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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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dem Oberkriegscommissär Riegels, die andere unter dem Artillerielieutncmt
Owesen stehe.

So or>r es dahin gekommen, daß Orla Lehmann auf dem Maifeste 1842
in Bezug auf die Verbindung der beiden Herzogthümer, die jetzt von der deut¬
schen Partei lebhaft betrieben wurde, nicht ohne starke Uebertreibung, aber auch
nicht ohne allen Grund sagen konnte: "Wider sie spricht der demokratische Geist
Schleswigs und seine materiellen Interessen, welche es nach Dänemark und
seinen Kolonien ziehen. Aber worauf ich am meisten baue, ist, daß sick in
Schleswig unter der Aegide des erwachten Volksbewußtseins die skandinavische
Nationalität und die dänische Zunge von langer Erniedrigung erhoben hat und
kräftig ihr heiliges Recht fordert." Und sehr charakteristisch ist, daß Baseler im
November dieses Jahres in der schleswigschen Ständeversammlung den Antrag
zu stellen vermochte, das Amt Hadersleben von Schleswig abzusondern und in
Jütland zu incorporiren.

Und immer kräftiger arbeiteten die Emissäre der Propaganda. Neue Bücher¬
sendungen kamen an, neue Mittel der Täuschung über die Zwecke der Gegner
wurden in Anwendung gebracht. Man stellte den Bauern die deutsche oder
Schleswig-holsteinische Partei als eine solche dar, deren Ziele ihre Abgabenlast
erschweren würden. Man belehrte sie, daß es auf den Eintritt Schleswigs in
den deutschen Bund abgesehen sei, und daß dieses sie unfehlbar nöthigen werde,
ihre Söhne zu fernen Kriegen, z. B. mit den Türken, herzugeben. Man bildete
ihnen ein, daß man ihnen ihre Sprache nehmen wolle. Und die guten Einfältigen
glaubten dergleichen Vorspiegelungen vielfach. Sie glaubten um so mehr wenig¬
stens das Letztere, als ein Vorfall in der schleswigschen Ständeversammlung,
der von den kopenhagner Patrioten veranlaßt worden, sich dahin interprctirenIeß.

Es war gelungen, den frühern Abgeordneten für Hadersleben Peter Hjort
Lorenze", der in den beiden ersten Sessionen der Ständeversammlung ebenso
energisch für die Freiheit wie für die Rechte Schleswig-Holsteins gesprochen,
der namentlich 1838 auf Trennung des Finanzwesens der Herzogtümer von
dem des Königreichs angetragen hatte, eines Bessern zu überzeugen -- ein Ge¬
winn, der sich zum Theil daraus erklärte, daß dieser liberale Abgeordnete den
Herzog von Augustenburg, den als verkörpertes Junkerthum allgemein Geha߬
ten, bei der Schleswig-holsteinischen Partei die Rolle des Führers spielen sah.
Vollständig für die Bestrebungen des dänischen Liberalismus gewonnen, was
wir ihm nicht verdenken, leider aber auch für die mit demselben verbundenen
Tendenzen in nationaler Hinsicht eingenommen, was wir ihm sehr verdenken,
'begann der begabte und in Nordschleswig außerordentlich beliebte Mann, nach¬
dem er in Sonderburg zum Abgeordneten gewählt worden, eines schönen Mor¬
gens, am 11. November 1842. plötzlich und zu Aller Ueberraschung der Stände¬
versammlung einen Vortrag in dänischer Sprache zu halten. Verwundert hörte


dem Oberkriegscommissär Riegels, die andere unter dem Artillerielieutncmt
Owesen stehe.

So or>r es dahin gekommen, daß Orla Lehmann auf dem Maifeste 1842
in Bezug auf die Verbindung der beiden Herzogthümer, die jetzt von der deut¬
schen Partei lebhaft betrieben wurde, nicht ohne starke Uebertreibung, aber auch
nicht ohne allen Grund sagen konnte: „Wider sie spricht der demokratische Geist
Schleswigs und seine materiellen Interessen, welche es nach Dänemark und
seinen Kolonien ziehen. Aber worauf ich am meisten baue, ist, daß sick in
Schleswig unter der Aegide des erwachten Volksbewußtseins die skandinavische
Nationalität und die dänische Zunge von langer Erniedrigung erhoben hat und
kräftig ihr heiliges Recht fordert." Und sehr charakteristisch ist, daß Baseler im
November dieses Jahres in der schleswigschen Ständeversammlung den Antrag
zu stellen vermochte, das Amt Hadersleben von Schleswig abzusondern und in
Jütland zu incorporiren.

Und immer kräftiger arbeiteten die Emissäre der Propaganda. Neue Bücher¬
sendungen kamen an, neue Mittel der Täuschung über die Zwecke der Gegner
wurden in Anwendung gebracht. Man stellte den Bauern die deutsche oder
Schleswig-holsteinische Partei als eine solche dar, deren Ziele ihre Abgabenlast
erschweren würden. Man belehrte sie, daß es auf den Eintritt Schleswigs in
den deutschen Bund abgesehen sei, und daß dieses sie unfehlbar nöthigen werde,
ihre Söhne zu fernen Kriegen, z. B. mit den Türken, herzugeben. Man bildete
ihnen ein, daß man ihnen ihre Sprache nehmen wolle. Und die guten Einfältigen
glaubten dergleichen Vorspiegelungen vielfach. Sie glaubten um so mehr wenig¬
stens das Letztere, als ein Vorfall in der schleswigschen Ständeversammlung,
der von den kopenhagner Patrioten veranlaßt worden, sich dahin interprctirenIeß.

Es war gelungen, den frühern Abgeordneten für Hadersleben Peter Hjort
Lorenze», der in den beiden ersten Sessionen der Ständeversammlung ebenso
energisch für die Freiheit wie für die Rechte Schleswig-Holsteins gesprochen,
der namentlich 1838 auf Trennung des Finanzwesens der Herzogtümer von
dem des Königreichs angetragen hatte, eines Bessern zu überzeugen — ein Ge¬
winn, der sich zum Theil daraus erklärte, daß dieser liberale Abgeordnete den
Herzog von Augustenburg, den als verkörpertes Junkerthum allgemein Geha߬
ten, bei der Schleswig-holsteinischen Partei die Rolle des Führers spielen sah.
Vollständig für die Bestrebungen des dänischen Liberalismus gewonnen, was
wir ihm nicht verdenken, leider aber auch für die mit demselben verbundenen
Tendenzen in nationaler Hinsicht eingenommen, was wir ihm sehr verdenken,
'begann der begabte und in Nordschleswig außerordentlich beliebte Mann, nach¬
dem er in Sonderburg zum Abgeordneten gewählt worden, eines schönen Mor¬
gens, am 11. November 1842. plötzlich und zu Aller Ueberraschung der Stände¬
versammlung einen Vortrag in dänischer Sprache zu halten. Verwundert hörte


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[0468] dem Oberkriegscommissär Riegels, die andere unter dem Artillerielieutncmt Owesen stehe. So or>r es dahin gekommen, daß Orla Lehmann auf dem Maifeste 1842 in Bezug auf die Verbindung der beiden Herzogthümer, die jetzt von der deut¬ schen Partei lebhaft betrieben wurde, nicht ohne starke Uebertreibung, aber auch nicht ohne allen Grund sagen konnte: „Wider sie spricht der demokratische Geist Schleswigs und seine materiellen Interessen, welche es nach Dänemark und seinen Kolonien ziehen. Aber worauf ich am meisten baue, ist, daß sick in Schleswig unter der Aegide des erwachten Volksbewußtseins die skandinavische Nationalität und die dänische Zunge von langer Erniedrigung erhoben hat und kräftig ihr heiliges Recht fordert." Und sehr charakteristisch ist, daß Baseler im November dieses Jahres in der schleswigschen Ständeversammlung den Antrag zu stellen vermochte, das Amt Hadersleben von Schleswig abzusondern und in Jütland zu incorporiren. Und immer kräftiger arbeiteten die Emissäre der Propaganda. Neue Bücher¬ sendungen kamen an, neue Mittel der Täuschung über die Zwecke der Gegner wurden in Anwendung gebracht. Man stellte den Bauern die deutsche oder Schleswig-holsteinische Partei als eine solche dar, deren Ziele ihre Abgabenlast erschweren würden. Man belehrte sie, daß es auf den Eintritt Schleswigs in den deutschen Bund abgesehen sei, und daß dieses sie unfehlbar nöthigen werde, ihre Söhne zu fernen Kriegen, z. B. mit den Türken, herzugeben. Man bildete ihnen ein, daß man ihnen ihre Sprache nehmen wolle. Und die guten Einfältigen glaubten dergleichen Vorspiegelungen vielfach. Sie glaubten um so mehr wenig¬ stens das Letztere, als ein Vorfall in der schleswigschen Ständeversammlung, der von den kopenhagner Patrioten veranlaßt worden, sich dahin interprctirenIeß. Es war gelungen, den frühern Abgeordneten für Hadersleben Peter Hjort Lorenze», der in den beiden ersten Sessionen der Ständeversammlung ebenso energisch für die Freiheit wie für die Rechte Schleswig-Holsteins gesprochen, der namentlich 1838 auf Trennung des Finanzwesens der Herzogtümer von dem des Königreichs angetragen hatte, eines Bessern zu überzeugen — ein Ge¬ winn, der sich zum Theil daraus erklärte, daß dieser liberale Abgeordnete den Herzog von Augustenburg, den als verkörpertes Junkerthum allgemein Geha߬ ten, bei der Schleswig-holsteinischen Partei die Rolle des Führers spielen sah. Vollständig für die Bestrebungen des dänischen Liberalismus gewonnen, was wir ihm nicht verdenken, leider aber auch für die mit demselben verbundenen Tendenzen in nationaler Hinsicht eingenommen, was wir ihm sehr verdenken, 'begann der begabte und in Nordschleswig außerordentlich beliebte Mann, nach¬ dem er in Sonderburg zum Abgeordneten gewählt worden, eines schönen Mor¬ gens, am 11. November 1842. plötzlich und zu Aller Ueberraschung der Stände¬ versammlung einen Vortrag in dänischer Sprache zu halten. Verwundert hörte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/468>, abgerufen am 23.07.2024.