Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.drück nicht durch den Vorwand der Kränklichkeit ausgebeugt haben. Am Ende Zu dem Unglimpf gegen die Geistlichkeit, der langen Entbehrung der Schon am 23. November 1807 aus einem Viehmärkte zu Meran und spä¬ 1*
drück nicht durch den Vorwand der Kränklichkeit ausgebeugt haben. Am Ende Zu dem Unglimpf gegen die Geistlichkeit, der langen Entbehrung der Schon am 23. November 1807 aus einem Viehmärkte zu Meran und spä¬ 1*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0011" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189106"/> <p xml:id="ID_11" prev="#ID_10"> drück nicht durch den Vorwand der Kränklichkeit ausgebeugt haben. Am Ende<lb/> fügte sich aber selbst der Papst, der den Zank so eifrig geschürt hatte, dem<lb/> Willen der bayerischen Regierung und sprach auf Einschreiten ihres Gesandten<lb/> durch ein Breve vom 7. September 1808 die Einverleibung des tiroler An¬<lb/> theils vom churer Sprengel mit dem Bisthum Brixen aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_12"> Zu dem Unglimpf gegen die Geistlichkeit, der langen Entbehrung der<lb/> kirchlichen Gnadenmittel in einem nicht unbedeutenden Theile des Landes und<lb/> der drohenden Gefahr unendlichen Schadens am Seelenheil kam noch die Ab¬<lb/> stellung manches katholischen Brauches und der Geist böser Neuerung, der sich<lb/> durch Beseitigung der Mönche aus den Schulen und noch mehr an der inns¬<lb/> brucker Universität kundgab. Die Frühmessen im Advent und die frommen<lb/> Schauspiele mit den „heiligen Gräbern" in der Charwoche wurden abgeschafft,<lb/> Wallfahrten und außerordentliche Bittgänge verboten, die polternden Kapuziner<lb/> aus ihren Klöstern weggeführt und gleich anderen Unruhestistern an entfernte<lb/> Orte versetzt. Man hob die Lehranstalten der Franziskaner und Benedictiner<lb/> in Bozen und Meran, das Seminar, die philosophischen und theologischen Schu¬<lb/> len des Bischofs von Brixen auf und errichtete dafür in ersterer Stadt eine<lb/> Realschule; an der Universität trugen die Professoren Bertholdi, Feitmoser und<lb/> Spechtenhauser, obgleich sie sämmtlich Tiroler und Geistliche waren, haarsträu¬<lb/> bende Grundsätze und Lehren vor. Die pfälzer „Illuminaten" hatten es offen¬<lb/> bar darauf abgesehen, die katholische Religion in Tirol auszurotten ^und dafür<lb/> Unglauben und Sittenlosigkeit zu verbreiten. Diese Ansicht redeten die geist¬<lb/> lichen Märtyrer dem gläubigen Volke von der Kanzel und im Beichtstuhle bei<lb/> jeder Gelegenheit und aller Orten ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_13" next="#ID_14"> Schon am 23. November 1807 aus einem Viehmärkte zu Meran und spä¬<lb/> ter in der Nähe von Brixen fanden bedenkliche Zusammenkünfte mehrer<lb/> Bauern statt. Auch Andreas Hofer. der Sandwirth in Passeier, war dabei,<lb/> allein trotz aller eingezogenen Kundschaften und Vernehmungen konnte man<lb/> nichts auf ihn bringen. Selbst in den Berichten der Zeitgenossen forscht man<lb/> vergeblich nach seiner ferneren Thätigkeit, bis ihn gegen Ende 1808 Erzherzog<lb/> Johann durch eine mittelst seines Büchsenspanners Anton Steger unterhaltene<lb/> Korrespondenz auszeichnete. Was die Aufmerksamkeit des kaiserlichen Prinzen<lb/> gerade auf ihn gelenkt, vermögen wir nicht zu sagen, es wäre denn, daß feine<lb/> früheren Feldzüge von 1796 und 1806, in denen er an der Spitze seiner<lb/> Passeirer stand, in ihm einen besonders beliebten Anführer der Bauern erken¬<lb/> nen ließen. Seine persönliche Erscheinung machte den Eindruck eines starken und<lb/> wohlgenährten Mannes; mit seinen vollen rothen Backen dem alten Ritter Frunds-<lb/> verg vergleichbar, verband er mit breiter Brust und fetten Waden eine ansehn¬<lb/> liche Körperlänge; den schwarzen Bart, der ihm weit hcrunterhing, trug er in<lb/> Folge einer Wette, daß er nicht unter dem Pantoffel seiner Ehefrau stehe.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 1*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
drück nicht durch den Vorwand der Kränklichkeit ausgebeugt haben. Am Ende
fügte sich aber selbst der Papst, der den Zank so eifrig geschürt hatte, dem
Willen der bayerischen Regierung und sprach auf Einschreiten ihres Gesandten
durch ein Breve vom 7. September 1808 die Einverleibung des tiroler An¬
theils vom churer Sprengel mit dem Bisthum Brixen aus.
Zu dem Unglimpf gegen die Geistlichkeit, der langen Entbehrung der
kirchlichen Gnadenmittel in einem nicht unbedeutenden Theile des Landes und
der drohenden Gefahr unendlichen Schadens am Seelenheil kam noch die Ab¬
stellung manches katholischen Brauches und der Geist böser Neuerung, der sich
durch Beseitigung der Mönche aus den Schulen und noch mehr an der inns¬
brucker Universität kundgab. Die Frühmessen im Advent und die frommen
Schauspiele mit den „heiligen Gräbern" in der Charwoche wurden abgeschafft,
Wallfahrten und außerordentliche Bittgänge verboten, die polternden Kapuziner
aus ihren Klöstern weggeführt und gleich anderen Unruhestistern an entfernte
Orte versetzt. Man hob die Lehranstalten der Franziskaner und Benedictiner
in Bozen und Meran, das Seminar, die philosophischen und theologischen Schu¬
len des Bischofs von Brixen auf und errichtete dafür in ersterer Stadt eine
Realschule; an der Universität trugen die Professoren Bertholdi, Feitmoser und
Spechtenhauser, obgleich sie sämmtlich Tiroler und Geistliche waren, haarsträu¬
bende Grundsätze und Lehren vor. Die pfälzer „Illuminaten" hatten es offen¬
bar darauf abgesehen, die katholische Religion in Tirol auszurotten ^und dafür
Unglauben und Sittenlosigkeit zu verbreiten. Diese Ansicht redeten die geist¬
lichen Märtyrer dem gläubigen Volke von der Kanzel und im Beichtstuhle bei
jeder Gelegenheit und aller Orten ein.
Schon am 23. November 1807 aus einem Viehmärkte zu Meran und spä¬
ter in der Nähe von Brixen fanden bedenkliche Zusammenkünfte mehrer
Bauern statt. Auch Andreas Hofer. der Sandwirth in Passeier, war dabei,
allein trotz aller eingezogenen Kundschaften und Vernehmungen konnte man
nichts auf ihn bringen. Selbst in den Berichten der Zeitgenossen forscht man
vergeblich nach seiner ferneren Thätigkeit, bis ihn gegen Ende 1808 Erzherzog
Johann durch eine mittelst seines Büchsenspanners Anton Steger unterhaltene
Korrespondenz auszeichnete. Was die Aufmerksamkeit des kaiserlichen Prinzen
gerade auf ihn gelenkt, vermögen wir nicht zu sagen, es wäre denn, daß feine
früheren Feldzüge von 1796 und 1806, in denen er an der Spitze seiner
Passeirer stand, in ihm einen besonders beliebten Anführer der Bauern erken¬
nen ließen. Seine persönliche Erscheinung machte den Eindruck eines starken und
wohlgenährten Mannes; mit seinen vollen rothen Backen dem alten Ritter Frunds-
verg vergleichbar, verband er mit breiter Brust und fetten Waden eine ansehn¬
liche Körperlänge; den schwarzen Bart, der ihm weit hcrunterhing, trug er in
Folge einer Wette, daß er nicht unter dem Pantoffel seiner Ehefrau stehe.
1*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |