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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Gewächse als eine geschlechtliche Zeugung beruht aus Analogienschlüssen, Ein
unverkennbarer Uebergang führt schrittweise von den blüthentragenden Pflanzen
durch die Nadelbäume, die Farrnkräuter zu den Moosen und von diesen zu den
Algen, Für die Kryptogame" mit Sporen von zweierlei Größe (wie die Sela-
ginellcn. das Pillenkraut u, s. w.). sowie sür solche Moose, bei denen jedes
Individuum der beblätterten Pflanze nur einerlei Geschlechtsorgane hervorbringt,
liegen zahlreiche Beobachtungen vor, welche mit der nämlichen Sicherheit, wie
für die Blüthcnpflanzen, auch für diese blüthcnlvse" Gewächse den Nachweis
liefern, daß die weibliche Pflanze, wenn sie von männlichen getrennt vegetirt,
keinen Embryo, keine Frucht zu entwickeln vermag. Je tiefer unsere Erfahrung
eindringt, mit um so ausnahmsloserer Schärfe erhärtet sich dieser Satz, Alle
vermeintlichen Beobachtungen der Embryobildung ohne Mitwirkung der befruch¬
tenden Organe haben sich bei genauerer Untersuchung als Täuschungen erwiesen.
Dieser Beweis der Nothwendigkeit der Befruchtung ist indeß nur ein negativer.
Eine positive Andeutung über die Art der Wirkung der Befruchtung gibt uns
die Bastardzeugung.

Wenn die Narbe einer Blüthenpflanze, bei sorgfältigem Ausschluß des
Blumensiaubcs der eigenen Art, mit dem Pollen einer fremdartigen, aber nicht
allzu weit verschiedenen Form bestäubt wird, so erfolgt in vielen Fällen die
Entwickelung keimfähiger Samen. Zwar schwieriger, und minder reichlich als
bei normaler Befruchtung; aber doch häusig genug. Die Pflanzen, welche
solchen Samen entkeimen, sind Mischlinge. Sie zeigen in ihren Eigenschaften,
namentlich in ihren Formen, eine Vermengung der Eigenschaften der beiden
Stammeltern. Hier zeigt sich uns aufs deutlichste, daß die Befruchtung eine
die Form der Nachkommenschaft bestimmende Kraft übt. Die Vereinigung der
Formen der Stammeltern in der Bastardpflanze unterliegt bestimmten Regeln.
Nickt- nur sind, mit seltenen Ausnahmefällen, die aus derselben Bastardzeugung
hervorgegangenen Mischlinge gleichgestaltet, sondern es gilt das Nämliche auch
von denen, welche aus der Vereinigung der nämlichen Stammarten zu anderer
Zeit und an anderem Orte entstehen. Dabei tritt das höchst merkwürdige Ver¬
hältniß hervor, daß die Bastarde zweier Arten völlig gleich gestaltet sind, möge
nun die eine Art die befruchtende, die andere die keimbereitende Rolle über¬
nommen haben, oder umgekehrt. Wenige Thatsachen sind durch zahlreiche, genaue
und von verschiedenen Forschern wiederholte Versuche so fest gestellt, als diese.

Die Bastarde von Stammeltern. die in ihren Formen in dem Grade ver¬
schieden sind, daß sie als verschiedene Arten der nämlichen Gattung betrachtet
zu werden pflegen, sind minder fruchtbar, als die reinen Arten. Die Schwächung
der Fortpflanzungsfähigkeit beruht in ungenügender Ausbildung des Blüthen¬
staubes. Denn die weiblichen Organe der Bastarde liefern reichlichst keimfähige
Samen, wenn sie mit dem Pollen einer der Stammarien bestäubt werden.


Gewächse als eine geschlechtliche Zeugung beruht aus Analogienschlüssen, Ein
unverkennbarer Uebergang führt schrittweise von den blüthentragenden Pflanzen
durch die Nadelbäume, die Farrnkräuter zu den Moosen und von diesen zu den
Algen, Für die Kryptogame» mit Sporen von zweierlei Größe (wie die Sela-
ginellcn. das Pillenkraut u, s. w.). sowie sür solche Moose, bei denen jedes
Individuum der beblätterten Pflanze nur einerlei Geschlechtsorgane hervorbringt,
liegen zahlreiche Beobachtungen vor, welche mit der nämlichen Sicherheit, wie
für die Blüthcnpflanzen, auch für diese blüthcnlvse» Gewächse den Nachweis
liefern, daß die weibliche Pflanze, wenn sie von männlichen getrennt vegetirt,
keinen Embryo, keine Frucht zu entwickeln vermag. Je tiefer unsere Erfahrung
eindringt, mit um so ausnahmsloserer Schärfe erhärtet sich dieser Satz, Alle
vermeintlichen Beobachtungen der Embryobildung ohne Mitwirkung der befruch¬
tenden Organe haben sich bei genauerer Untersuchung als Täuschungen erwiesen.
Dieser Beweis der Nothwendigkeit der Befruchtung ist indeß nur ein negativer.
Eine positive Andeutung über die Art der Wirkung der Befruchtung gibt uns
die Bastardzeugung.

Wenn die Narbe einer Blüthenpflanze, bei sorgfältigem Ausschluß des
Blumensiaubcs der eigenen Art, mit dem Pollen einer fremdartigen, aber nicht
allzu weit verschiedenen Form bestäubt wird, so erfolgt in vielen Fällen die
Entwickelung keimfähiger Samen. Zwar schwieriger, und minder reichlich als
bei normaler Befruchtung; aber doch häusig genug. Die Pflanzen, welche
solchen Samen entkeimen, sind Mischlinge. Sie zeigen in ihren Eigenschaften,
namentlich in ihren Formen, eine Vermengung der Eigenschaften der beiden
Stammeltern. Hier zeigt sich uns aufs deutlichste, daß die Befruchtung eine
die Form der Nachkommenschaft bestimmende Kraft übt. Die Vereinigung der
Formen der Stammeltern in der Bastardpflanze unterliegt bestimmten Regeln.
Nickt- nur sind, mit seltenen Ausnahmefällen, die aus derselben Bastardzeugung
hervorgegangenen Mischlinge gleichgestaltet, sondern es gilt das Nämliche auch
von denen, welche aus der Vereinigung der nämlichen Stammarten zu anderer
Zeit und an anderem Orte entstehen. Dabei tritt das höchst merkwürdige Ver¬
hältniß hervor, daß die Bastarde zweier Arten völlig gleich gestaltet sind, möge
nun die eine Art die befruchtende, die andere die keimbereitende Rolle über¬
nommen haben, oder umgekehrt. Wenige Thatsachen sind durch zahlreiche, genaue
und von verschiedenen Forschern wiederholte Versuche so fest gestellt, als diese.

Die Bastarde von Stammeltern. die in ihren Formen in dem Grade ver¬
schieden sind, daß sie als verschiedene Arten der nämlichen Gattung betrachtet
zu werden pflegen, sind minder fruchtbar, als die reinen Arten. Die Schwächung
der Fortpflanzungsfähigkeit beruht in ungenügender Ausbildung des Blüthen¬
staubes. Denn die weiblichen Organe der Bastarde liefern reichlichst keimfähige
Samen, wenn sie mit dem Pollen einer der Stammarien bestäubt werden.


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[0072] Gewächse als eine geschlechtliche Zeugung beruht aus Analogienschlüssen, Ein unverkennbarer Uebergang führt schrittweise von den blüthentragenden Pflanzen durch die Nadelbäume, die Farrnkräuter zu den Moosen und von diesen zu den Algen, Für die Kryptogame» mit Sporen von zweierlei Größe (wie die Sela- ginellcn. das Pillenkraut u, s. w.). sowie sür solche Moose, bei denen jedes Individuum der beblätterten Pflanze nur einerlei Geschlechtsorgane hervorbringt, liegen zahlreiche Beobachtungen vor, welche mit der nämlichen Sicherheit, wie für die Blüthcnpflanzen, auch für diese blüthcnlvse» Gewächse den Nachweis liefern, daß die weibliche Pflanze, wenn sie von männlichen getrennt vegetirt, keinen Embryo, keine Frucht zu entwickeln vermag. Je tiefer unsere Erfahrung eindringt, mit um so ausnahmsloserer Schärfe erhärtet sich dieser Satz, Alle vermeintlichen Beobachtungen der Embryobildung ohne Mitwirkung der befruch¬ tenden Organe haben sich bei genauerer Untersuchung als Täuschungen erwiesen. Dieser Beweis der Nothwendigkeit der Befruchtung ist indeß nur ein negativer. Eine positive Andeutung über die Art der Wirkung der Befruchtung gibt uns die Bastardzeugung. Wenn die Narbe einer Blüthenpflanze, bei sorgfältigem Ausschluß des Blumensiaubcs der eigenen Art, mit dem Pollen einer fremdartigen, aber nicht allzu weit verschiedenen Form bestäubt wird, so erfolgt in vielen Fällen die Entwickelung keimfähiger Samen. Zwar schwieriger, und minder reichlich als bei normaler Befruchtung; aber doch häusig genug. Die Pflanzen, welche solchen Samen entkeimen, sind Mischlinge. Sie zeigen in ihren Eigenschaften, namentlich in ihren Formen, eine Vermengung der Eigenschaften der beiden Stammeltern. Hier zeigt sich uns aufs deutlichste, daß die Befruchtung eine die Form der Nachkommenschaft bestimmende Kraft übt. Die Vereinigung der Formen der Stammeltern in der Bastardpflanze unterliegt bestimmten Regeln. Nickt- nur sind, mit seltenen Ausnahmefällen, die aus derselben Bastardzeugung hervorgegangenen Mischlinge gleichgestaltet, sondern es gilt das Nämliche auch von denen, welche aus der Vereinigung der nämlichen Stammarten zu anderer Zeit und an anderem Orte entstehen. Dabei tritt das höchst merkwürdige Ver¬ hältniß hervor, daß die Bastarde zweier Arten völlig gleich gestaltet sind, möge nun die eine Art die befruchtende, die andere die keimbereitende Rolle über¬ nommen haben, oder umgekehrt. Wenige Thatsachen sind durch zahlreiche, genaue und von verschiedenen Forschern wiederholte Versuche so fest gestellt, als diese. Die Bastarde von Stammeltern. die in ihren Formen in dem Grade ver¬ schieden sind, daß sie als verschiedene Arten der nämlichen Gattung betrachtet zu werden pflegen, sind minder fruchtbar, als die reinen Arten. Die Schwächung der Fortpflanzungsfähigkeit beruht in ungenügender Ausbildung des Blüthen¬ staubes. Denn die weiblichen Organe der Bastarde liefern reichlichst keimfähige Samen, wenn sie mit dem Pollen einer der Stammarien bestäubt werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/72>, abgerufen am 03.07.2024.