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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Die Nordschleswiger.
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3. Das Project einer Theilung Schleswigs.

Ueberblicken wir die Entwickelung der letzten Periode des deutsch-dänischen
Streits, so begegnen wir folgenden Stufen:

Erste Stufe: Die kriegführenden deutschen Mächte erstreben, wenn die
veröffentlichten Actenstücke wirklich ihre Meinung ausdrücken, wenn der eine der
betreffenden Minister nicht weiter sieht und mehr beabsichtigt, als er wissen
läßt, lediglich Erfüllung der Zusagen von 1851 und 1852, also den dänischen
Gesammtstaat nach deutscher Interpretation jener keineswegs unzweideutig
gefaßten Zusicherungen; sie wollen Selbständigkeit der von einander getrennten
Herzogtümer in der Verwaltung und Verfassung gegenüber dem Königreich, daher
Wiederaufhebung der factischen Inkorporation Schleswigs in das letztere, ferner
Gleichberechtigung Holsteins und Schleswigs mit Dänemark, endlich gerechte
Vertheilung der Beiträge zu den gesammtstaatlichen Ausgaben. Dänemark
weist dieses Verlangen zurück und appellirr an die Entscheidung der Waffen.
Auch das deutsche Volk steht in dem preußisch-östreichischen Ultimatum sein
Recht und Interesse nicht gewahrt, fordert vielmehr Wiedereinsetzung Schleswig-
Holsteins in den vorigen Stand, d. h. in sein durch die Abmachungen von
1851 und 1852 so wie durch das londoner Protokoll ausgestrichenes altes Neckt
und damit, da inzwischen der Mannsstamm ausgestorben, volle Trennung der
Herzogthümer von Dänemark.

Zweite Stufe: Beginn des Krieges, Niederlage der Dänen, Eroberung
der Herzogthümer. leider ohne Athen. Die kriegführenden deutschen Mächte
gehen einen Schritt weiter. Sie werfen das sibyllinische Buch mit ihrer Anerken¬
nung des Gesammtstaats ins Feuer, verlangen Zusammengehörigkeit der beiden
Herzogthümer und Trennung derselben vom Königreich bis auf den allen Thei¬
len gemeinsamen Fürsten, also bloße Personalunion. Wieder protestirt so¬
wohl Dänemark als die deutsche Nation, und auch die neutralen Mächte er¬
blicken hierin keine angemessene Lösung.

Dritte Stufe: Die kriegführenden deutschen Mächte entschließen sich,
das Princip der Integrität der dänischen Monarchie völlig aufzugeben. Auch
das sibyllinische Buch mit ihrer Gutheißung des londoner Protokolls wird ver¬
nichtet, und man fordert die Ausscheidung Schleswig-Holsteins unter
einem eignen Souverän. Preußen und Oestreich befinden sich hiermit im
Einklang mit dem deutschen Volke und, wie nicht zu bezweifeln, mit der großen


Grenzboten II. 1864. 64
Die Nordschleswiger.
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3. Das Project einer Theilung Schleswigs.

Ueberblicken wir die Entwickelung der letzten Periode des deutsch-dänischen
Streits, so begegnen wir folgenden Stufen:

Erste Stufe: Die kriegführenden deutschen Mächte erstreben, wenn die
veröffentlichten Actenstücke wirklich ihre Meinung ausdrücken, wenn der eine der
betreffenden Minister nicht weiter sieht und mehr beabsichtigt, als er wissen
läßt, lediglich Erfüllung der Zusagen von 1851 und 1852, also den dänischen
Gesammtstaat nach deutscher Interpretation jener keineswegs unzweideutig
gefaßten Zusicherungen; sie wollen Selbständigkeit der von einander getrennten
Herzogtümer in der Verwaltung und Verfassung gegenüber dem Königreich, daher
Wiederaufhebung der factischen Inkorporation Schleswigs in das letztere, ferner
Gleichberechtigung Holsteins und Schleswigs mit Dänemark, endlich gerechte
Vertheilung der Beiträge zu den gesammtstaatlichen Ausgaben. Dänemark
weist dieses Verlangen zurück und appellirr an die Entscheidung der Waffen.
Auch das deutsche Volk steht in dem preußisch-östreichischen Ultimatum sein
Recht und Interesse nicht gewahrt, fordert vielmehr Wiedereinsetzung Schleswig-
Holsteins in den vorigen Stand, d. h. in sein durch die Abmachungen von
1851 und 1852 so wie durch das londoner Protokoll ausgestrichenes altes Neckt
und damit, da inzwischen der Mannsstamm ausgestorben, volle Trennung der
Herzogthümer von Dänemark.

Zweite Stufe: Beginn des Krieges, Niederlage der Dänen, Eroberung
der Herzogthümer. leider ohne Athen. Die kriegführenden deutschen Mächte
gehen einen Schritt weiter. Sie werfen das sibyllinische Buch mit ihrer Anerken¬
nung des Gesammtstaats ins Feuer, verlangen Zusammengehörigkeit der beiden
Herzogthümer und Trennung derselben vom Königreich bis auf den allen Thei¬
len gemeinsamen Fürsten, also bloße Personalunion. Wieder protestirt so¬
wohl Dänemark als die deutsche Nation, und auch die neutralen Mächte er¬
blicken hierin keine angemessene Lösung.

Dritte Stufe: Die kriegführenden deutschen Mächte entschließen sich,
das Princip der Integrität der dänischen Monarchie völlig aufzugeben. Auch
das sibyllinische Buch mit ihrer Gutheißung des londoner Protokolls wird ver¬
nichtet, und man fordert die Ausscheidung Schleswig-Holsteins unter
einem eignen Souverän. Preußen und Oestreich befinden sich hiermit im
Einklang mit dem deutschen Volke und, wie nicht zu bezweifeln, mit der großen


Grenzboten II. 1864. 64
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[0513] Die Nordschleswiger. „>SS,A^ sia. n,»s)<T ittÄ .iiUi,<>WS »'«-,!'»!! 3. Das Project einer Theilung Schleswigs. Ueberblicken wir die Entwickelung der letzten Periode des deutsch-dänischen Streits, so begegnen wir folgenden Stufen: Erste Stufe: Die kriegführenden deutschen Mächte erstreben, wenn die veröffentlichten Actenstücke wirklich ihre Meinung ausdrücken, wenn der eine der betreffenden Minister nicht weiter sieht und mehr beabsichtigt, als er wissen läßt, lediglich Erfüllung der Zusagen von 1851 und 1852, also den dänischen Gesammtstaat nach deutscher Interpretation jener keineswegs unzweideutig gefaßten Zusicherungen; sie wollen Selbständigkeit der von einander getrennten Herzogtümer in der Verwaltung und Verfassung gegenüber dem Königreich, daher Wiederaufhebung der factischen Inkorporation Schleswigs in das letztere, ferner Gleichberechtigung Holsteins und Schleswigs mit Dänemark, endlich gerechte Vertheilung der Beiträge zu den gesammtstaatlichen Ausgaben. Dänemark weist dieses Verlangen zurück und appellirr an die Entscheidung der Waffen. Auch das deutsche Volk steht in dem preußisch-östreichischen Ultimatum sein Recht und Interesse nicht gewahrt, fordert vielmehr Wiedereinsetzung Schleswig- Holsteins in den vorigen Stand, d. h. in sein durch die Abmachungen von 1851 und 1852 so wie durch das londoner Protokoll ausgestrichenes altes Neckt und damit, da inzwischen der Mannsstamm ausgestorben, volle Trennung der Herzogthümer von Dänemark. Zweite Stufe: Beginn des Krieges, Niederlage der Dänen, Eroberung der Herzogthümer. leider ohne Athen. Die kriegführenden deutschen Mächte gehen einen Schritt weiter. Sie werfen das sibyllinische Buch mit ihrer Anerken¬ nung des Gesammtstaats ins Feuer, verlangen Zusammengehörigkeit der beiden Herzogthümer und Trennung derselben vom Königreich bis auf den allen Thei¬ len gemeinsamen Fürsten, also bloße Personalunion. Wieder protestirt so¬ wohl Dänemark als die deutsche Nation, und auch die neutralen Mächte er¬ blicken hierin keine angemessene Lösung. Dritte Stufe: Die kriegführenden deutschen Mächte entschließen sich, das Princip der Integrität der dänischen Monarchie völlig aufzugeben. Auch das sibyllinische Buch mit ihrer Gutheißung des londoner Protokolls wird ver¬ nichtet, und man fordert die Ausscheidung Schleswig-Holsteins unter einem eignen Souverän. Preußen und Oestreich befinden sich hiermit im Einklang mit dem deutschen Volke und, wie nicht zu bezweifeln, mit der großen Grenzboten II. 1864. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/513>, abgerufen am 23.07.2024.