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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Streng seiner Forderungen neben der gründlichsten Sorge für das Wohlergehen
des Soldaten und vor allen Dingen durch die Größe seiner Gefechtsziele. Der
Feldherr muß geizen mit dem Leben seiner Soldaten, aber wenn er ^s einsehe,
muß es voll und mit dem Zweck geschehen, dem Vaterland in dem "lege auch
reellen Ersatz für das Leben seiner Söhne zu gewähren. In der Größe der
Gefechtsziele'zeigt sich der Genius und der Zauber einer starken Mannest'rast.
Unter Größe der Gefechtsziele aber verstehen wir das qualitativ, nicht das
quantitativ Große. Wenn wir z. B. hören, daß das bei Arms übergegangene
preußische Corps die Ausgabe hatte die dänische Armee gefangen zu nehmen,
so war das freilich auch ein großes Ziel, aber zum Fangen gehören zwei, einer,
w fängt und ein anderer, der sich fangen läßt. -- Napoleon konnte 1806
frei aus die Rückzugslinie der Preußen marschiren, er marschirte aber einfach zur
Schlacht, schlug den Gegner und dann hielt er die Ernte. Blücher rückte
1813 bei Belle-Alliance erst in die Schlachtlinie und rang blutig um den Sieg,
dann erst kam die Verfolgung und Gefangennehmung des Gegners. 1813 stellte
sich Wrede dem geschlagenen Napoleon bei Hanau in den Weg und wollte die
Franzosen gefangen nehmen, er wurde geschlagen und mußte selbst Gefangene
hergeben.

Damit der Soldat aber an seine politischen Leiter glaube, ist es noth¬
wendig, daß der Zweck des Krieges jedem Einzelnen klar ist; das erleichtert das
Leben und das Sterben, es hilft über die Fatiguen und die Gefahren
hinweg. In Schleswig z. B. glaubt zur Zeit der wirklich kämpfende Theil der
preußischen Truppen, daß er um die Eroberung Schleswigs für Deutschland
ringt, trotzdem die Negierung dies nicht ausgesprochen hat. Diese Meinung
der Armee wird auch hoffentlich Preußen auf dem deutschen Wege halten, trotz
aller widerstrebenden Interessen. Denn man erblickt bei der gegenwärtigen poli¬
tischen Richtung in der Armee den einzigen festen Halt und man muß des¬
halb unter allen Umständen vermeiden, dieselbe in ihrem innersten Gefühl zu
verletzen. Selbst eine Personalunion Schleswigs mit Dänemark in der wei¬
testen Ausdehnung würde unsres Erachtens den Opfern der Armee gegenüber
nicht gerechtfertigt erscheinen. -- Freilich ist von entscheidender Stelle der Aus¬
spruch gethan, daß die Ehre des Heeres nur in seinem unbedingten Gehorsam
bestehe. Aber noch liegt das Jahr 1806 nicht so fern, daß es in Preußen
schon vergessen sein könnte. Gerade in dem stark durchgearbeiteten Grundsatz,
daß der Gehorsam die Ehre der Armee sei. ging dieselbe damals zu Grunde;
eben deshalb fand sich den ehrlosen Handlungen der einzelnen Führer gegenüber
Keiner, der für die wahre Ehre des Heeres einstand, gerade deshalb wurde die
Schwäche der alten Generale auch die Schwäche des Ganzen. Ein wohlgepfleg-
tcs Ehrgefühl ist eine Basis des Sieges und wenn die Ehre höher steht als
der Gehorsam, dürfen wir erwarten, daß trotz schwacher Befehle tüchtige Hand-


Streng seiner Forderungen neben der gründlichsten Sorge für das Wohlergehen
des Soldaten und vor allen Dingen durch die Größe seiner Gefechtsziele. Der
Feldherr muß geizen mit dem Leben seiner Soldaten, aber wenn er ^s einsehe,
muß es voll und mit dem Zweck geschehen, dem Vaterland in dem «lege auch
reellen Ersatz für das Leben seiner Söhne zu gewähren. In der Größe der
Gefechtsziele'zeigt sich der Genius und der Zauber einer starken Mannest'rast.
Unter Größe der Gefechtsziele aber verstehen wir das qualitativ, nicht das
quantitativ Große. Wenn wir z. B. hören, daß das bei Arms übergegangene
preußische Corps die Ausgabe hatte die dänische Armee gefangen zu nehmen,
so war das freilich auch ein großes Ziel, aber zum Fangen gehören zwei, einer,
w fängt und ein anderer, der sich fangen läßt. — Napoleon konnte 1806
frei aus die Rückzugslinie der Preußen marschiren, er marschirte aber einfach zur
Schlacht, schlug den Gegner und dann hielt er die Ernte. Blücher rückte
1813 bei Belle-Alliance erst in die Schlachtlinie und rang blutig um den Sieg,
dann erst kam die Verfolgung und Gefangennehmung des Gegners. 1813 stellte
sich Wrede dem geschlagenen Napoleon bei Hanau in den Weg und wollte die
Franzosen gefangen nehmen, er wurde geschlagen und mußte selbst Gefangene
hergeben.

Damit der Soldat aber an seine politischen Leiter glaube, ist es noth¬
wendig, daß der Zweck des Krieges jedem Einzelnen klar ist; das erleichtert das
Leben und das Sterben, es hilft über die Fatiguen und die Gefahren
hinweg. In Schleswig z. B. glaubt zur Zeit der wirklich kämpfende Theil der
preußischen Truppen, daß er um die Eroberung Schleswigs für Deutschland
ringt, trotzdem die Negierung dies nicht ausgesprochen hat. Diese Meinung
der Armee wird auch hoffentlich Preußen auf dem deutschen Wege halten, trotz
aller widerstrebenden Interessen. Denn man erblickt bei der gegenwärtigen poli¬
tischen Richtung in der Armee den einzigen festen Halt und man muß des¬
halb unter allen Umständen vermeiden, dieselbe in ihrem innersten Gefühl zu
verletzen. Selbst eine Personalunion Schleswigs mit Dänemark in der wei¬
testen Ausdehnung würde unsres Erachtens den Opfern der Armee gegenüber
nicht gerechtfertigt erscheinen. — Freilich ist von entscheidender Stelle der Aus¬
spruch gethan, daß die Ehre des Heeres nur in seinem unbedingten Gehorsam
bestehe. Aber noch liegt das Jahr 1806 nicht so fern, daß es in Preußen
schon vergessen sein könnte. Gerade in dem stark durchgearbeiteten Grundsatz,
daß der Gehorsam die Ehre der Armee sei. ging dieselbe damals zu Grunde;
eben deshalb fand sich den ehrlosen Handlungen der einzelnen Führer gegenüber
Keiner, der für die wahre Ehre des Heeres einstand, gerade deshalb wurde die
Schwäche der alten Generale auch die Schwäche des Ganzen. Ein wohlgepfleg-
tcs Ehrgefühl ist eine Basis des Sieges und wenn die Ehre höher steht als
der Gehorsam, dürfen wir erwarten, daß trotz schwacher Befehle tüchtige Hand-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/77>, abgerufen am 23.07.2024.