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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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aus dem Grunde nie rechnen können, weil Oestreich dieselbe stets zur Verthei¬
digung seiner eignen Küste bereithalten muß, nicht zu erwähnen der großen
Entfernung, die bei einem Kriege des deutschen Bundes mit einer der west¬
lichen Seemächte eine Vereinigung dieser Flotte, und wäre dieselbe auch weit
größer als sie jetzt ist, mit der des übrigen Deutschland ganz in Frage stellt."

Nur das durch den Kanal zu ermöglichende Zusammenwirken ganz Nord¬
deutschlands, der nordöstlichen und nordwestlichen Hälfte, nur die durch eine
Wasserstraße quer durch die cimbrische Halbinsel herzustellende Einheit unsrer
Küste kann unserm Vaterland die von ihm früher, in den glorreichen Tagen
der Hansa, besessene Macht zur See wiedergeben. Hierin liegt die nationale
Nothwendigkeit, hierin die hohe politische Bedeutung des Unternehmens, wel¬
ches jetzt in Schleswig-Holstein vorbereitet wird.

Hat Deutschland nur die soliden Anfänge zu einer Flotte, so kann es ihm
im Fall eines Seekriegs, der von jetzt an jeden Krieg zu Lande, in den wir
verwickelt werden, begleiten muß, an Verbündeten durchaus nicht fehlen. Dies
verbürgt die nie erlöschende Eifersucht der vier maritimen Großmächte England
Frankreich, Rusland und Amerika. Daß die Flotte der Vereinigten Staaten
uns niemals feindlich entgegentreten wird, ist sicher und zwar schon deshalb,
weil das amerikanische Volk hierzu schon jetzt zuviel deutsches Blut in seinen
Adern hat. Droht uns aber nach Herstellung unsrer Einheit zur See eine
Flotte von Osten, so können wir binnen vierundzwanzig Stunden durch den
Kanal die eignen Schiffsgcschwader aus der Nordsee in die Ostsee führen, und
die des Verbündeten würden auf demselben Wege nachfolgen. Droht der Krieg
von Westen her, so wäre das umgekehrte Manöver ebenso bequem auszuführen.
Dem Feinde und dessen etwaigen Bundesgenossen würden die gezogenen Ka¬
nonen der Kanalforts den Durchgang wehren. In jedem nord- oder westeuro¬
päischen Knegr würde daher die Allianz Deutschlands mit der einen oder der
andern Macht auch darum von der äußersten Wichtigkeit sein. Rußland aber,
welches durch den Gegensatz zum skandinavischen Norden, zumal wenn dieser
einmal durch Union oder sonst wie politisch Eins geworden ist, von der sichern
Benutzung des Sundes ausgeschlossen werden wird, müßte in Bezug auf den
atlantischen Ocean beinahe so abhängig von uns werden, als es jetzt in Be¬
treff des Mittelmeers von der Türkei abhängig ist.




aus dem Grunde nie rechnen können, weil Oestreich dieselbe stets zur Verthei¬
digung seiner eignen Küste bereithalten muß, nicht zu erwähnen der großen
Entfernung, die bei einem Kriege des deutschen Bundes mit einer der west¬
lichen Seemächte eine Vereinigung dieser Flotte, und wäre dieselbe auch weit
größer als sie jetzt ist, mit der des übrigen Deutschland ganz in Frage stellt."

Nur das durch den Kanal zu ermöglichende Zusammenwirken ganz Nord¬
deutschlands, der nordöstlichen und nordwestlichen Hälfte, nur die durch eine
Wasserstraße quer durch die cimbrische Halbinsel herzustellende Einheit unsrer
Küste kann unserm Vaterland die von ihm früher, in den glorreichen Tagen
der Hansa, besessene Macht zur See wiedergeben. Hierin liegt die nationale
Nothwendigkeit, hierin die hohe politische Bedeutung des Unternehmens, wel¬
ches jetzt in Schleswig-Holstein vorbereitet wird.

Hat Deutschland nur die soliden Anfänge zu einer Flotte, so kann es ihm
im Fall eines Seekriegs, der von jetzt an jeden Krieg zu Lande, in den wir
verwickelt werden, begleiten muß, an Verbündeten durchaus nicht fehlen. Dies
verbürgt die nie erlöschende Eifersucht der vier maritimen Großmächte England
Frankreich, Rusland und Amerika. Daß die Flotte der Vereinigten Staaten
uns niemals feindlich entgegentreten wird, ist sicher und zwar schon deshalb,
weil das amerikanische Volk hierzu schon jetzt zuviel deutsches Blut in seinen
Adern hat. Droht uns aber nach Herstellung unsrer Einheit zur See eine
Flotte von Osten, so können wir binnen vierundzwanzig Stunden durch den
Kanal die eignen Schiffsgcschwader aus der Nordsee in die Ostsee führen, und
die des Verbündeten würden auf demselben Wege nachfolgen. Droht der Krieg
von Westen her, so wäre das umgekehrte Manöver ebenso bequem auszuführen.
Dem Feinde und dessen etwaigen Bundesgenossen würden die gezogenen Ka¬
nonen der Kanalforts den Durchgang wehren. In jedem nord- oder westeuro¬
päischen Knegr würde daher die Allianz Deutschlands mit der einen oder der
andern Macht auch darum von der äußersten Wichtigkeit sein. Rußland aber,
welches durch den Gegensatz zum skandinavischen Norden, zumal wenn dieser
einmal durch Union oder sonst wie politisch Eins geworden ist, von der sichern
Benutzung des Sundes ausgeschlossen werden wird, müßte in Bezug auf den
atlantischen Ocean beinahe so abhängig von uns werden, als es jetzt in Be¬
treff des Mittelmeers von der Türkei abhängig ist.




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[0512] aus dem Grunde nie rechnen können, weil Oestreich dieselbe stets zur Verthei¬ digung seiner eignen Küste bereithalten muß, nicht zu erwähnen der großen Entfernung, die bei einem Kriege des deutschen Bundes mit einer der west¬ lichen Seemächte eine Vereinigung dieser Flotte, und wäre dieselbe auch weit größer als sie jetzt ist, mit der des übrigen Deutschland ganz in Frage stellt." Nur das durch den Kanal zu ermöglichende Zusammenwirken ganz Nord¬ deutschlands, der nordöstlichen und nordwestlichen Hälfte, nur die durch eine Wasserstraße quer durch die cimbrische Halbinsel herzustellende Einheit unsrer Küste kann unserm Vaterland die von ihm früher, in den glorreichen Tagen der Hansa, besessene Macht zur See wiedergeben. Hierin liegt die nationale Nothwendigkeit, hierin die hohe politische Bedeutung des Unternehmens, wel¬ ches jetzt in Schleswig-Holstein vorbereitet wird. Hat Deutschland nur die soliden Anfänge zu einer Flotte, so kann es ihm im Fall eines Seekriegs, der von jetzt an jeden Krieg zu Lande, in den wir verwickelt werden, begleiten muß, an Verbündeten durchaus nicht fehlen. Dies verbürgt die nie erlöschende Eifersucht der vier maritimen Großmächte England Frankreich, Rusland und Amerika. Daß die Flotte der Vereinigten Staaten uns niemals feindlich entgegentreten wird, ist sicher und zwar schon deshalb, weil das amerikanische Volk hierzu schon jetzt zuviel deutsches Blut in seinen Adern hat. Droht uns aber nach Herstellung unsrer Einheit zur See eine Flotte von Osten, so können wir binnen vierundzwanzig Stunden durch den Kanal die eignen Schiffsgcschwader aus der Nordsee in die Ostsee führen, und die des Verbündeten würden auf demselben Wege nachfolgen. Droht der Krieg von Westen her, so wäre das umgekehrte Manöver ebenso bequem auszuführen. Dem Feinde und dessen etwaigen Bundesgenossen würden die gezogenen Ka¬ nonen der Kanalforts den Durchgang wehren. In jedem nord- oder westeuro¬ päischen Knegr würde daher die Allianz Deutschlands mit der einen oder der andern Macht auch darum von der äußersten Wichtigkeit sein. Rußland aber, welches durch den Gegensatz zum skandinavischen Norden, zumal wenn dieser einmal durch Union oder sonst wie politisch Eins geworden ist, von der sichern Benutzung des Sundes ausgeschlossen werden wird, müßte in Bezug auf den atlantischen Ocean beinahe so abhängig von uns werden, als es jetzt in Be¬ treff des Mittelmeers von der Türkei abhängig ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/512>, abgerufen am 23.07.2024.