Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

andern Worten, wie dieselben bei einer unter allseitiger Betheiligung statt¬
findenden vollkommen freien Abstimmung über die Alternative, ob man einem
selbständigen Staate Schleswig-Holstein unter einem eignen Fürsten angehören
oder in eine nähere Verbindung mit Dänemark treten wolle, sich wahrscheinlich
entscheiden würden.

In Südschleswig, also bis zur Linie Flensburg-Tondern, würden sich,
darüber kann keinerlei Zweifel herrschen , alle Kirchspiele und Städte mit Aus¬
nahme etwa eines starken Drittels der Flensburger und einiger Dörfer der
Wiesbarde*) entweder einstimmig oder fast einstimmig unbedingt für einen sol¬
chen Schleswig-holsteinischen Staat erklären.

In Nordschleswig würde das Ergebniß, wenn alle Bewohner des
Herzogthums zu gleicher Zeit stimmen sollten, sehr wahrscheinlich ein
anderes sein, In Hadersleben und vielleicht auch in Apenrade würde sich eine
Majorität für Schleswig-Holstein zusammenbringen lassen. Auch auf dem Lande
würden sich, besonders wenn der Eintritt in den deutschen Bund nicht betont
würde, eine kleine Anzahl von Stimmen in dieser Richtung äußern, und zwar
würde dies im Südosten. mit Ausnahme von Alsen und Sundewitt mehr, im
Nordwcsien und Norden weniger der Fall sein. Die große Majorität im All¬
gemeinen würde sich vermutblich für Dänemark erklären.

Im Jahre 1846 wurde von dem Vertreter des siebenten ländlichen Wahl¬
bezirks (im Westen Nordschleswigs) ein Antrag gestellt, welcher die Aufnahme
Schleswigs in den deutschen Bund bezweckte, und von den siebzehn Abgeord¬
neten der ländlichen Wahldistricte Schleswigs stimmten nur drei, nämlich die
Vertreter des 2., 3. und 5. (äußerster Nordosten. Mitte der Osthälfte Nord¬
schleswigs und Sundewitt) gegen diese Proposition.

Im Jahre 1847 wählten nach angestrengter Thätigkeit der dänischen Pro¬
paganda die Wahldistricte 1 (äußerster Nordwesten), 2, 3, 5 und 6 (Alsen) im
dänischen Sinne -- das ungünstigste Wahicrgebniß, weiches unter dem alten
Wahlgesetz von 1834 zu Stande kam. Dieses Gesetz unterschied sich für die in
den ländlichen Bezirken in Betracht kommenden Verhältnisse vorzüglich durch einen
etwas höheren Census von dem später (18S4) eingeführten und bis auf die
Gegenwart in Geltung verbliebenen Wahlgesetz. Unter der Einwirkung des
letzteren, welches nach dieser Bemerkung demokratischer war und den Willen
der weniger Wohlhabenden mehr als das frühere zur politischen Arbeit zuließ,
und unter den damaligen Zuständen^ wo die Deutschen und deutsch (richtiger
Schleswig-holsteinisch) gesinnten Elemente allenthalben mehr oder minder ent-
muthigt und relativ unfähig zum Widerstande waren, wählte zuerst der 4. Wahl-
district (westlich und nordwestlich vom Sundewitt) nach Wunsch der Dänen.



*) Dieselbe besteht aus dem Kirchspielen Handewith. Wanderup, Großen-Wiese, Nord^
hackstedt, WallslM und Bau, hat circa V8"0 Einwohner und gehört zum Amt Flensburg.

andern Worten, wie dieselben bei einer unter allseitiger Betheiligung statt¬
findenden vollkommen freien Abstimmung über die Alternative, ob man einem
selbständigen Staate Schleswig-Holstein unter einem eignen Fürsten angehören
oder in eine nähere Verbindung mit Dänemark treten wolle, sich wahrscheinlich
entscheiden würden.

In Südschleswig, also bis zur Linie Flensburg-Tondern, würden sich,
darüber kann keinerlei Zweifel herrschen , alle Kirchspiele und Städte mit Aus¬
nahme etwa eines starken Drittels der Flensburger und einiger Dörfer der
Wiesbarde*) entweder einstimmig oder fast einstimmig unbedingt für einen sol¬
chen Schleswig-holsteinischen Staat erklären.

In Nordschleswig würde das Ergebniß, wenn alle Bewohner des
Herzogthums zu gleicher Zeit stimmen sollten, sehr wahrscheinlich ein
anderes sein, In Hadersleben und vielleicht auch in Apenrade würde sich eine
Majorität für Schleswig-Holstein zusammenbringen lassen. Auch auf dem Lande
würden sich, besonders wenn der Eintritt in den deutschen Bund nicht betont
würde, eine kleine Anzahl von Stimmen in dieser Richtung äußern, und zwar
würde dies im Südosten. mit Ausnahme von Alsen und Sundewitt mehr, im
Nordwcsien und Norden weniger der Fall sein. Die große Majorität im All¬
gemeinen würde sich vermutblich für Dänemark erklären.

Im Jahre 1846 wurde von dem Vertreter des siebenten ländlichen Wahl¬
bezirks (im Westen Nordschleswigs) ein Antrag gestellt, welcher die Aufnahme
Schleswigs in den deutschen Bund bezweckte, und von den siebzehn Abgeord¬
neten der ländlichen Wahldistricte Schleswigs stimmten nur drei, nämlich die
Vertreter des 2., 3. und 5. (äußerster Nordosten. Mitte der Osthälfte Nord¬
schleswigs und Sundewitt) gegen diese Proposition.

Im Jahre 1847 wählten nach angestrengter Thätigkeit der dänischen Pro¬
paganda die Wahldistricte 1 (äußerster Nordwesten), 2, 3, 5 und 6 (Alsen) im
dänischen Sinne — das ungünstigste Wahicrgebniß, weiches unter dem alten
Wahlgesetz von 1834 zu Stande kam. Dieses Gesetz unterschied sich für die in
den ländlichen Bezirken in Betracht kommenden Verhältnisse vorzüglich durch einen
etwas höheren Census von dem später (18S4) eingeführten und bis auf die
Gegenwart in Geltung verbliebenen Wahlgesetz. Unter der Einwirkung des
letzteren, welches nach dieser Bemerkung demokratischer war und den Willen
der weniger Wohlhabenden mehr als das frühere zur politischen Arbeit zuließ,
und unter den damaligen Zuständen^ wo die Deutschen und deutsch (richtiger
Schleswig-holsteinisch) gesinnten Elemente allenthalben mehr oder minder ent-
muthigt und relativ unfähig zum Widerstande waren, wählte zuerst der 4. Wahl-
district (westlich und nordwestlich vom Sundewitt) nach Wunsch der Dänen.



*) Dieselbe besteht aus dem Kirchspielen Handewith. Wanderup, Großen-Wiese, Nord^
hackstedt, WallslM und Bau, hat circa V8»0 Einwohner und gehört zum Amt Flensburg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189040"/>
          <p xml:id="ID_1617" prev="#ID_1616"> andern Worten, wie dieselben bei einer unter allseitiger Betheiligung statt¬<lb/>
findenden vollkommen freien Abstimmung über die Alternative, ob man einem<lb/>
selbständigen Staate Schleswig-Holstein unter einem eignen Fürsten angehören<lb/>
oder in eine nähere Verbindung mit Dänemark treten wolle, sich wahrscheinlich<lb/>
entscheiden würden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1618"> In Südschleswig, also bis zur Linie Flensburg-Tondern, würden sich,<lb/>
darüber kann keinerlei Zweifel herrschen , alle Kirchspiele und Städte mit Aus¬<lb/>
nahme etwa eines starken Drittels der Flensburger und einiger Dörfer der<lb/>
Wiesbarde*) entweder einstimmig oder fast einstimmig unbedingt für einen sol¬<lb/>
chen Schleswig-holsteinischen Staat erklären.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1619"> In Nordschleswig würde das Ergebniß, wenn alle Bewohner des<lb/>
Herzogthums zu gleicher Zeit stimmen sollten, sehr wahrscheinlich ein<lb/>
anderes sein, In Hadersleben und vielleicht auch in Apenrade würde sich eine<lb/>
Majorität für Schleswig-Holstein zusammenbringen lassen. Auch auf dem Lande<lb/>
würden sich, besonders wenn der Eintritt in den deutschen Bund nicht betont<lb/>
würde, eine kleine Anzahl von Stimmen in dieser Richtung äußern, und zwar<lb/>
würde dies im Südosten. mit Ausnahme von Alsen und Sundewitt mehr, im<lb/>
Nordwcsien und Norden weniger der Fall sein. Die große Majorität im All¬<lb/>
gemeinen würde sich vermutblich für Dänemark erklären.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1620"> Im Jahre 1846 wurde von dem Vertreter des siebenten ländlichen Wahl¬<lb/>
bezirks (im Westen Nordschleswigs) ein Antrag gestellt, welcher die Aufnahme<lb/>
Schleswigs in den deutschen Bund bezweckte, und von den siebzehn Abgeord¬<lb/>
neten der ländlichen Wahldistricte Schleswigs stimmten nur drei, nämlich die<lb/>
Vertreter des 2., 3. und 5. (äußerster Nordosten. Mitte der Osthälfte Nord¬<lb/>
schleswigs und Sundewitt) gegen diese Proposition.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1621" next="#ID_1622"> Im Jahre 1847 wählten nach angestrengter Thätigkeit der dänischen Pro¬<lb/>
paganda die Wahldistricte 1 (äußerster Nordwesten), 2, 3, 5 und 6 (Alsen) im<lb/>
dänischen Sinne &#x2014; das ungünstigste Wahicrgebniß, weiches unter dem alten<lb/>
Wahlgesetz von 1834 zu Stande kam. Dieses Gesetz unterschied sich für die in<lb/>
den ländlichen Bezirken in Betracht kommenden Verhältnisse vorzüglich durch einen<lb/>
etwas höheren Census von dem später (18S4) eingeführten und bis auf die<lb/>
Gegenwart in Geltung verbliebenen Wahlgesetz. Unter der Einwirkung des<lb/>
letzteren, welches nach dieser Bemerkung demokratischer war und den Willen<lb/>
der weniger Wohlhabenden mehr als das frühere zur politischen Arbeit zuließ,<lb/>
und unter den damaligen Zuständen^ wo die Deutschen und deutsch (richtiger<lb/>
Schleswig-holsteinisch) gesinnten Elemente allenthalben mehr oder minder ent-<lb/>
muthigt und relativ unfähig zum Widerstande waren, wählte zuerst der 4. Wahl-<lb/>
district (westlich und nordwestlich vom Sundewitt) nach Wunsch der Dänen.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_44" place="foot"> *) Dieselbe besteht aus dem Kirchspielen Handewith. Wanderup, Großen-Wiese, Nord^<lb/>
hackstedt, WallslM und Bau, hat circa V8»0 Einwohner und gehört zum Amt Flensburg.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0479] andern Worten, wie dieselben bei einer unter allseitiger Betheiligung statt¬ findenden vollkommen freien Abstimmung über die Alternative, ob man einem selbständigen Staate Schleswig-Holstein unter einem eignen Fürsten angehören oder in eine nähere Verbindung mit Dänemark treten wolle, sich wahrscheinlich entscheiden würden. In Südschleswig, also bis zur Linie Flensburg-Tondern, würden sich, darüber kann keinerlei Zweifel herrschen , alle Kirchspiele und Städte mit Aus¬ nahme etwa eines starken Drittels der Flensburger und einiger Dörfer der Wiesbarde*) entweder einstimmig oder fast einstimmig unbedingt für einen sol¬ chen Schleswig-holsteinischen Staat erklären. In Nordschleswig würde das Ergebniß, wenn alle Bewohner des Herzogthums zu gleicher Zeit stimmen sollten, sehr wahrscheinlich ein anderes sein, In Hadersleben und vielleicht auch in Apenrade würde sich eine Majorität für Schleswig-Holstein zusammenbringen lassen. Auch auf dem Lande würden sich, besonders wenn der Eintritt in den deutschen Bund nicht betont würde, eine kleine Anzahl von Stimmen in dieser Richtung äußern, und zwar würde dies im Südosten. mit Ausnahme von Alsen und Sundewitt mehr, im Nordwcsien und Norden weniger der Fall sein. Die große Majorität im All¬ gemeinen würde sich vermutblich für Dänemark erklären. Im Jahre 1846 wurde von dem Vertreter des siebenten ländlichen Wahl¬ bezirks (im Westen Nordschleswigs) ein Antrag gestellt, welcher die Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund bezweckte, und von den siebzehn Abgeord¬ neten der ländlichen Wahldistricte Schleswigs stimmten nur drei, nämlich die Vertreter des 2., 3. und 5. (äußerster Nordosten. Mitte der Osthälfte Nord¬ schleswigs und Sundewitt) gegen diese Proposition. Im Jahre 1847 wählten nach angestrengter Thätigkeit der dänischen Pro¬ paganda die Wahldistricte 1 (äußerster Nordwesten), 2, 3, 5 und 6 (Alsen) im dänischen Sinne — das ungünstigste Wahicrgebniß, weiches unter dem alten Wahlgesetz von 1834 zu Stande kam. Dieses Gesetz unterschied sich für die in den ländlichen Bezirken in Betracht kommenden Verhältnisse vorzüglich durch einen etwas höheren Census von dem später (18S4) eingeführten und bis auf die Gegenwart in Geltung verbliebenen Wahlgesetz. Unter der Einwirkung des letzteren, welches nach dieser Bemerkung demokratischer war und den Willen der weniger Wohlhabenden mehr als das frühere zur politischen Arbeit zuließ, und unter den damaligen Zuständen^ wo die Deutschen und deutsch (richtiger Schleswig-holsteinisch) gesinnten Elemente allenthalben mehr oder minder ent- muthigt und relativ unfähig zum Widerstande waren, wählte zuerst der 4. Wahl- district (westlich und nordwestlich vom Sundewitt) nach Wunsch der Dänen. *) Dieselbe besteht aus dem Kirchspielen Handewith. Wanderup, Großen-Wiese, Nord^ hackstedt, WallslM und Bau, hat circa V8»0 Einwohner und gehört zum Amt Flensburg.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/479
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/479>, abgerufen am 23.07.2024.