mit sehr gedämpften Hoffnungen kamen die preußischen Offiziere am
siebenten wieder in das spanische Lager. In Madrid und in Spanien selbst
hatten sie überall große Kriegslust vorgefunden; unterwegs aber, wo sie mit
spanischen Offizieren zusammentrafen und bei ihrem ersten flüchtigen Besuche im
Lager, hatten sie sich überzeugt, daß die Armee mit der Einnahme von Tetuan
den Krieg für beendigt hielt und durchaus keine Fortsetzung der Feindseligkeiten
wünschte. Mit der dem Spanier eigenen Unkenntniß fremder Verhältnisse und
ungemessener Ueberschätzung der eigenen Leistungen verglich man die leicht
erfochtenen Siege über das der Disciplin und Artillerie entbehrende maurische
Heer mit den schwierigsten Feldzügen, die andere europäische Armeen durch-


Strand war weithin bedeckt mit Kisten, Säcken und Ballen und Tausende kleiner
kräftiger Gestalten in braune Ponchos und rothe oder himmelblaue Beinkleider
gekleidet, waren emsig beschäftigt aus den unaufhörlich zu- und abfahrenden
Booten neue Massen von Vorräthen ans Land zu schaffen, Schiffszwieback, Reis,
Speck, wie hier und da zerbrochene Kisten und geplatzte Säcke zeigten. Hoch
auf einigen Ballen stehend, überwachte die Arbeit ein General, den der Führer
als den Chef des Gcneralstabes der Armee Mariscal de Campo Garcia
(Divisionsgeneral oder Generallieutenant) bezeichnete, und bei dem sich die
Offiziere meldeten. Er gab ihnen einen Führer zum Hauptquartier mit. wo sie
General O'Donnell sehr freundlich empfing. Man sieht dem Grafen von
Lucera — denn diesen Titel, den er später mit dem eines Herzogs von Tetuan
vertauschte, führte damals noch der Führer des spanischen Heeres — die nordische
Abstammung an, obgleich schon der Großvater des Generals aus Irland in
Spanien einwanderte. O'Donnell, ein stattlicher Fünfziger, zeichnete sich durch
hohen Wuchs, helle Gesichtsfarbe und röthliches Haar merklich vor den Spaniern
aus. Er bestätigte zwar den Reisenden, was ihnen schon der Generalstabchef
gesagt hatte, daß sie in Tetuan weder Pferde noch Lagergeräthschaften würden
kaufen können, gab ihnen aber den Trost, daß der Beginn der Operation gegen
Tetuan noch vierzehn Tage, bis zum Eintreffen von schwerem Geschütz, hinaus¬
geschoben sei, sodaß Zeit genug zu einem Abstecher nach Gibraltar blieb, der
auch schon des andern Tages angetreten ward. Ein Unstern schien jedoch über
den militärischen Plänen der Preußen zu walten. Die Einkäufe in Gibraltar
konnten nicht so schnell beendigt werden, als man geglaubt hatte; erst am vierten
Morgens wurde es möglich wieder nach der afrikanischen Küste unter Segel zu
gehen. und als das Schiff spät Nachts am vierten auf der Rhede von Tetuan
eintraf, wehte der jedes Landen unmöglich machende Levante oder Ostwind,
der nach Ceuta umzukehren zwang. Erst am sechsten Mittags was es möglich
wieder unter Segel zu gehen, und unterdessen hatte am 31. Januar ein heftiges
Gefecht zwischen Spaniern und Marokkanern stattgefunden' und Tetuan war am
4. Februar genommen worden!

Mit sehr gedämpften Hoffnungen kamen die preußischen Offiziere am
siebenten wieder in das spanische Lager. In Madrid und in Spanien selbst
hatten sie überall große Kriegslust vorgefunden; unterwegs aber, wo sie mit
spanischen Offizieren zusammentrafen und bei ihrem ersten flüchtigen Besuche im
Lager, hatten sie sich überzeugt, daß die Armee mit der Einnahme von Tetuan
den Krieg für beendigt hielt und durchaus keine Fortsetzung der Feindseligkeiten
wünschte. Mit der dem Spanier eigenen Unkenntniß fremder Verhältnisse und
ungemessener Ueberschätzung der eigenen Leistungen verglich man die leicht
erfochtenen Siege über das der Disciplin und Artillerie entbehrende maurische
Heer mit den schwierigsten Feldzügen, die andere europäische Armeen durch-


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[0111] Strand war weithin bedeckt mit Kisten, Säcken und Ballen und Tausende kleiner kräftiger Gestalten in braune Ponchos und rothe oder himmelblaue Beinkleider gekleidet, waren emsig beschäftigt aus den unaufhörlich zu- und abfahrenden Booten neue Massen von Vorräthen ans Land zu schaffen, Schiffszwieback, Reis, Speck, wie hier und da zerbrochene Kisten und geplatzte Säcke zeigten. Hoch auf einigen Ballen stehend, überwachte die Arbeit ein General, den der Führer als den Chef des Gcneralstabes der Armee Mariscal de Campo Garcia (Divisionsgeneral oder Generallieutenant) bezeichnete, und bei dem sich die Offiziere meldeten. Er gab ihnen einen Führer zum Hauptquartier mit. wo sie General O'Donnell sehr freundlich empfing. Man sieht dem Grafen von Lucera — denn diesen Titel, den er später mit dem eines Herzogs von Tetuan vertauschte, führte damals noch der Führer des spanischen Heeres — die nordische Abstammung an, obgleich schon der Großvater des Generals aus Irland in Spanien einwanderte. O'Donnell, ein stattlicher Fünfziger, zeichnete sich durch hohen Wuchs, helle Gesichtsfarbe und röthliches Haar merklich vor den Spaniern aus. Er bestätigte zwar den Reisenden, was ihnen schon der Generalstabchef gesagt hatte, daß sie in Tetuan weder Pferde noch Lagergeräthschaften würden kaufen können, gab ihnen aber den Trost, daß der Beginn der Operation gegen Tetuan noch vierzehn Tage, bis zum Eintreffen von schwerem Geschütz, hinaus¬ geschoben sei, sodaß Zeit genug zu einem Abstecher nach Gibraltar blieb, der auch schon des andern Tages angetreten ward. Ein Unstern schien jedoch über den militärischen Plänen der Preußen zu walten. Die Einkäufe in Gibraltar konnten nicht so schnell beendigt werden, als man geglaubt hatte; erst am vierten Morgens wurde es möglich wieder nach der afrikanischen Küste unter Segel zu gehen. und als das Schiff spät Nachts am vierten auf der Rhede von Tetuan eintraf, wehte der jedes Landen unmöglich machende Levante oder Ostwind, der nach Ceuta umzukehren zwang. Erst am sechsten Mittags was es möglich wieder unter Segel zu gehen, und unterdessen hatte am 31. Januar ein heftiges Gefecht zwischen Spaniern und Marokkanern stattgefunden' und Tetuan war am 4. Februar genommen worden! Mit sehr gedämpften Hoffnungen kamen die preußischen Offiziere am siebenten wieder in das spanische Lager. In Madrid und in Spanien selbst hatten sie überall große Kriegslust vorgefunden; unterwegs aber, wo sie mit spanischen Offizieren zusammentrafen und bei ihrem ersten flüchtigen Besuche im Lager, hatten sie sich überzeugt, daß die Armee mit der Einnahme von Tetuan den Krieg für beendigt hielt und durchaus keine Fortsetzung der Feindseligkeiten wünschte. Mit der dem Spanier eigenen Unkenntniß fremder Verhältnisse und ungemessener Ueberschätzung der eigenen Leistungen verglich man die leicht erfochtenen Siege über das der Disciplin und Artillerie entbehrende maurische Heer mit den schwierigsten Feldzügen, die andere europäische Armeen durch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/111>, abgerufen am 28.09.2024.