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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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achteten die von andrer Seite kommenden Warnungen. Die Van? zog 1844
ein, eine neben ihr errichtete Schleswig-holsteinische Landesbank wurde durch
allerlei Chicanen zu Grunde gerichtet, und durch Liberalität in ihren Bedin¬
gungen gelang es den Directoren des dänischen Instituts, den größeren Theil
der Kaufmannschaft und dadurch die von derselben abhängigen unteren Classen
in ihr Interesse zu ziehen. Die Mehrzahl des Handelsstandes arbeitere jetzt
über ihre Geldkräfte und gerieth so völlig in die Gewalt der Bank. Und nun¬
mehr begann auch in Flensburg die dänische Agitation. Man legte den in die
Hände der Bank Gefallenen Petitionen und Adressen vor. welche auf Danisirung
Schleswigs hinausliefen, und verweigerten sie ihre Unterschrift, so drohte man
mit Kündigung des gegebenen Credits. Den Ruin vor den Augen unter¬
schrieben sie. und dem ersten Schritte in dieser Gesellschaft folgten dann mehre.
Die Lroße Majorität der Schleswig-holsteinisch Gesinnten in Flensburg schmolz
zu einer sehr mäßigen Minorität herab.

Später gelang es einer Anzahl Wohlgesinnter, sich aus den Banden, mit
denen man sie umstrickt hatte, zu lösen, und die deutsche Partei fing wieder
zu wachsen an. In den Kriegsiahren von 1848 bis 18S0 galten für entschie¬
den dänisch gesinnt von den wohlhabenderen Bewohnern der Stadt blos die
30 Mitglieder von A. Christiansens Bürgerverein. Entschieden Schleswig-hol-
steinisch dagegen war das Casino, welches reichlich achtmal so viele Mitglieder
zählte. Der Pöbel, großentheils aus Nationaldänen bestehend, hielt sich zur
Partei Christiansens.

Die Jahre nach der Erhebung änderten diesen Sachverhalt insofern, als
jetzt eine bedeutende Anzahl dänischer Beamten hierher versetzt wurde, und als
diese Manchen, der nicht auf festen Füßen stand, theils durch dargebotene Vor¬
theile, theils durch Drohungen der deutschen Sache abwendig machten. Auch
verstärkte sich die dänische Partei durch Einwanderung von Geschäftsleuten und
Handwerkern aus Dänemark nicht unbeträchtlich. Endlich wurde der eine und
der andere Bürger durch die Bevorzugung gewonnen, welche die Regierung
der Stadt in verschiedenen Richtungen erwies. Immer aber gab es noch in
den letzten Jahren eine starke und festgeschlossene deutsche Partei, welche der
dänischen gewachsen gewesen wäre, wenn diese nicht die Behörde für sich ge¬
habt hätte, die jede Kundgebung deutscher Sympathien mindestens als "Mi߬
lichkeit", wo nicht als Verbrechen sofort mit Brüchen, Gefängniß, Concessions¬
entziehung. Auflösung von Gesellschaften u. s. w. strafte.

Die Deutschen hielten sich streng gesondert von den Dänen, wie im Süden
des Herzogthums und in Holstein, ja die Gesinnung grenzte sich in gewissem
Grade sogar nach Quartieren ab, indem die größere Südhälfte der Stadt
deutsch, der Norden dagegen dänisch war -- ein Verhältniß, welches auch jetzt
noch fortdauert. Für die gegenwärtige Gesinnung der Stadt sind die am


achteten die von andrer Seite kommenden Warnungen. Die Van? zog 1844
ein, eine neben ihr errichtete Schleswig-holsteinische Landesbank wurde durch
allerlei Chicanen zu Grunde gerichtet, und durch Liberalität in ihren Bedin¬
gungen gelang es den Directoren des dänischen Instituts, den größeren Theil
der Kaufmannschaft und dadurch die von derselben abhängigen unteren Classen
in ihr Interesse zu ziehen. Die Mehrzahl des Handelsstandes arbeitere jetzt
über ihre Geldkräfte und gerieth so völlig in die Gewalt der Bank. Und nun¬
mehr begann auch in Flensburg die dänische Agitation. Man legte den in die
Hände der Bank Gefallenen Petitionen und Adressen vor. welche auf Danisirung
Schleswigs hinausliefen, und verweigerten sie ihre Unterschrift, so drohte man
mit Kündigung des gegebenen Credits. Den Ruin vor den Augen unter¬
schrieben sie. und dem ersten Schritte in dieser Gesellschaft folgten dann mehre.
Die Lroße Majorität der Schleswig-holsteinisch Gesinnten in Flensburg schmolz
zu einer sehr mäßigen Minorität herab.

Später gelang es einer Anzahl Wohlgesinnter, sich aus den Banden, mit
denen man sie umstrickt hatte, zu lösen, und die deutsche Partei fing wieder
zu wachsen an. In den Kriegsiahren von 1848 bis 18S0 galten für entschie¬
den dänisch gesinnt von den wohlhabenderen Bewohnern der Stadt blos die
30 Mitglieder von A. Christiansens Bürgerverein. Entschieden Schleswig-hol-
steinisch dagegen war das Casino, welches reichlich achtmal so viele Mitglieder
zählte. Der Pöbel, großentheils aus Nationaldänen bestehend, hielt sich zur
Partei Christiansens.

Die Jahre nach der Erhebung änderten diesen Sachverhalt insofern, als
jetzt eine bedeutende Anzahl dänischer Beamten hierher versetzt wurde, und als
diese Manchen, der nicht auf festen Füßen stand, theils durch dargebotene Vor¬
theile, theils durch Drohungen der deutschen Sache abwendig machten. Auch
verstärkte sich die dänische Partei durch Einwanderung von Geschäftsleuten und
Handwerkern aus Dänemark nicht unbeträchtlich. Endlich wurde der eine und
der andere Bürger durch die Bevorzugung gewonnen, welche die Regierung
der Stadt in verschiedenen Richtungen erwies. Immer aber gab es noch in
den letzten Jahren eine starke und festgeschlossene deutsche Partei, welche der
dänischen gewachsen gewesen wäre, wenn diese nicht die Behörde für sich ge¬
habt hätte, die jede Kundgebung deutscher Sympathien mindestens als „Mi߬
lichkeit", wo nicht als Verbrechen sofort mit Brüchen, Gefängniß, Concessions¬
entziehung. Auflösung von Gesellschaften u. s. w. strafte.

Die Deutschen hielten sich streng gesondert von den Dänen, wie im Süden
des Herzogthums und in Holstein, ja die Gesinnung grenzte sich in gewissem
Grade sogar nach Quartieren ab, indem die größere Südhälfte der Stadt
deutsch, der Norden dagegen dänisch war — ein Verhältniß, welches auch jetzt
noch fortdauert. Für die gegenwärtige Gesinnung der Stadt sind die am


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[0477] achteten die von andrer Seite kommenden Warnungen. Die Van? zog 1844 ein, eine neben ihr errichtete Schleswig-holsteinische Landesbank wurde durch allerlei Chicanen zu Grunde gerichtet, und durch Liberalität in ihren Bedin¬ gungen gelang es den Directoren des dänischen Instituts, den größeren Theil der Kaufmannschaft und dadurch die von derselben abhängigen unteren Classen in ihr Interesse zu ziehen. Die Mehrzahl des Handelsstandes arbeitere jetzt über ihre Geldkräfte und gerieth so völlig in die Gewalt der Bank. Und nun¬ mehr begann auch in Flensburg die dänische Agitation. Man legte den in die Hände der Bank Gefallenen Petitionen und Adressen vor. welche auf Danisirung Schleswigs hinausliefen, und verweigerten sie ihre Unterschrift, so drohte man mit Kündigung des gegebenen Credits. Den Ruin vor den Augen unter¬ schrieben sie. und dem ersten Schritte in dieser Gesellschaft folgten dann mehre. Die Lroße Majorität der Schleswig-holsteinisch Gesinnten in Flensburg schmolz zu einer sehr mäßigen Minorität herab. Später gelang es einer Anzahl Wohlgesinnter, sich aus den Banden, mit denen man sie umstrickt hatte, zu lösen, und die deutsche Partei fing wieder zu wachsen an. In den Kriegsiahren von 1848 bis 18S0 galten für entschie¬ den dänisch gesinnt von den wohlhabenderen Bewohnern der Stadt blos die 30 Mitglieder von A. Christiansens Bürgerverein. Entschieden Schleswig-hol- steinisch dagegen war das Casino, welches reichlich achtmal so viele Mitglieder zählte. Der Pöbel, großentheils aus Nationaldänen bestehend, hielt sich zur Partei Christiansens. Die Jahre nach der Erhebung änderten diesen Sachverhalt insofern, als jetzt eine bedeutende Anzahl dänischer Beamten hierher versetzt wurde, und als diese Manchen, der nicht auf festen Füßen stand, theils durch dargebotene Vor¬ theile, theils durch Drohungen der deutschen Sache abwendig machten. Auch verstärkte sich die dänische Partei durch Einwanderung von Geschäftsleuten und Handwerkern aus Dänemark nicht unbeträchtlich. Endlich wurde der eine und der andere Bürger durch die Bevorzugung gewonnen, welche die Regierung der Stadt in verschiedenen Richtungen erwies. Immer aber gab es noch in den letzten Jahren eine starke und festgeschlossene deutsche Partei, welche der dänischen gewachsen gewesen wäre, wenn diese nicht die Behörde für sich ge¬ habt hätte, die jede Kundgebung deutscher Sympathien mindestens als „Mi߬ lichkeit", wo nicht als Verbrechen sofort mit Brüchen, Gefängniß, Concessions¬ entziehung. Auflösung von Gesellschaften u. s. w. strafte. Die Deutschen hielten sich streng gesondert von den Dänen, wie im Süden des Herzogthums und in Holstein, ja die Gesinnung grenzte sich in gewissem Grade sogar nach Quartieren ab, indem die größere Südhälfte der Stadt deutsch, der Norden dagegen dänisch war — ein Verhältniß, welches auch jetzt noch fortdauert. Für die gegenwärtige Gesinnung der Stadt sind die am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/477>, abgerufen am 23.07.2024.