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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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dasselbe Sätze enthält, welche das öffentliche Urtheil und vielleicht noch andere
Autoritäten zu scheuen haben. Auch darin ist die Bildung und die Taktik der
Nationalpartei loyaler und klüger.

Das angeführte Schriftstück lautet folgendermaßen:

"Als das Einschreiten des Heeres der Anarchie, in welche die Monarchie
1848 gefallen war, ein Ende gemacht hatte, und die souveräne Gewalt wieder
in den Händen des Königs sich befestigt fand, stellte sich der Regierung die
Theilnahme des Landes an der Verwaltung desselben, die eben bereits vor dem
Einbrüche der Anarchie von 1848 durch die Constituirung des vereinigten Land¬
tages eingeräumt worden war, als eine der Hauptaufgaben der Krone dar.
Diese Regulirung konnte auf der Grundlage verschiedener Systeme erfolgen.
Entweder kehrte die Regierung zu dem Systeme der früheren deutschen Land¬
tage mit den Modifikationen zurück, welche das in dem letzten Jahrhunderte
so verstärkte Bürgerthum erheischte. Oder aber die Regierung eignete sich die
Berfassungsschablone an, die sich in Frankreich, wo selbige sich nicht schließlich
zu behaupten vermochte, von 1814 bis 1848 entwickelt hatte, und von dort
aus die von Frankreich beeinflußten Nachbarstaaten, von Spanien, Belgien u. f. w.
übergegangen war, und welche sich die sogenannte preußische Nationalver¬
sammlung durch eine fast wörtliche Copuung der belgischen Verfassung ange¬
eignet halte.

Die königliche Regierung entschloß sich für letzteren Weg. Einmal weil
sie, durch die wesentliche Annahme des BcrfassungsentwurfS der Nationalver¬
sammlung die Stimme des Landes mehr zu gewinnen hoffte. Dann aber (und
dieser Grund war wohl der vorwiegende) weil sie für ihre deutschen Unions-
pläne den Boden, durch die Berücksichtigung der Ideen, die in der Bewegung
von 1848 vorher geherrscht zu haben schienen, besser vorzubereiten glaubte.
Der radvwiysche Unionsplan zerfloß inzwischen wie ein Luftgebilde. und bei
näherer Prüfung erwies sich die parlamentarische Negierung, welche die octrvyirte
Verfassung von 18L0 im Endziele einführte, den preußischen Patrioten als
höchst bedenklich:

1) weil selbige, nach dem bekannten, gründlich motivirten Ausspruche
Friedrichs des Großen, als eine entschiedene Abschwächung der Militärmonar¬
chie, auf der die Zukunft Preußens als Großmacht beruhte, angesehen werden
mußte. Und dann

2) weil die Erfahrung gezeigt hatte, daß der Uebergang von der wesent¬
lich- monarchischen zur parlamentarischen Negierung im Fortlaufe der Ereignisse
stets von der Ersetzung der älteren und legitimen regierenden'Linie auf dem
Throne durch eine jüngere begleitet gewesen war, die sich leichter an die Auf-
gebung der souveränen Gewalt und deren Theilung mit dem Parlamente fügte.


dasselbe Sätze enthält, welche das öffentliche Urtheil und vielleicht noch andere
Autoritäten zu scheuen haben. Auch darin ist die Bildung und die Taktik der
Nationalpartei loyaler und klüger.

Das angeführte Schriftstück lautet folgendermaßen:

„Als das Einschreiten des Heeres der Anarchie, in welche die Monarchie
1848 gefallen war, ein Ende gemacht hatte, und die souveräne Gewalt wieder
in den Händen des Königs sich befestigt fand, stellte sich der Regierung die
Theilnahme des Landes an der Verwaltung desselben, die eben bereits vor dem
Einbrüche der Anarchie von 1848 durch die Constituirung des vereinigten Land¬
tages eingeräumt worden war, als eine der Hauptaufgaben der Krone dar.
Diese Regulirung konnte auf der Grundlage verschiedener Systeme erfolgen.
Entweder kehrte die Regierung zu dem Systeme der früheren deutschen Land¬
tage mit den Modifikationen zurück, welche das in dem letzten Jahrhunderte
so verstärkte Bürgerthum erheischte. Oder aber die Regierung eignete sich die
Berfassungsschablone an, die sich in Frankreich, wo selbige sich nicht schließlich
zu behaupten vermochte, von 1814 bis 1848 entwickelt hatte, und von dort
aus die von Frankreich beeinflußten Nachbarstaaten, von Spanien, Belgien u. f. w.
übergegangen war, und welche sich die sogenannte preußische Nationalver¬
sammlung durch eine fast wörtliche Copuung der belgischen Verfassung ange¬
eignet halte.

Die königliche Regierung entschloß sich für letzteren Weg. Einmal weil
sie, durch die wesentliche Annahme des BcrfassungsentwurfS der Nationalver¬
sammlung die Stimme des Landes mehr zu gewinnen hoffte. Dann aber (und
dieser Grund war wohl der vorwiegende) weil sie für ihre deutschen Unions-
pläne den Boden, durch die Berücksichtigung der Ideen, die in der Bewegung
von 1848 vorher geherrscht zu haben schienen, besser vorzubereiten glaubte.
Der radvwiysche Unionsplan zerfloß inzwischen wie ein Luftgebilde. und bei
näherer Prüfung erwies sich die parlamentarische Negierung, welche die octrvyirte
Verfassung von 18L0 im Endziele einführte, den preußischen Patrioten als
höchst bedenklich:

1) weil selbige, nach dem bekannten, gründlich motivirten Ausspruche
Friedrichs des Großen, als eine entschiedene Abschwächung der Militärmonar¬
chie, auf der die Zukunft Preußens als Großmacht beruhte, angesehen werden
mußte. Und dann

2) weil die Erfahrung gezeigt hatte, daß der Uebergang von der wesent¬
lich- monarchischen zur parlamentarischen Negierung im Fortlaufe der Ereignisse
stets von der Ersetzung der älteren und legitimen regierenden'Linie auf dem
Throne durch eine jüngere begleitet gewesen war, die sich leichter an die Auf-
gebung der souveränen Gewalt und deren Theilung mit dem Parlamente fügte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/490>, abgerufen am 23.07.2024.