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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Mehrzahl der politisch zurechnungsfähigen Schleswig-Holsteiner. Die Dänen
weisen selbstverständlich diese Zumuthung zurück. Die neutralen Mächte be¬
quemen sich ihr theilweise ein, sie willigen in die Aufhebung des londoner
Protokolls und in die Theilung der dänischen Monarchie, aber nur unter der
Bedingung, daß die Deutschen in eine Theilung Schleswigs willigen, nach
welcher ihnen die kleinere Südhälfte, den Dänen die größere Nordhälfte des
Herzogthums'zugesprochen werden soll. Dänemark schließt sich dem nothgedrungen
an, auch die deutschen Großmächte gehen auf das Princip einer Theilung ein,
und so handelt sichs gegenwärtig, wie es scheint, nur noch um die Frage, nach
welchen Gesichtspunkten getheilt werden und wie viel von dem Herzogthum an
Deutschland, wie viel an Dänemark fallen soll. Die öffentliche Meinung in
Deutschland erklärt sich gegen solche Nachgiebigkeit, doch nur insofern, als sie
die etwaige Hingabe eines Theils von Schleswig mit dem Rechte Schleswig-
Holsteins und seines Fürsten dadurch in Einklang gebracht sehen will, daß man
nicht die in London versammelten Diplomaten darüber entscheiden läßt, sondern
die rechtlich allein dazu Befugten, Volk und Herzog in Schleswig-Holstein be¬
fragt, ob und wie getheilt werden soll..

Stellen wir uns auf den Standpunkt des abstracten Rechts, so leidet es
keinen Zweifel, daß dasselbe jede Theilung Schleswigs ohne Einwilligung des
Herzogs Friedrich und der Stände seines Landes ausschließt. Die Diplomaten
Europas haben ebensowenig die Befugniß, ein Stück der Herzogtümer ein den
nicht erbberechtigten dänischen König zu verschenken, als sie 18S2 die Befugniß
hatten, einem Nachfolger Friedrichs des Siebenten von der Weiberlinie das
Ganze zuzusprechen. In den Herzogthümern herrscht der Mannsstamm --
nicht blos bis zur Schlei und dem Dcmnewerk und ebensowenig blos bis zur
Linie Apenrade-Tondern. Es gilt, wenn wir den Rechtsstandpunkt festhalten,
nicht, einen neuen Staat zu schaffen, sondern einen bereits vorhandenen ein¬
fach anzuerkennen. Und soll das Landes- und Fürsteurecht Schleswig-Holsteins
nicht allein den Ausschlag geben, sollen bei der Entscheidung auch hier wie
sonst in Fragen der Politik andere Motive mitwirken, so tritt jenen alten Rech¬
ten zunächst das Recht des Siegers zur Seite. Dänemark ließ es auf die
Entscheidung der Waffen ankommen, und diese ist gegen seine Ansprüche aus¬
gefallen. Schleswig ist von der "Armee für Schleswig- Holstein" in dem ge¬
rechtesten aller Kriege erobert worden. Ob man dies von Anfang an be¬
absichtigt hat, ob die Redensart von der bloßen AbPfändung ernst gemeint war
oder nicht, ist jetzt gleichgiltig. Die Sieger können ihren Gewinn mit dem¬
selben, ja mit besserem Recht als 1859 Napoleon das östreichische Italien dem
König von Sardinien abtrat, dem Herzog Friedrich überlassen, und nur diesem
im Einvernehmen mit den Ständen und natürlich mit den Mächten, die seine
Sache geführt, namentlich mit Preußen, welches die größten Opfer für ihn ge-


Mehrzahl der politisch zurechnungsfähigen Schleswig-Holsteiner. Die Dänen
weisen selbstverständlich diese Zumuthung zurück. Die neutralen Mächte be¬
quemen sich ihr theilweise ein, sie willigen in die Aufhebung des londoner
Protokolls und in die Theilung der dänischen Monarchie, aber nur unter der
Bedingung, daß die Deutschen in eine Theilung Schleswigs willigen, nach
welcher ihnen die kleinere Südhälfte, den Dänen die größere Nordhälfte des
Herzogthums'zugesprochen werden soll. Dänemark schließt sich dem nothgedrungen
an, auch die deutschen Großmächte gehen auf das Princip einer Theilung ein,
und so handelt sichs gegenwärtig, wie es scheint, nur noch um die Frage, nach
welchen Gesichtspunkten getheilt werden und wie viel von dem Herzogthum an
Deutschland, wie viel an Dänemark fallen soll. Die öffentliche Meinung in
Deutschland erklärt sich gegen solche Nachgiebigkeit, doch nur insofern, als sie
die etwaige Hingabe eines Theils von Schleswig mit dem Rechte Schleswig-
Holsteins und seines Fürsten dadurch in Einklang gebracht sehen will, daß man
nicht die in London versammelten Diplomaten darüber entscheiden läßt, sondern
die rechtlich allein dazu Befugten, Volk und Herzog in Schleswig-Holstein be¬
fragt, ob und wie getheilt werden soll..

Stellen wir uns auf den Standpunkt des abstracten Rechts, so leidet es
keinen Zweifel, daß dasselbe jede Theilung Schleswigs ohne Einwilligung des
Herzogs Friedrich und der Stände seines Landes ausschließt. Die Diplomaten
Europas haben ebensowenig die Befugniß, ein Stück der Herzogtümer ein den
nicht erbberechtigten dänischen König zu verschenken, als sie 18S2 die Befugniß
hatten, einem Nachfolger Friedrichs des Siebenten von der Weiberlinie das
Ganze zuzusprechen. In den Herzogthümern herrscht der Mannsstamm —
nicht blos bis zur Schlei und dem Dcmnewerk und ebensowenig blos bis zur
Linie Apenrade-Tondern. Es gilt, wenn wir den Rechtsstandpunkt festhalten,
nicht, einen neuen Staat zu schaffen, sondern einen bereits vorhandenen ein¬
fach anzuerkennen. Und soll das Landes- und Fürsteurecht Schleswig-Holsteins
nicht allein den Ausschlag geben, sollen bei der Entscheidung auch hier wie
sonst in Fragen der Politik andere Motive mitwirken, so tritt jenen alten Rech¬
ten zunächst das Recht des Siegers zur Seite. Dänemark ließ es auf die
Entscheidung der Waffen ankommen, und diese ist gegen seine Ansprüche aus¬
gefallen. Schleswig ist von der „Armee für Schleswig- Holstein" in dem ge¬
rechtesten aller Kriege erobert worden. Ob man dies von Anfang an be¬
absichtigt hat, ob die Redensart von der bloßen AbPfändung ernst gemeint war
oder nicht, ist jetzt gleichgiltig. Die Sieger können ihren Gewinn mit dem¬
selben, ja mit besserem Recht als 1859 Napoleon das östreichische Italien dem
König von Sardinien abtrat, dem Herzog Friedrich überlassen, und nur diesem
im Einvernehmen mit den Ständen und natürlich mit den Mächten, die seine
Sache geführt, namentlich mit Preußen, welches die größten Opfer für ihn ge-


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[0514] Mehrzahl der politisch zurechnungsfähigen Schleswig-Holsteiner. Die Dänen weisen selbstverständlich diese Zumuthung zurück. Die neutralen Mächte be¬ quemen sich ihr theilweise ein, sie willigen in die Aufhebung des londoner Protokolls und in die Theilung der dänischen Monarchie, aber nur unter der Bedingung, daß die Deutschen in eine Theilung Schleswigs willigen, nach welcher ihnen die kleinere Südhälfte, den Dänen die größere Nordhälfte des Herzogthums'zugesprochen werden soll. Dänemark schließt sich dem nothgedrungen an, auch die deutschen Großmächte gehen auf das Princip einer Theilung ein, und so handelt sichs gegenwärtig, wie es scheint, nur noch um die Frage, nach welchen Gesichtspunkten getheilt werden und wie viel von dem Herzogthum an Deutschland, wie viel an Dänemark fallen soll. Die öffentliche Meinung in Deutschland erklärt sich gegen solche Nachgiebigkeit, doch nur insofern, als sie die etwaige Hingabe eines Theils von Schleswig mit dem Rechte Schleswig- Holsteins und seines Fürsten dadurch in Einklang gebracht sehen will, daß man nicht die in London versammelten Diplomaten darüber entscheiden läßt, sondern die rechtlich allein dazu Befugten, Volk und Herzog in Schleswig-Holstein be¬ fragt, ob und wie getheilt werden soll.. Stellen wir uns auf den Standpunkt des abstracten Rechts, so leidet es keinen Zweifel, daß dasselbe jede Theilung Schleswigs ohne Einwilligung des Herzogs Friedrich und der Stände seines Landes ausschließt. Die Diplomaten Europas haben ebensowenig die Befugniß, ein Stück der Herzogtümer ein den nicht erbberechtigten dänischen König zu verschenken, als sie 18S2 die Befugniß hatten, einem Nachfolger Friedrichs des Siebenten von der Weiberlinie das Ganze zuzusprechen. In den Herzogthümern herrscht der Mannsstamm — nicht blos bis zur Schlei und dem Dcmnewerk und ebensowenig blos bis zur Linie Apenrade-Tondern. Es gilt, wenn wir den Rechtsstandpunkt festhalten, nicht, einen neuen Staat zu schaffen, sondern einen bereits vorhandenen ein¬ fach anzuerkennen. Und soll das Landes- und Fürsteurecht Schleswig-Holsteins nicht allein den Ausschlag geben, sollen bei der Entscheidung auch hier wie sonst in Fragen der Politik andere Motive mitwirken, so tritt jenen alten Rech¬ ten zunächst das Recht des Siegers zur Seite. Dänemark ließ es auf die Entscheidung der Waffen ankommen, und diese ist gegen seine Ansprüche aus¬ gefallen. Schleswig ist von der „Armee für Schleswig- Holstein" in dem ge¬ rechtesten aller Kriege erobert worden. Ob man dies von Anfang an be¬ absichtigt hat, ob die Redensart von der bloßen AbPfändung ernst gemeint war oder nicht, ist jetzt gleichgiltig. Die Sieger können ihren Gewinn mit dem¬ selben, ja mit besserem Recht als 1859 Napoleon das östreichische Italien dem König von Sardinien abtrat, dem Herzog Friedrich überlassen, und nur diesem im Einvernehmen mit den Ständen und natürlich mit den Mächten, die seine Sache geführt, namentlich mit Preußen, welches die größten Opfer für ihn ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/514>, abgerufen am 25.08.2024.