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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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1) daß die Bewohner Schleswigs nördlich von der Linie Tondern-Flens-
burg in ihrer weit überwiegenden Majorität nach Sprache und Sitte den Dänen
viel näher stehen als den Deutschen, und

2) daß jedenfalls die Mehrzahl derjenigen unter ihnen, welche überhaupt
für politische Dinge Augen und Herzen haben, ja wahrscheinlich die Mehrzahl
aller Nordschleswiger überhaupt bei einer Befragung, ob das ganze Schles¬
wig-Holstein aus der dänischen Monarchie ausscheiden solle, mit Stein stimmen
würden.

Eine durchaus andere Frage wäre, ob diese Südjüten Nordschlcswigs für
steh allein den Eintritt in die dänische Monarchie begehren, ob sie von Süd¬
schleswig und Holstein getrennt sein wollen. Diese Frage würde ihnen unsrer
Meinung zufolge mit einer Aufklärung über ihre Tragweite vorzulegen sein,
und wenn wir der fernern Meinung sind, daß dann mit ziemlicher Sicherheit
zu erwarten wäre, die Majorität würde sich gegen eine Abtrennung vom Süden
aussprechen, so wäre auf diesem gerechtesten aller Wege zugleich das günstigste
aller Ergebnisse erreicht. Eine Einverleibung oder correcter ein Behalten dieses
Theils der Bevölkerung der Herzogtümer wider dessen Wunsch dagegen würde
den neuen Staat nicht stärken, sondern ihn fast in gleichem Grade schwächen,
als Dänemark durch seine Verbindung mit Schleswig-Holstein geschwächt
wurde.

Unsere Hoffnung, die Nordschleswiger würden sich gegen eine Theilung des
Herzogthums aussprechen, gründet sich nur in geringem Maße auf die Zeitungs¬
nachrichten, die in den letzten Wochen von dort eingetroffen sind. Auch in
dieser guten Sache geht es nicht ohne einigen Huinbug ab. und die Welt muß
bisweilen recht plumpe Lügen glauben"). Die Deputation aus dem "echt
deutschen" oder, wie andere Ethnographen wollen, "kerndeutschen" Hadersleben
vertritt nur die deutsche Partei der Stadt. Bon der Deputation aus dem
Sundewitt gilt Aehnliches. Die Versammlung auf Böghoved, zu welcher,
wenn sie überhaupt so zahlreich besucht war, als man liest, der Süden ein star¬
kes Contingent gestellt, und an der jedenfalls so ziemlich alles, was nörd¬
lich von Tondern-Flensburg Schleswig-holsteinisch denkt, theilgenommen haben
wird, drückt nicht den Willen NordschleswigS aus. Die Skamlingsbant' würde
sicher eine zahlreichere Versammlung Dänischgcsinnter sehen, wenn eine Gegen¬
demonstration jetzt gerathen wäre. Indeß mögen jene Kundgebungen immerhin
als Anfänge eines Umschwungs der Stimmung einigen Werth haben.

Unsre Hoffnung beruht darauf, daß man mehr als bisher darauf bedacht



') So wen" sich eine Zeitung, die wir nicht nennen wollen, schreiben läßt, an der rends-
burger Laudesversammluna, hätten mindestens zehntausend Nordschlcswiacr Theil acnvmmeu.
Mindestens -- auch das nach -- warum nicht gleich lielicr zwnnzigtnuscnd?

1) daß die Bewohner Schleswigs nördlich von der Linie Tondern-Flens-
burg in ihrer weit überwiegenden Majorität nach Sprache und Sitte den Dänen
viel näher stehen als den Deutschen, und

2) daß jedenfalls die Mehrzahl derjenigen unter ihnen, welche überhaupt
für politische Dinge Augen und Herzen haben, ja wahrscheinlich die Mehrzahl
aller Nordschleswiger überhaupt bei einer Befragung, ob das ganze Schles¬
wig-Holstein aus der dänischen Monarchie ausscheiden solle, mit Stein stimmen
würden.

Eine durchaus andere Frage wäre, ob diese Südjüten Nordschlcswigs für
steh allein den Eintritt in die dänische Monarchie begehren, ob sie von Süd¬
schleswig und Holstein getrennt sein wollen. Diese Frage würde ihnen unsrer
Meinung zufolge mit einer Aufklärung über ihre Tragweite vorzulegen sein,
und wenn wir der fernern Meinung sind, daß dann mit ziemlicher Sicherheit
zu erwarten wäre, die Majorität würde sich gegen eine Abtrennung vom Süden
aussprechen, so wäre auf diesem gerechtesten aller Wege zugleich das günstigste
aller Ergebnisse erreicht. Eine Einverleibung oder correcter ein Behalten dieses
Theils der Bevölkerung der Herzogtümer wider dessen Wunsch dagegen würde
den neuen Staat nicht stärken, sondern ihn fast in gleichem Grade schwächen,
als Dänemark durch seine Verbindung mit Schleswig-Holstein geschwächt
wurde.

Unsere Hoffnung, die Nordschleswiger würden sich gegen eine Theilung des
Herzogthums aussprechen, gründet sich nur in geringem Maße auf die Zeitungs¬
nachrichten, die in den letzten Wochen von dort eingetroffen sind. Auch in
dieser guten Sache geht es nicht ohne einigen Huinbug ab. und die Welt muß
bisweilen recht plumpe Lügen glauben"). Die Deputation aus dem „echt
deutschen" oder, wie andere Ethnographen wollen, „kerndeutschen" Hadersleben
vertritt nur die deutsche Partei der Stadt. Bon der Deputation aus dem
Sundewitt gilt Aehnliches. Die Versammlung auf Böghoved, zu welcher,
wenn sie überhaupt so zahlreich besucht war, als man liest, der Süden ein star¬
kes Contingent gestellt, und an der jedenfalls so ziemlich alles, was nörd¬
lich von Tondern-Flensburg Schleswig-holsteinisch denkt, theilgenommen haben
wird, drückt nicht den Willen NordschleswigS aus. Die Skamlingsbant' würde
sicher eine zahlreichere Versammlung Dänischgcsinnter sehen, wenn eine Gegen¬
demonstration jetzt gerathen wäre. Indeß mögen jene Kundgebungen immerhin
als Anfänge eines Umschwungs der Stimmung einigen Werth haben.

Unsre Hoffnung beruht darauf, daß man mehr als bisher darauf bedacht



') So wen» sich eine Zeitung, die wir nicht nennen wollen, schreiben läßt, an der rends-
burger Laudesversammluna, hätten mindestens zehntausend Nordschlcswiacr Theil acnvmmeu.
Mindestens — auch das nach — warum nicht gleich lielicr zwnnzigtnuscnd?
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[0516] 1) daß die Bewohner Schleswigs nördlich von der Linie Tondern-Flens- burg in ihrer weit überwiegenden Majorität nach Sprache und Sitte den Dänen viel näher stehen als den Deutschen, und 2) daß jedenfalls die Mehrzahl derjenigen unter ihnen, welche überhaupt für politische Dinge Augen und Herzen haben, ja wahrscheinlich die Mehrzahl aller Nordschleswiger überhaupt bei einer Befragung, ob das ganze Schles¬ wig-Holstein aus der dänischen Monarchie ausscheiden solle, mit Stein stimmen würden. Eine durchaus andere Frage wäre, ob diese Südjüten Nordschlcswigs für steh allein den Eintritt in die dänische Monarchie begehren, ob sie von Süd¬ schleswig und Holstein getrennt sein wollen. Diese Frage würde ihnen unsrer Meinung zufolge mit einer Aufklärung über ihre Tragweite vorzulegen sein, und wenn wir der fernern Meinung sind, daß dann mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten wäre, die Majorität würde sich gegen eine Abtrennung vom Süden aussprechen, so wäre auf diesem gerechtesten aller Wege zugleich das günstigste aller Ergebnisse erreicht. Eine Einverleibung oder correcter ein Behalten dieses Theils der Bevölkerung der Herzogtümer wider dessen Wunsch dagegen würde den neuen Staat nicht stärken, sondern ihn fast in gleichem Grade schwächen, als Dänemark durch seine Verbindung mit Schleswig-Holstein geschwächt wurde. Unsere Hoffnung, die Nordschleswiger würden sich gegen eine Theilung des Herzogthums aussprechen, gründet sich nur in geringem Maße auf die Zeitungs¬ nachrichten, die in den letzten Wochen von dort eingetroffen sind. Auch in dieser guten Sache geht es nicht ohne einigen Huinbug ab. und die Welt muß bisweilen recht plumpe Lügen glauben"). Die Deputation aus dem „echt deutschen" oder, wie andere Ethnographen wollen, „kerndeutschen" Hadersleben vertritt nur die deutsche Partei der Stadt. Bon der Deputation aus dem Sundewitt gilt Aehnliches. Die Versammlung auf Böghoved, zu welcher, wenn sie überhaupt so zahlreich besucht war, als man liest, der Süden ein star¬ kes Contingent gestellt, und an der jedenfalls so ziemlich alles, was nörd¬ lich von Tondern-Flensburg Schleswig-holsteinisch denkt, theilgenommen haben wird, drückt nicht den Willen NordschleswigS aus. Die Skamlingsbant' würde sicher eine zahlreichere Versammlung Dänischgcsinnter sehen, wenn eine Gegen¬ demonstration jetzt gerathen wäre. Indeß mögen jene Kundgebungen immerhin als Anfänge eines Umschwungs der Stimmung einigen Werth haben. Unsre Hoffnung beruht darauf, daß man mehr als bisher darauf bedacht ') So wen» sich eine Zeitung, die wir nicht nennen wollen, schreiben läßt, an der rends- burger Laudesversammluna, hätten mindestens zehntausend Nordschlcswiacr Theil acnvmmeu. Mindestens — auch das nach — warum nicht gleich lielicr zwnnzigtnuscnd?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/516>, abgerufen am 25.08.2024.