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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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die der projectirte norddeutsche Kanal für den Handel und Verkehr zunächst
Norddeutschlands selbst, dann ganz Europas und selbst Amerikas haben würde,
und zwar folgen wir hierbei den Andeutungen der erwähnten lesenswerthen
Schrift, deren Verfasser in dieser Beziehung keine Laie, sondern ein sehr be-
achtenswerther Sachkenner ist.

An keiner Stelle der Erde waltet ein so großes Bedürfniß nach einem
Durchstich ob, wie hier aus der cimbrischen Halbinsel, und an keiner würden
das Unternehmen die Umstände so sehr begünstigen. Der Umweg durch den
Sund, welchen große Schiffe jetzt machen müssen, wenn sie von der Nordsee¬
küste Deutschlands und Hollands nach der Ostsee oder umgekehrt von dieser
nach jener gelangen wollen, beträgt für Dampfer, die nicht zu laviren brauchen,
durchschnittlich 3S0, für Segelschiffe circa 800 Meilen englisch. Jene haben
einen Zeitverlust von zwei, diese einen von mindestens acht Tagen. Ferner
gehen an der flachen nordschleswigschcn und jütischen Küste und im Kattegat
in stürmischen Jahren eine große Anzahl von Fahrzeugen mit Hunderten von
Seeleuten und Waaren im Werthe von Millionen zu Grunde. Wird der Kanal
ausgeführt, so ermäßigen sich für die ihn passtrenden Schiffe Zinsen, Assccuranz-
prämic, Lohn und Beköstigung der Mannschaft und Abnutzung der Fahrzeuge
sowie des Inventars sehr wesentlich, und da die Zahl der Schiffe, welche
zwischen Nord- und Ostsee fahren, ungemein groß ist, so würde schon die Er-
sparniß an Zeit, die der Kanal schaffte, an Geldwerth vielen Millionen gleich¬
kommen. Während der in unsrer Breitenlage für den Seeverkehr verwendbaren
acht Monate des Jahres würden, wie Sturz auf Grund statistischer Notizen in
früher aufgetauchten Projecten behauptet, schon in den ersten Jahren nach Er¬
öffnung eines solchen Kanals jährlich an zwanzigtausend Schiffe den Durchgang
begehren, eine Zahl, die sich in einem Vierteljahrhundert verdoppeln könnte.

Der Kanal sollte wo möglich keine Schleuße" haben, da diese die noth¬
wendige Schnelligkeit des Verkehrs hemmen, also den Zeitgewinn mindern
würden. Er müßte einen Wasserspiegel von etwa 320 und eine Sohle von etwa
200 Fuß Breite haben, und seine Tiefe müßte mindestens 30 Fuß betragen.
Gleichzeitig mit dem Bau des Kanals würde aus Anlegung von Bassins,
Seidenhasen, Trockendocks, Steinkohlendepvts und großartigen Speichern für
den Bedarf und die Erzeugnisse der betheiligten Völker Bedacht zu nehmen sein.
Das Ein- und Ausladen müßte durch die Anwendung passender Maschinen und
durch zweckmäßige Baucinrichtungcn dermaßen erleichtert werden, daß Arbeiten,
die jetzt Tage erfordern, in ebensovielen Stunden abgethan sein könnten. Längs
der Magazinstraßc, die sich allmälig auf beiden Ufern des Kanals erheben
würde, müßte eine doppelte Eisenbahn für Passagiere und Frachtgüter hinführen,
außerdem aber unmittelbar am Wasser auf beiden Seiten eine Schlepp-Locomo-
tiv-Bahn zur Beförderung nicht nur der Segelschiffe, sondern auch der Dampfer,


die der projectirte norddeutsche Kanal für den Handel und Verkehr zunächst
Norddeutschlands selbst, dann ganz Europas und selbst Amerikas haben würde,
und zwar folgen wir hierbei den Andeutungen der erwähnten lesenswerthen
Schrift, deren Verfasser in dieser Beziehung keine Laie, sondern ein sehr be-
achtenswerther Sachkenner ist.

An keiner Stelle der Erde waltet ein so großes Bedürfniß nach einem
Durchstich ob, wie hier aus der cimbrischen Halbinsel, und an keiner würden
das Unternehmen die Umstände so sehr begünstigen. Der Umweg durch den
Sund, welchen große Schiffe jetzt machen müssen, wenn sie von der Nordsee¬
küste Deutschlands und Hollands nach der Ostsee oder umgekehrt von dieser
nach jener gelangen wollen, beträgt für Dampfer, die nicht zu laviren brauchen,
durchschnittlich 3S0, für Segelschiffe circa 800 Meilen englisch. Jene haben
einen Zeitverlust von zwei, diese einen von mindestens acht Tagen. Ferner
gehen an der flachen nordschleswigschcn und jütischen Küste und im Kattegat
in stürmischen Jahren eine große Anzahl von Fahrzeugen mit Hunderten von
Seeleuten und Waaren im Werthe von Millionen zu Grunde. Wird der Kanal
ausgeführt, so ermäßigen sich für die ihn passtrenden Schiffe Zinsen, Assccuranz-
prämic, Lohn und Beköstigung der Mannschaft und Abnutzung der Fahrzeuge
sowie des Inventars sehr wesentlich, und da die Zahl der Schiffe, welche
zwischen Nord- und Ostsee fahren, ungemein groß ist, so würde schon die Er-
sparniß an Zeit, die der Kanal schaffte, an Geldwerth vielen Millionen gleich¬
kommen. Während der in unsrer Breitenlage für den Seeverkehr verwendbaren
acht Monate des Jahres würden, wie Sturz auf Grund statistischer Notizen in
früher aufgetauchten Projecten behauptet, schon in den ersten Jahren nach Er¬
öffnung eines solchen Kanals jährlich an zwanzigtausend Schiffe den Durchgang
begehren, eine Zahl, die sich in einem Vierteljahrhundert verdoppeln könnte.

Der Kanal sollte wo möglich keine Schleuße» haben, da diese die noth¬
wendige Schnelligkeit des Verkehrs hemmen, also den Zeitgewinn mindern
würden. Er müßte einen Wasserspiegel von etwa 320 und eine Sohle von etwa
200 Fuß Breite haben, und seine Tiefe müßte mindestens 30 Fuß betragen.
Gleichzeitig mit dem Bau des Kanals würde aus Anlegung von Bassins,
Seidenhasen, Trockendocks, Steinkohlendepvts und großartigen Speichern für
den Bedarf und die Erzeugnisse der betheiligten Völker Bedacht zu nehmen sein.
Das Ein- und Ausladen müßte durch die Anwendung passender Maschinen und
durch zweckmäßige Baucinrichtungcn dermaßen erleichtert werden, daß Arbeiten,
die jetzt Tage erfordern, in ebensovielen Stunden abgethan sein könnten. Längs
der Magazinstraßc, die sich allmälig auf beiden Ufern des Kanals erheben
würde, müßte eine doppelte Eisenbahn für Passagiere und Frachtgüter hinführen,
außerdem aber unmittelbar am Wasser auf beiden Seiten eine Schlepp-Locomo-
tiv-Bahn zur Beförderung nicht nur der Segelschiffe, sondern auch der Dampfer,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/506>, abgerufen am 23.07.2024.