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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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sitzenden "specifischen Schleswiger" vom Dorfe sammt denen, die in der Stadt
ähnliche Positionen einnahmen, zu bemitleiden.

Als es dann 1848 zum Bruche kam, die dänische Revolution das Land
mit Krieg überzog, die Schleswig-Holsteiner sich dagegen erhoben, blieben die
Nordschleswiger auf dem Platten Lande großentheils gleichgiltig, und wer sich
von ihnen nicht indifferent verhielt, war in der Regel gleich verdrießlich über
die eine wie über die andere Partei, da beide das Holt in seinem ruhigen Ve-
getiren störten und beide durch außerordentliche Steuern seinem Säckel ärger¬
liche Opfer zumuthetcn. Doch muß bemerkt werden, daß die, welche ein leb¬
hafteres politisches Interesse hatten, meist den Deutschen seind waren, und
zwar, theils weil sie von der Propaganda gewonnen waren, theils weil der
König auf Seiten der Dänen stand, und die royalistische Gesinnung der Lauern
so den Aufstand als gegen diesen gerichtet ansah, ihr wenig geübter Verstand
nicht zu begreisen vermochte, baß Friedrich der Siebente bei diesen Vorgängen
nicht viel mehr als eine Puppe an den Drähten von Orla Lehmann und Ge¬
nossen war. Sehr charakteristisch für die damalige Stimmung des nordschles-
wigschen Landvolks ist die Thatsache, daß, als 1848 die provisorische Regierung
sich anschickte, unter-demselben für ihre Armee Rekruten auszuheben, die junge
Mannschaft im Sundewitt und in den Aemtern Hadersleben und Apenrade
sofort das Weite suchte und entweder nach Jütland oder nach Kühnen und Al-
sen flüchtete, und daß dies keineswegs geschah, weil die Ausreißer dem "Tap¬
peren Landsoldat" und dem Danebrog zu folgen, sich verpflichtet fühlten, son¬
dern weil sie meinten, sich auf diesem Wege dem Militärdienst überhaupt ent¬
ziehen zu können. Nur wenige dieser Kriegsscheuen kämpften später in den
Schleswig-holsteinischen Bataillonen mit, und auch die Dänen scheinen sie als
schlechtes Material größtentheils verschmäht zu haben. Die Alten daheim aber
hatten auf die Frage, was sie denn eigentlich wollten, gewöhnlich nur das frühere
schwerfällige und hartnäckige Verlangen vorzubringen: "Wi will bin wa wi er.
Det stak bin oct ä Gannet. Wi will bin Sleswiger o will it i ä Forbund"
wir wollen bleiben was wir sind. Es soit beim Alten bleiben. Wir wol¬
len Schleswiger bleiben und nicht in den Bund."

Der traurige Ausgang der Erhebung konnte natürlich die Nordschleswiger
nicht für die deutsche Sache gewinnen. Die wenigen, welche derselben im
Grunde des Herzens zugethan gewesen waren, hatten mit der ihrem Stamme
eigenen Borsicht und behutsamen Aengstlichkeit erwogen, ob nicht am Ende doch
der Däne die Oberhand behalten könnte, und so sich vorläufig und bis die
Ereignisse diese Möglichkeit ausschlossen, von der Betheiligung thunlichst fern
gehalten. Jetzt sahen sie, daß ihr Mißtrauen in den Erfolg der Landsleute
im Süden sich rechtfertigte. Die dänische Propaganda dagegen mit ihren An¬
hängern in Nordschleswig hatte jetzt Oberwasser. Sie saß. während sie bis


sitzenden „specifischen Schleswiger" vom Dorfe sammt denen, die in der Stadt
ähnliche Positionen einnahmen, zu bemitleiden.

Als es dann 1848 zum Bruche kam, die dänische Revolution das Land
mit Krieg überzog, die Schleswig-Holsteiner sich dagegen erhoben, blieben die
Nordschleswiger auf dem Platten Lande großentheils gleichgiltig, und wer sich
von ihnen nicht indifferent verhielt, war in der Regel gleich verdrießlich über
die eine wie über die andere Partei, da beide das Holt in seinem ruhigen Ve-
getiren störten und beide durch außerordentliche Steuern seinem Säckel ärger¬
liche Opfer zumuthetcn. Doch muß bemerkt werden, daß die, welche ein leb¬
hafteres politisches Interesse hatten, meist den Deutschen seind waren, und
zwar, theils weil sie von der Propaganda gewonnen waren, theils weil der
König auf Seiten der Dänen stand, und die royalistische Gesinnung der Lauern
so den Aufstand als gegen diesen gerichtet ansah, ihr wenig geübter Verstand
nicht zu begreisen vermochte, baß Friedrich der Siebente bei diesen Vorgängen
nicht viel mehr als eine Puppe an den Drähten von Orla Lehmann und Ge¬
nossen war. Sehr charakteristisch für die damalige Stimmung des nordschles-
wigschen Landvolks ist die Thatsache, daß, als 1848 die provisorische Regierung
sich anschickte, unter-demselben für ihre Armee Rekruten auszuheben, die junge
Mannschaft im Sundewitt und in den Aemtern Hadersleben und Apenrade
sofort das Weite suchte und entweder nach Jütland oder nach Kühnen und Al-
sen flüchtete, und daß dies keineswegs geschah, weil die Ausreißer dem „Tap¬
peren Landsoldat" und dem Danebrog zu folgen, sich verpflichtet fühlten, son¬
dern weil sie meinten, sich auf diesem Wege dem Militärdienst überhaupt ent¬
ziehen zu können. Nur wenige dieser Kriegsscheuen kämpften später in den
Schleswig-holsteinischen Bataillonen mit, und auch die Dänen scheinen sie als
schlechtes Material größtentheils verschmäht zu haben. Die Alten daheim aber
hatten auf die Frage, was sie denn eigentlich wollten, gewöhnlich nur das frühere
schwerfällige und hartnäckige Verlangen vorzubringen: „Wi will bin wa wi er.
Det stak bin oct ä Gannet. Wi will bin Sleswiger o will it i ä Forbund"
wir wollen bleiben was wir sind. Es soit beim Alten bleiben. Wir wol¬
len Schleswiger bleiben und nicht in den Bund."

Der traurige Ausgang der Erhebung konnte natürlich die Nordschleswiger
nicht für die deutsche Sache gewinnen. Die wenigen, welche derselben im
Grunde des Herzens zugethan gewesen waren, hatten mit der ihrem Stamme
eigenen Borsicht und behutsamen Aengstlichkeit erwogen, ob nicht am Ende doch
der Däne die Oberhand behalten könnte, und so sich vorläufig und bis die
Ereignisse diese Möglichkeit ausschlossen, von der Betheiligung thunlichst fern
gehalten. Jetzt sahen sie, daß ihr Mißtrauen in den Erfolg der Landsleute
im Süden sich rechtfertigte. Die dänische Propaganda dagegen mit ihren An¬
hängern in Nordschleswig hatte jetzt Oberwasser. Sie saß. während sie bis


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[0471] sitzenden „specifischen Schleswiger" vom Dorfe sammt denen, die in der Stadt ähnliche Positionen einnahmen, zu bemitleiden. Als es dann 1848 zum Bruche kam, die dänische Revolution das Land mit Krieg überzog, die Schleswig-Holsteiner sich dagegen erhoben, blieben die Nordschleswiger auf dem Platten Lande großentheils gleichgiltig, und wer sich von ihnen nicht indifferent verhielt, war in der Regel gleich verdrießlich über die eine wie über die andere Partei, da beide das Holt in seinem ruhigen Ve- getiren störten und beide durch außerordentliche Steuern seinem Säckel ärger¬ liche Opfer zumuthetcn. Doch muß bemerkt werden, daß die, welche ein leb¬ hafteres politisches Interesse hatten, meist den Deutschen seind waren, und zwar, theils weil sie von der Propaganda gewonnen waren, theils weil der König auf Seiten der Dänen stand, und die royalistische Gesinnung der Lauern so den Aufstand als gegen diesen gerichtet ansah, ihr wenig geübter Verstand nicht zu begreisen vermochte, baß Friedrich der Siebente bei diesen Vorgängen nicht viel mehr als eine Puppe an den Drähten von Orla Lehmann und Ge¬ nossen war. Sehr charakteristisch für die damalige Stimmung des nordschles- wigschen Landvolks ist die Thatsache, daß, als 1848 die provisorische Regierung sich anschickte, unter-demselben für ihre Armee Rekruten auszuheben, die junge Mannschaft im Sundewitt und in den Aemtern Hadersleben und Apenrade sofort das Weite suchte und entweder nach Jütland oder nach Kühnen und Al- sen flüchtete, und daß dies keineswegs geschah, weil die Ausreißer dem „Tap¬ peren Landsoldat" und dem Danebrog zu folgen, sich verpflichtet fühlten, son¬ dern weil sie meinten, sich auf diesem Wege dem Militärdienst überhaupt ent¬ ziehen zu können. Nur wenige dieser Kriegsscheuen kämpften später in den Schleswig-holsteinischen Bataillonen mit, und auch die Dänen scheinen sie als schlechtes Material größtentheils verschmäht zu haben. Die Alten daheim aber hatten auf die Frage, was sie denn eigentlich wollten, gewöhnlich nur das frühere schwerfällige und hartnäckige Verlangen vorzubringen: „Wi will bin wa wi er. Det stak bin oct ä Gannet. Wi will bin Sleswiger o will it i ä Forbund" wir wollen bleiben was wir sind. Es soit beim Alten bleiben. Wir wol¬ len Schleswiger bleiben und nicht in den Bund." Der traurige Ausgang der Erhebung konnte natürlich die Nordschleswiger nicht für die deutsche Sache gewinnen. Die wenigen, welche derselben im Grunde des Herzens zugethan gewesen waren, hatten mit der ihrem Stamme eigenen Borsicht und behutsamen Aengstlichkeit erwogen, ob nicht am Ende doch der Däne die Oberhand behalten könnte, und so sich vorläufig und bis die Ereignisse diese Möglichkeit ausschlossen, von der Betheiligung thunlichst fern gehalten. Jetzt sahen sie, daß ihr Mißtrauen in den Erfolg der Landsleute im Süden sich rechtfertigte. Die dänische Propaganda dagegen mit ihren An¬ hängern in Nordschleswig hatte jetzt Oberwasser. Sie saß. während sie bis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/471>, abgerufen am 23.07.2024.