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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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lungen aus dem Ganzen hervorgehen werden. Noch ist der rechte Geist nicht
aus der preußischen Armee gewichen, wie sich in Schleswig ergiebt, wo die
wirklich kriegerischen Thaten, der Verlauf der grösiern Gefechte vor Düppel,
nicht Folge der gegebenen Befehle, sondern des von unten her sich geltend¬
machenden Thatendranges sind. -- Ist doch auch die Vorgeschriebene Kleidung
dem praktischen Bedürfniß des Einzelnen gewichen.

Je mehr der Geist der Ehre in dem Soldaten gepflegt- ist, je mehr der
Soldat in diesem Geiste mit seinen Führern und mit der Negierung überein¬
stimmt, um so mehr Gefechtsfreudigkeit wird er haben. Die preußische Armee
als positiver und Voller Repräsentant des preußischen Volkes muß in dieser
Beziehung allen andern Armeen gegenüber im Vortheile sein, sobald die Regie¬
rung mit den Interessen des Volkes Hand in Hand geht. Die preußische Armee
bedarf deshalb der Reizmittel die Gefechtsfreudigkeit zu fördern am wenigsten,
hat darauf in einer Ausdehnung Verzichtet wie keine andere.

Während dem französischen Soldaten der Marschallsstab als Lorbeer seiner
Thaten winkt, während der Engländer die Thaten seiner Leute schwer bezahlt,
-- die Eroberung einer feindlichen Batterie u. a. ist dort eine wahre Schatz¬
grube für die Leute --, während selbst das aristokratische Oestreich der Tapfer,
keit die höchste Laufbahn eröffnet, kann der preußische Soldat, wie es scheint
nicht einmal denselben Orden mit seinem Offizier erwerben, und noch'immer
zaudert man zu sehr, ihn für kriegerische Leistungen zum Offizier zu machen.
Während Frankreich und nach'dem Beispiel desselben Oestreich die Tapferkeit
seiner Leute als ein positives Verdienst anerkennt und der Handlung auch den
Lohn auf dem Fuße folgen läßt, indem es dem Heerführer das Recht ertheilt,
auf dem Schlachtfeld zu befördern und auszuzeichnen, ist in Preußen die Gnade
des Königs allein entscheidend. Allerdings ist das Füllhorn dieser Gnade
reichlich ausgeschüttet worden. -- Im Jahre 1813, als das ganze Volk sich für
den Krieg erhob, hielt man die Gemeinschaftlichkeit der Stände in der Armee
aufrecht, heute glaubt man davon abstrahiren zu können und zieht Schranken
zwischen dem Offizier und den Leuten. Und doch, wie Viel näher müßte sich-
heute die Negierung der Armee im Ganzen und Einzelnen fühlen als damals!

Das moralische Element ist das Band, welches die Armee zu einem ein¬
zigen, lebendigen Körper macht, die Disciplin kann es nicht ersetzen, im Gegen¬
theil, diese muß durch jenes getragen werden. Eine eiserne Disciplin ist im
Kriege ganz unmöglich, wenn sie nicht mit einer unermüdlichen Förderung des
moralischen Elements verbunden ist. Nichts aber zerstört dieses so Vollständig
wie die gründlich Verlorene Schlacht, nichts hebt dasselbe so wie der erfochtene
Sieg. Hierin liegt der Grund, daß die kräftige Verfolgung nach der Schlacht
Von so großen Erfolgen begleitet und von um so größerer Bedeutung ist, je
früher sie eintritt. Und in diesen Erfolgen ist es motivirt. daß an dem Streben


lungen aus dem Ganzen hervorgehen werden. Noch ist der rechte Geist nicht
aus der preußischen Armee gewichen, wie sich in Schleswig ergiebt, wo die
wirklich kriegerischen Thaten, der Verlauf der grösiern Gefechte vor Düppel,
nicht Folge der gegebenen Befehle, sondern des von unten her sich geltend¬
machenden Thatendranges sind. — Ist doch auch die Vorgeschriebene Kleidung
dem praktischen Bedürfniß des Einzelnen gewichen.

Je mehr der Geist der Ehre in dem Soldaten gepflegt- ist, je mehr der
Soldat in diesem Geiste mit seinen Führern und mit der Negierung überein¬
stimmt, um so mehr Gefechtsfreudigkeit wird er haben. Die preußische Armee
als positiver und Voller Repräsentant des preußischen Volkes muß in dieser
Beziehung allen andern Armeen gegenüber im Vortheile sein, sobald die Regie¬
rung mit den Interessen des Volkes Hand in Hand geht. Die preußische Armee
bedarf deshalb der Reizmittel die Gefechtsfreudigkeit zu fördern am wenigsten,
hat darauf in einer Ausdehnung Verzichtet wie keine andere.

Während dem französischen Soldaten der Marschallsstab als Lorbeer seiner
Thaten winkt, während der Engländer die Thaten seiner Leute schwer bezahlt,
— die Eroberung einer feindlichen Batterie u. a. ist dort eine wahre Schatz¬
grube für die Leute —, während selbst das aristokratische Oestreich der Tapfer,
keit die höchste Laufbahn eröffnet, kann der preußische Soldat, wie es scheint
nicht einmal denselben Orden mit seinem Offizier erwerben, und noch'immer
zaudert man zu sehr, ihn für kriegerische Leistungen zum Offizier zu machen.
Während Frankreich und nach'dem Beispiel desselben Oestreich die Tapferkeit
seiner Leute als ein positives Verdienst anerkennt und der Handlung auch den
Lohn auf dem Fuße folgen läßt, indem es dem Heerführer das Recht ertheilt,
auf dem Schlachtfeld zu befördern und auszuzeichnen, ist in Preußen die Gnade
des Königs allein entscheidend. Allerdings ist das Füllhorn dieser Gnade
reichlich ausgeschüttet worden. — Im Jahre 1813, als das ganze Volk sich für
den Krieg erhob, hielt man die Gemeinschaftlichkeit der Stände in der Armee
aufrecht, heute glaubt man davon abstrahiren zu können und zieht Schranken
zwischen dem Offizier und den Leuten. Und doch, wie Viel näher müßte sich-
heute die Negierung der Armee im Ganzen und Einzelnen fühlen als damals!

Das moralische Element ist das Band, welches die Armee zu einem ein¬
zigen, lebendigen Körper macht, die Disciplin kann es nicht ersetzen, im Gegen¬
theil, diese muß durch jenes getragen werden. Eine eiserne Disciplin ist im
Kriege ganz unmöglich, wenn sie nicht mit einer unermüdlichen Förderung des
moralischen Elements verbunden ist. Nichts aber zerstört dieses so Vollständig
wie die gründlich Verlorene Schlacht, nichts hebt dasselbe so wie der erfochtene
Sieg. Hierin liegt der Grund, daß die kräftige Verfolgung nach der Schlacht
Von so großen Erfolgen begleitet und von um so größerer Bedeutung ist, je
früher sie eintritt. Und in diesen Erfolgen ist es motivirt. daß an dem Streben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/78>, abgerufen am 23.07.2024.